TOSCA |
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Staatsoper Dirigent: Paolo Carignani |
Floria
Tosca - Martina Serafin Mario Cavaradossi - Massimo Giordano Scarpia - Bryn Terfel Cesare Angelotti - Janusz Monarcha Der Mesner - Alfred Sramek Spoletta - Benedikt Kobel Sciarrone - Marcus Pelz Schließer - Walter Fink Ein Hirt - Kind der Opernschule |
Bryn Terfel ist nach sieben Jahren Abwesenheit wieder an die Staatsoper zurückgekehrt und singt seinen ersten Wiener Scarpia. Von drei anberaumten Vorstellungen ist noch eine ausständig. Wer Freitag und Sonntag keine Zeit gefunden hat, um eine Aufführung zu besuchen, hat kommenden Mittwoch noch einmal Gelegenheit dazu. Eine Gelegenheit, die nicht versäumt werden sollte. Bryn Terfels Scarpia bewegt sich wie ein bulliger Bluthund über die Bühne. Er umwittert Tosca und bedrängt sie. Er spielt mit ihr wie mit einer Rosenblüte, die er von einem Strauch gezupft hat, um sie dann spielerisch zwischen seinen Pranken zu zerquetschen – nicht ohne dabei gierig das Odeur einzusaugen, das den zerkneteten Blättern entweicht. Bereits im ersten Akt ist dieser Scarpia von raumgreifender Wirkung, ist sein Auftritt garniert mit drohender Brutalität, zeigt er einen von Genuss und Macht verdorbenen Charakter, sinnlich und gewalttätig zugleich. Aber im zweiten Akt paaren sich Intellekt und animalische Gier zu einem noch präziser entwickelten Rollenporträt, das Tosca wie entkleidet und bar jeden Schutzes zurückzulassen scheint. Dabei nähert er sich dem Objekt seiner Begierde sogar auf den Knien (!), um ihm eine Art Liebeserklärung zu machen. Und vielleicht huldigt er in diesen Momenten sogar seinem Opfer, so wie der Kenner zuerst genießerisch den Wein verkostet, und das Glas unter Lobpreis des Rebensaftes erst dann austrinkt, wenn er sich seines Genusses gewiss ist. Toscas Bitten und Beten gehen diesem Scarpia zwar auf die Nerven, vermehren ihm aber zugleich diesen Genuss. Und wenn Tosca nach dem „Vissi d’arte“ flehentlich vom Boden zu ihm aufsieht, und er mit lässig vor dem Bauch gefalteten Händen vor ihr steht, so als wolle er ihr jeden Respekt verweigern, dann wird sein unbeugsamer Wille deutlich, Tosca nicht nur zu körperlich besitzen, sondern auch seelisch zu zerbrechen. Unterstützt von seinem präsenten Bassbariton lotete Terfel diese Nuancen subtil in der Darstellung und subtil mit seiner Stimme aus – vom amikalen Flüstern bis zum aggressiven Lospoltern: kräftig genug für den ersten Akt und geschmeidig genug für den zweiten. Für die übrigen Mitwirkenden war es schwer, neben diesem Scarpia zu bestehen. Tosca und Cavaradossi hatten im ersten Akt ein von vielen „Bussis“ begleitetes Zwiegespräch. Vor allem Massimo Giordano konnte gar nicht damit aufhören, seine Tosca mit Küsschen einzudecken. Aber während Martina Serafin sich im zweiten Akt neben Terfel durchaus profilierte, wirkte Giordano auf mich den ganzen Abend über wie ein sich jung und unbekümmert gebender Künstler, der seine Liebschaften mit naiven Zärtlichkeiten, einer unsolide klingenden Mittellage und ein paar „gestemmten“ „Imponier-Höhen“ unterhält. Die beiden „Vorzeigearien“ brachten ihm einen kurzen Höflichkeitsapplaus ein. Serafin fand im zweiten Akt und vor allem im „Vissi d’arte“ zu starkem Ausdruck. Die kräftigen Spitzentöne klangen nach der ersten Pause „freier“. Ihr Sopran scheint mir insgesamt ein wenig herb timbriert, das gibt ihrer Tosca-Stimme Individualität, aber mindert ein wenig ihren Liebreiz. Manches hätte ich mir eindringlicher in der Ausführung gewünscht: etwa das Finale des zweiten Aktes, wenn Tosca mit dem dreimaligen „Muori!“ Scarpia gleichsam hypnotisiert und ihm den Lebensodem abzieht. Terfel krallte sich im Todeskampf am Boden liegend noch den Saum von Toscas Kleid – und da hätte so ein beschwörend-pathetisches „Muori!“ sehr guten Effekt gemacht. Aber Serafin sprach die Worte zu schnell hintereinander aus und ohne „Magie“. Dafür spielte sie das Zusammenbrechen an der Leiche ihres Geliebten nach der Erschießung ohne Affektiertheit, was diesen Moment stark aufgewertet hat. Der Mesner von Alfred Sramek leistete sich gegenüber dem Hochalter sogar eine missmutige Geste, offenbar kann sogar einen beflissenen Diener vor dem Herrn das ständig zum Dienste rufende Glockengeläute mürrisch machen. Laut Online-Staatsopernarchiv hat Sramek in der „Tosca“ 1975 mit dem Schließer begonnen. Der stimmkräftige Schließer dieses Abends, Walter Fink, hat diese Partie zum ersten Mal 1977 gesungen! Paolo Carignani sorgte für eine spannende, sängeraffine Orchesterbegleitung, gleich am Beginn mit satt-knarrendem Blech, später auch mit schönen melodischen (Steicher-)Bögen Puccinis musikalische Dramaturgie recht plastisch zu Gehör bringend. Der Schlussapplaus dauerte sechs bis sieben Minuten lang, und schloss alle Beteiligten ein, Terfel natürlich ganz besonders. |