GERMANICO IN GERMANIA

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Theater an der Wien
30.3.2017
Konzertante Aufführung

Dirigent: Jan Tomasz Adamus

Capella Cracoviensis

Germanico - Max Emanuel Cencic
Arminio - Mary-Ellen Nesi
Rosmonda - Dilyara Idrisova
Ersinda - Julia Lezhneva
Segeste - György Hanczar
Cecina - Hasnaa Bennani


Wie die Römer Germanien eroberten

(Dominik Troger)

„Parsifal“-Premiere in der Wiener Staatsoper, aber das Theater an der Wien lud zu einer Rarität: „Germanico in Germania“ – und entführte das Publikum im nahezu ausverkauften Haus in das Jahr 1732 zu einer Opera seria von Nicola Antonio Porpora.

Der gescheiterte Versuch des römischen Imperiums, sich um die Zeitenwende Germanien einzuverleiben, hat Dichter, Librettisten und Historiker beflügelt. Die berühmte Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. ist der Wendepunkt dieses Versuches. Drei römische Legionen wurden von den Germanen unter „Hermann dem Cherusker“ niedergemetzelt. Ausgehend von den „Annalen“ des Tacitus und den Werken weiterer antiker Historiker wurden dem siegreichen Hermann nicht nur nationale Kränze geflochten, sondern auch einige Opernlibretti darauf geschmiedet. Von Händel gibt es einen „Arminio“, der 2016 im Theater an der Wien aufmarschierte, diesmal war es der Römer Germanico, der den „Fußstapfen“ des Varus folgend, darauf aus war, die Germanen zu besiegen.

Die Handlung entspinnt sich zwischen dem siegreichen römischen Heerführer Germanico und dem Germanen Arminio, der sich drei Opernakte lang dagegen wehrt, die römische Hegemonie über Germanien anzuerkennen. Damit verknüpft ist das Schicksal der Schwestern Rosmonda und Ersinda. Erstere ist mit Arminio verehelicht und ganz germanophil, Ersinda hingegen weiß bereits die römische Kultur und Liebe (!) – in Form des Hauptmanns Cecina – zu schätzen. Auch diese Verbindung wird im Finale offiziell abgesegnet.

Das Libretto von Niccolò Coluzzi bietet einige interessante Facetten – zum Beispiel wirft Armino Germanicus vor, Rom würde sich nur die Kultur der eroberten Völker aneignen. Würde man Rom von den aus Griechenland und Ägypten geraubten Kunstwerken befreien, dann würde das „stolze Rom wie eine einfache Frau ohne Schmuck (...) dastehen (...)“. Coluzzi problematisiert auch die Frage, ob es besser sei, in Ehren zu sterben, oder ob nicht eine kompromissbereite Unterwerfung unter den von Germanico vorgegebenen Umständen „vernünftiger“ wäre. Dass die „Vernunft“ schließlich bei allen jubiliert, wird wenig überraschen.

Porporas Musik setzt in dieser Oper vor allem auf Streicher, es gibt keine Schlaginstrumente, an Blasinstrumenten nur Hörner und Oboen. Den Hörnern hat er ein paar Gustostückerl komponiert, in der Ouvertüre gibt es für selbige eine eingelegte Solopassage (und es war wieder einmal zu hören, wie schwierig „Originalklang"-Hörner in der „historisch informierten Aufführungspraxis“ zu spielen sind). Die Arien bestechen durch ziselierte Gesangslinien, so als wollte der Komponist die feinen Gravuren im Brustharnisch des Germanico zum Klingen bringen. Oft hatte man als Zuhörer das Gefühl, die Stimmen müssten sich durch das zum Teil hohe Beschleunigungsvermögen dieser Musik gleichsam selbst überholen.

Es gibt ein Duett und ein Terzett und ein bemerkenswertes begleitetes Rezitativ am Beginn des zweiten Aktes, als Arminio nach verlorener Schlacht Selbstmord begehen möchte. Nur im zweiten Akt geht es kurz etwas ruhiger zu, dann versucht auch Porpora seine Figuren ein wenig mit seelischem Tiefgang zu unterfüttern – aber insgesamt und gemessen an den Opern Händels wirkt Porporas Musik etwas einförmig und schematisiert.

Die Aufführung im Theater an der Wien wurde mit Auf- und Abtritten, aber Noten und Notenpulten absolviert – war also mehr konzertant als „semikonzertant“ zu nennen. Im Gegensatz Uraufführung, bei der nach damaligem päpstlich-römischem Brauch nur Männer auf der Bühne agieren durften, war ein „gemischtes“ Ensemble angetreten. Es wäre allerdings reizvoll gewesen, auch als Arminio einen Countertenor zu hören. Die Rezitative wurden, so eine Anmerkung im Programmheft, stark gekürzt, die meisten Arien beibehalten.

Als Germanico bewegte sich Max Emanuel Cencic mit seinem Countertenor in bewährter hoher Qualität durch die mit Koloraturen gespickten Arien. Julia Lezhneva brillierte als Ersinda. Ihr außerordentlich beweglicher und filigrane Verzierungen und „Sechzehntelorgien“ perfekt exekutierender Sopran ist in den letzten zwei Jahren hörbar weiter gereift und hat beim Volumen zugelegt. Ihr rotes Kleid war der blumige Farbtupfen der Ensemble-Garderobe. Dilyara Idrisova, die schon bei ihren Debüt im Theater an der Wien vor wenigen Monaten aufhorchen hat lassen, war als Rosmonda den erstgenannten nahezu ebenbürtig, fädelte mit ihrem lyrischen Sopran perlende Koloraturketten, dass es ein Genuss war. Hasnaa Benanni zeigte sich mit ihrem etwas weicheren Sopran ebenfalls koloratubegeistert. Der Mezzo von Mary-Ellen Nesi konnte nach meinem Eindruck das hohe Niveau als Arminio nicht ganz mithalten. György Hanczar steuerte einen lyrischen Tenor bei, der ein wenig nach Rossini schielte, und auf mich insgesamt noch ausbaufähig wirkte.

Die Capella Cracoviensis brauchte die Ouvertüre, um zusammenzufinden, und folgte dann Porpora mit barockem „Flow“, der sich auf Sänger und Publikum übertrug. Fazit: Eine gelungene Aufführung.