ORFEO

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Theater an der Wien
22. Jänner 2022
Konzertante Aufführung

Dirigent: Dmitry Sinkovsky

Orchester: La Lira di Orfeo

Orfeo - Raffaele Pe
Euridice - Marie Lys
Proserpina - Carlotta Colombo
Aristeo - Filippo Mineccia
Autonoe - Miriam Albano
Plutone - Christian Senn


Ein Orfeo
für Farinelli“
(Dominik Troger)

Samstagabend lud das Theater an der Wien zu einer konzertanten Aufführung des „Orfeo“ von Nicola Antonio Porpora. Das Werk ist 1736 in London uraufgeführt worden. Die Titelpartie hat einst der berühmte Kastrat Farinelli verkörpert.

„Orfeo“ erzählt die Geschichte von Orpheus und Euridike ein bisschen anders. Dem bekannten Paar ist ein weiteres gegenübergestellt – Autonoe und Aristeo – wodurch im Finale mit Happy end eine Doppelhochzeit zum Ruhme Amors möglich wird. Euridice wird im ersten Akt von Orfeo und Aristeo umworben, sie entscheidet sich für Orfeo. Im zweiten Akt möchte Aristeo Euridice entführen, aber sie wird von einer Schlange gebissen und stirbt. Im dritten Akt erfolgen die Unterweltsfahrt des Orfeo und die glücklichen Rückkehr des Paares.

Die Handlung ermöglicht gute Bühneneffekte, um die Schaulust des Publikums zu befriedigen, dient im Wesentlichen aber als Vehikel für zum Teil außerordentlich virtuos ausgestaltete Arien. Die einzelnen Nummern sind gut aufeinander abgestimmt. Porpora hat für den „Orfeo“ eigene Musik komponiert, im Sinne eine „Pasticcios“ aber genauso Arien aus fremden Federn hinzugefügt. Und das sorgt für Abwechslung: von blockflötenbegleiteten schäferidyllischen Anwandlungen bis zur prachtvollen, hornbegleiteten Jagdarie.

Im Zentrum steht natürlich Orfeo, dem im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubende Gesangeskünste abverlangt werden. Das betrifft nicht nur den Tonumfang, sondern auch die Länge der Phrasen, Schwelltöne, langgefädelte Koloraturketten usf. Das musikalischen Ausmaß des Schmerzes von Orfeo im Finale des zweiten Aktes nimmt fast schon olympische Ausmaße an. Arien werden zu „Marathonveranstaltungen“, nach deren virtuoser Absolvierung sogar ein durchtrainierter Countertenor ein paar Mal kräftig durchatmen muss.

Raffaele Pe servierte als Orfeo dem Publikum an diesem Abend reihenweise ergötzliche gesangliche Raffinessen. Pe erinnert im Timbre ein wenig an Philippe Jaroussky, aber mit etwas weniger keuscher „Süße“ abgemischt. Seine Stimme scheint mir zudem etwas „größer“ zu sein, verfügt über kräftige Spitzentöne, in der Tiefe wird sie etwas flacher. Als Aristeo stand ihm mit Filippo Mineccia ein zweiter Countertenor zur Seite, in der Klangfarbe ein wenig dunkler, als Abgrenzung zur Lichtgestalt des Orfeo damit bestens gerüstet und ebenso untadelig im Vortrag und in der Gestaltung dieses nebenbuhlerischen Kerls. Die beiden Sänger bereiteten dem schlussendlich enthusiasmierten Publikum viel Vergnügen. Als Plutone ergänzte Christian Senn mit angenehmem, maskulinem Bariton.

Weiters hatten sich drei Damen auf dem Podium eingefunden. Marie Lys sang die Euridice mit einem lieblich gerundeten Sopran, der den unschuldigen Augenaufschlag einer Schäferin zusätzlich mit einer koketten Wendigkeit zu versehen wusste. Den Rezitativen folgte die Schweizerin mit Humor und Einfühlungsvermögen. Miriam Albano war einige Jahre im Ensemble der Wiener Staatsoper, und sie gab die Autonoe mit lyrisch gerundetem, agilem Mezzo. Als Proserpina steuerte Carlotta Colomobo einen hellen, zarten und beweglichen Sopran bei.

Das von Raffale Pe gegründete Ensemble La Lira di Orfeo (an diesem Abend war der Name sozusagen Programm) stand unter der Leitung von Dmitry Sinkovsky – Geiger, Countertenor und Dirigent. Seine Abende mit Il Complesso Barocco sind langjährigen Besuchern des Theaters an der Wien sicher noch Erinnerung – unter anderem stand er bei Joyce DiDonatos Arienabend vor zehn Jahren am Pult. Sinkowsky ließ mit leicht seidenem Streicherklang spielen, differenziert, ohne die Basslinie über Gebühr herauszustreichen. Es war ein genussvolles Musizieren, ohne Exaltismen, Sinkowsky griff auch selbst zur Violine um einige Arien zu begleiten.

Das Publikum war begeistert, rhythmisches Klatschen, der Schlusschor wurde als Zugabe wiederholt. Als Rahmen diente das offene Bühnenbild der aktuellen „Tosca“-Produktion: „Orfeo“ vor einer Winterlandschaft. Zur versuchten Entführung Euridices lief selbige, verfolgt von Aristeo, sogar eine Runde im Bühnenschnee. Eine unschuldiges Vergnügen, wenn man an die „Tosca“-Aufführung vom Dienstag denkt. Das Haus war einigermaßen gut besucht, trotz Pandemie und lästigem Testen.