TOSCA

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Staatsoper
18. Jänner 2019

Dirigent: Evelino Pidò

Floria Tosca - Kristine Opolais
Mario Cavaradossi - Vittorio Grigolo
Scarpia - Marco Vratogna
Cesare Angelotti - Clemens Unterreiner
Der Mesner - Wolfgang Bankl
Spoletta - Lenardo Navarro
Sciarrone - Marcus Pelz
Schließer - Ayk Martirossian
Ein Hirt - Ein
Kind der Opernschule der Wiener Staatsoper


„Ein Tenor verschenkt sein Herz“

(Dominik Troger)

Schlussbeifall: Der Tenor stürmt zum Solovorhang auf die Bühne, reißt die Arme hoch, der jubelfreudige Teil des Publikums ist ganz verzückt. Der Tenor kniet nieder, berührt den Bühnenboden mit der Hand. Der Tenor wirft mit symbolischer Geste sein Herz in das Publikum.

Der Tenor herzt den Sopran, der Tenor kniet vor dem Sopran, der Bariton macht es ihm gleich. Der Sopran steht zwischen beiden, beugt sich zu diesem, beugt sich zu jenem, entscheidet sich dann doch für den Tenor, und dem Bariton wird immerhin eine tröstliche Umarmung zuteil. Der Tenor gestikuliert ins Publikum, er wandert mit Sopran und Bariton im Tross von der einen auf die andere Bühnenseite. Alle winken ins Publikum. Der Sopran bekommt sogar Blumen geworfen. Und dann sind rund elf Minuten vorbei und der im Saal verbliebene Rest des Publikums ist beglückt zu so langem Beifall animiert worden zu sein und geht beschwingt nach Hause.

So oder so ähnlich hat sich der Schlussbeifall nach der 605. Aufführung (laut Programmzettel) der „Wallmann-Tosca“ in der Wiener Staatsoper abgespielt. Tenor Vittorio Grigolo mobilisierte den Applaus, animierte zum Beifall, ließ das Publikum unwiderstehlich an seinem Tenorglück teilhaben. Vittorio Grigolo inszenierte sich als Heißsporn unter den Operntenören, als emotionaler Hitzkopf, als sich vor dem Publikum seiner Gefühle entäußernder Sänger.

Grigolo hat seit seinem Hausdebüt im Jahr 2013 gerade mal zehn Vorstellungen in Wien gesungen, und dabei immer eine offenherzige Kommunikation mit dem Publikum geübt. 2013 hat er bei einem Schlussvorhang nach „La traviata“ Violetta sogar auf die Bühne getragen (!), das hat er mit Tosca diesmal nicht gemacht. Schon anlässlich besagter „Traviata“, die zugleich das Wien-Debüt des Sängers markiert hat, monierte ich seine „übermotivierte“ Herangehensweise und das übertriebene Ausspielen des emotionalen Effektes auf Kosten der Stimmkultur. Dabei hat die Natur den Sänger mit einer schönen Stimme beschenkt, die viel südlichen Charme transportiert: ein leicht baritonal gefärbtes mediterranes Leuchten, das einem italienischen Tenor sehr gut ansteht.

Als Cavaradossi hat der Sänger meines Wissens 2017 an der Met sein Rollendebüt gegeben. Grigolo zeichnete die Figur im ersten Akt ein bisschen manieriert, ein Künstler, den es zum Arbeiten drängt, der sich von seiner Kunst und von seiner Liebe fortreißen lässt, und dem dann seine politische Gesinnung einen Strich durch die Rechnung macht. Das war vom Spiel gut getroffen, während ihn im zweiten Akt sein heldisches Auftreten bereits an die Grenze des „Überspielens und Übersingens“ drängte.

Im dritten Akt nützte er dasE lucevan le stelle“ zu einer Gefühlsshow, der nur noch ein paar wohldosierte Schluchzer gefehlt haben. (Wobei die Stimme nach einem in die Tiefe „gedrückten“ Einstieg eigentlich erst bei den „dolci baci“ so richtig „aufgegangen“ ist.) Aber wie er dann Toscas zarte Hände besang, das hatte etwas für sich, denn seine Stimme vermag in solchen Momenten gleichsam südliche, wie von leichtem Rotwein getönte Sonnenuntergänge zu zaubern. Fazit: Die Art und Weise wie sich Grigolo als Tenor inszeniert passt zu ihm und zu seinem Aussehen – und der Erfolg gibt ihm recht.

Leider hat die Karriere von Kristine Opolais an ihrem Sopran schwere Spuren hinterlassen: die Stimme oszillierte beträchtlich, klang abgeschliffen und glanzlos. Aber als Tosca geht es vielleicht noch durch, wenn das Schauspiel und die sängerische Energie wie ein gelungenes Makeup die stimmlichen „Falten“ glätten und tragische Größe und eine Dosis Affektiertheit das Publikum in Bann ziehen. Am Schluss des zweiten Aktes war Opolais zu schnell mit der „Einsegnung“ Scarpias fertig – und der Mantelwurf im Finale kam viel zu früh. Die Dynamik der Schlussszene mit Treppenlauf und Sprung wurde dadurch – wieder einmal – stark entschleunigt.

Marco Vratogna hat offenbar ein Abonnement auf den Scarpia in Wien, und der Eindruck, den er dabei hinterlässt, ist meist durchwachsen. Wenn er so dort steht, sich mit seinen Händen vor der Brust die Jackenaufschläge greift, dann wirkt er alles andere als gefährlich. Sein grober Bariton trägt auch nicht dazu bei, um mehr als einen rudimentären Eindruck von den psychologischen Möglichkeiten der Partie zu vermitteln. Wolfgang Bankls Kirchendiener ist kein gemütlicher Mensch, sondern schärft an seiner misanthropisch-hinterhältigen Kontur von Aufführung zu Aufführung – und Clemens Unterreiner spielte und sang einen engagiert aufrührerischen Angelotti.

Evelino Pidò und das Staatsopernorchester servierten eine wohlproportionierte Tosca, etwas trocken im Klang, straff, aber den Sängern gegenüber elastisch genug, um ihnen ihre Allüren nicht zu vermiesen. Und vom Schlussapplaus war diesmal schon ausführlich die Rede.