LES CONTES D'HOFFMANN
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Staatsoper
15. September 2019

Musikalische Leitung: Frédéric Chaslin

Olympia - Olga Peretyatko
Antonia - Olga Peretyatko
Giulietta - Olga Peretyatko
Stella - Olga Peretyatko
Niklaus -
Gaelle Arquez
Hoffmann - Dmitry Korchak
Spalanzani - Igor Onishchenko
Nathanael - Lukhanyo Moyake
Crespel - Dan Paul Dumitrescu
Andreas, Cochenille, Franz, Pitichinaccio - Michael Laurenz
Lindorf, Coppelius, Mirakel, Dapertutto - Luca Pisaroni
Hermann - Samuel Hasselhorn
Schlémil - Clemens Unterreiner
Luther - Alexandru Moisiuc
Stimme der Mutter - Zoryana Kushpler


„Les Contes d'Hoffman: Letzte Vorstellung der laufenden Serie“
(Dominik Troger)

Gleich zu Saisonbeginn hat die Wiener Staatsoper vier Vorstellungen von „Les Contes d’Hoffmann“ angesetzt. Offenbachs Oper rund um den exzentrischen Romantiker und Mozartverehrer E.T.A Hoffmann ist im Haus am Ring zuletzt vor fünf Jahren gespielt worden.

Die Produktion von Andrei Serban in der Ausstattung von Richard Hudson stammt aus dem Jahr 1993 und erlebte an diesem Abend laut Programmzettel ihre 92. Aufführung. Es handelt sich um eine Inszenierung, die auch beim Stammpublikum auf weitgehend widerspruchslose Zustimmung stößt. Serban und sein Ausstatter haben die schräge Welt von Hoffmanns phantastischen Erzählungen mit manch verzerrter Optik recht gut eingefangen. In diesem Ambiente tummeln sich je nach Szene trinkfreudige Studenten, futuristische Wissenschaftler oder venezianische Kurtisanen – und Hoffmann wird nach bestandenen Liebesabenteuern im Schlussbild noch in geniehafter Verklärung durch die Muse gehuldigt.

Seit dem Jahr 1993 gab es zwei (!) „Hoffmann“-Inszenierungen an der Volksoper und zwei (!!) im Theater an der Wien. Einzig die Volksopernproduktion aus dem Jahr 2016, gefertigt von Renaud Dudet und André Barbe, hat szenisch überzeugt. Die Volksoper führt die Oper allerdings in deutscher Sprache auf (mit ein paar französisch gesungenen „Nummern“). An der Staatsoper wird „Hoffmann“ mit zwei Pausen gespielt. Der Abend nimmt dann schon fast „Wagner’sche Dimensionen“ an: von 17.30 bis 21.15h währte der Ausflug ins Hoffmann’sche Panoptikum. Aber immerhin bescherte das spätsommerliche Wetter den Besuchern zwei angenehm temperierte Pausen auf der Opernterrasse, die bei angeregtem Gespräch schnell verflogen.

Musikalisch ließ der Abend einige Wünsche offen, brachte aber auch einige spannende neue Erkenntnisse. Die Aufführungsserie war fast durchwegs neu besetzt, noch dazu war ihr der ursprünglich vorgesehene Hoffmann abhanden gekommen: Dmitry Korchak übernahm die Partie von Josep Kang, dem Staatsopern-Hoffmann in der letzten Aufführungsserie im Jahr 2014. Mit Korchak hat das Wiener Opernpublikum in der Vergangenheit Partien wie Lensky, Nemorino, Ernesto, Don Ramiro verbunden, auch den Werther hat er bereits an der Staatsoper gesungen. Dass er nun als Hoffmann in den „Ring“ steigt, kam doch überraschend. Laut Operabase hat er die Rolle aber bereits 2018 in Tokyo gesungen.

Doch Korchaks kompakter, leicht metallisch gefärbter lyrischer Tenor war der Partie gewachsen. Nach einem noch etwas angestrengt klingenden „Klein-Zack”, bei dem Korchak das „zackige“ prägnant, die romantische Attitüde aber noch etwas schmelzarm geriet, klang die Stimme bereits nach der ersten Pause etwas breiter, um im Venedigbild mit goldenem Schimmer und kraftvoller Emotion aufzuwarten. Beim Spiel fehlte ein wenig die hintergründige Psychologisierung, sein Hoffmann pendelte aber nicht unpassend zwischen alkoholbefeuerter Aggression und sich verzehrendem Liebesschmerz.

Olga Peretyatko präsentierte sich wagemutig als Olympia, Antonia und Giulietta – und stimmlich saß sie damit eigentlich „zwischen den Stühlen“. Vor einigen Jahren noch hätte Peretyatko vor allem als Olympia reüssiert, aber die Stimme hat sich verändert, hat an virtuoser Leichtigkeit eingebüßt und der kristalline Glanz ihrer Koloraturen hat sich abgeschwächt. Im aktuellen Prolog (Nr. 231), der Publikumszeitschrift der Wiener Staatsoper, spricht Peretyatko in einem Interview selbst davon, dass sie Rollen wie die Lucia hinter sich lassen werde: Ihre Stimme sei „größer“ geworden, habe „mehr Fleisch“. Sie erwähnt auch, dass Offenbach die Olympia ursprünglich eine Terz tiefer notiert habe, dass die Partien von Olympia, Antonia und Giulietta stimmlich „gar nicht so weit“ auseinanderlägen.

Passender Weise ließ sie dem singenden Automaten eine „menschlichere Seele“ angedeihen, porträtierte die Rolle mehr mit dem „Herzen“ und weniger durch die „künstliche“ Virtuosität des Gesanges. Ihre Olympia, melancholisch liebend, war eine Art „Vorstufe“ zur Antonia, der Peretyatko kindliche Unschuld verlieh, und die ihr zu einem rührenden, gesanglich etwas fragilen Porträt geriet. In der Wandlung zur Giulietta blieb diese zartanklingende Saite erhalten, ohne das erotische Spiel der Kurtisane mit „saftig-frivoleren“ Klängen anzureichern. Zweifelsohne hat Peretyatko die Partien sehr gut an ihre derzeitigen stimmlichen Ressourcen angepasst. Bezogen auf die Dimensionen der Wiener Staatsoper hatte ich allerdings nicht den Eindruck, dass die Stimme „größer“ geworden ist, in den Ensembles drang sie nur schlecht durch.

Luca Pisaroni manövrierte seinen hellen Bassbariton etwas grob durch den Abend, ohne sich dabei als Bösewicht zu profilieren: eine undurchschnittliche Darbietung dieses Sängers. Gaelle Arquez steuerte ihren leicht dunkel gefärbten, klangvollen Mezzo als Muse und Nicklausse bei und zählte zu den positiven Eindrücken dieser Vorstellung.

Michael Laurenz ließ als Frantz aufhorchen und servierte dessen „Stimmübungen“ mit Stimme (!) und Humor. Er würde an diesem Abend den Preis des besten Nebenrollendarstellers davongetragen haben, so er verliehen worden wäre. Weitere positiven Eindrücke aus dem Ensemble betreffen zum Beispiel Dan Paul Dumiterscu als Crespel. Das Orchester unter Frédéric Chaslin servierte Offenbachs Musik zu grobschlächtig und undifferenziert. Der Schlussapplaus dauerte rund sechs Minuten lang.