HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN
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Theater an der Wien
Premiere
19.3.2012

Musikalische Leitung: Riccardo Frizza

Inszenierung: William Friedkin
Bühne/Video-Design: Michael Curry
Kostüme: Herbert Murauer
Licht: Mark Jonathan


Wiener Symphoniker
Arnold Schoenberg Chor (Ltg. Erwin Ortner)

Hoffmann - Kurt Streit
Olympia - Mari Eriksmoen
Antonia - Juanita Lascarro
Giulietta - Angel Blue
Stella - Magdalena Anna Hofmann
La Muse/Nicklausse - Roxana Constantinescu
Lindorf /Coppélius/Le docteur Miracle/
Le capitaine Dapertutto - Aris Argiris
Andrés/Cochenille/Frantz/
Pitichinaccio - Andreas Conrad
Spalanzani - Oliver Ringelhahn
Schlémil/Hermann - Martijn Cornet
Luther/Crespel - Pavel Kudinov
La voix de la tombe - Ann-Beth Solvang
Nathanael - Julien Behr
Wilhelm - Maciej Idziorek


„Kein Exorzist für Hoffmann“
(Dominik Troger)

Das phantastische, durch Jaques Offenbach in Opernform gegossene „Feuer“ von E.T.A. Hoffmanns Werken brannte bei der Premiere im Theater an der Wien auf nur sehr kleiner Flamme. Und wo das Flämmchen durch die Szene ein wenig angefacht wurde, hinderte es die mäßige musikalische Aufführung am Auflodern.

Nun muss man es erst einmal schaffen, einen Mann wie William Friedkin für eine Opernproduktion nach Wien zu holen. Und ein Regisseur, der dem Kino mit „The Exorcist“ einen Horrorschub verpasst hat, wird auch mit dem Horror in Hoffmanns Geistergeschichten zurecht kommen. Vielleicht war das die Gleichung, die der Intendant des Theaters an der Wien, Roland Geyer, aufgestellt hat. Aufgegangen ist sie nicht – und doch hat Friedkin phasenweise eine belebte Arbeit abgeliefert.

Aber überall dort, wo es amüsant und „unseriös“" hätte werden können, hat sich der Regisseur zu starke Zügel anlegt. Da verwest unter der Decke von Antonias feinsäuberlich gemachtem Bettchen ihre tote Mutter und wird aktschlüssig von ihrer Tochter enthüllt. Aber der Effekt verpuffte wie ein Feuerwerkskörper. Oder: Was hätte man aus dem geschmacklos-grotesken Gruppensex im Venedigbild nicht noch an v(z)erstörerischer Energie herausholen können? Immerhin war der Kampf mit den langen Ruderstangen zwischen Hoffmann und Schlemil gute „Action“.

Das Grundkonzept von William Friedkin war schnell durchschaut: Lindorf, Coppelius, Dr. Miracle, Dapertutto repräsentieren die zerstörerische Seite von Hoffmanns Seele. Nach langem Ringen findet Hoffmann im Finale dann zum Schreiben und löst auf diese Weise den inneren Konflikt. Die Liebe Hoffmanns zu Stella bildet den großen Rahmen für diese Geschichte: Am Beginn klatscht Hoffmann der Sängerin Stella aus einer Loge des Theaters an der Wien Beifall – und Stella ist Donna Anna. Vor dem Schlussbild wird diese Theatersituation in ähnlicher Form wiederholt. Bekanntlich hatte E.T.A. Hoffmann zur Mozart’schen Donna Anna eine ganz besondere Beziehung. Seine Erzählung „Don Juan – Eine fabelhafte Begebenheit, die sich mit einem reisenden Enthusiasten zugetragen“ kündet davon. Insofern passte es auch, dass Friedkin vor dem ersten Akt die textlich variierte Spiegelarie folgen ließ, sozusagen als einführenden Prolog.

Der Abend entwickelte sich bis zur Pause durchaus amüsant. Die in moderes Oufit gekleideten Studenten, ein Marionettenspieler mit Kleinzack-Puppe, eine bestens choreographierte Olympia und kleinere Gags absurden britisch-amerikanischen Humors hielten einen bei Laune. Nach der Pause wurde die Aufmerksamkeit nur mehr punktuell gefördert, Langeweile stellte sich ein. Den Antoniaakt belebte Frantzens skurril-böser „Krückentanz“ – und die bereits geschilderte Schlusspointe. Über Friedkins Venedig ließe sich auch nicht viel mehr berichten, als schon erwähnt wurde.

Einige gute (Video-)Ideen des Bühnenbildners Michael Curry blieben in Summe zu „brav“ und unauffällig (etwa die Projektionen zum Kartenspiel im Venedigbild). Die Einheitsbühne wurde von zwei nicht sehr hohen, tribünenartigen Aufbauten bestimmt. Im ersten Akt sah man eine mit Lampen geschmückte „Festwiese“, im zweiten stand auf den an der Spitze zusammenlaufenden Tribünen eine große Olympiapuppe, im dritten wurde ein altdeutsches Zimmer durch Projektionen vorgegaukelt, auch Venedigs Gondeln zogen „virtuell“ im Hintergrund vorüber (nur die eine, mit der Giulietta „ankam“, war „echt“).

Die musikalische Seite des Abends enttäuschte. Kurt Streit war, wie mir erzählt wurde, schon während der Proben stimmlich angeschlagen gewesen. Er brachte den Abend aber achtbar, wenn auch mit deutlichen Höhenproblemen, über die Runden. Streits lyrisch-heller und eher „trocken“ timbrierter Tenor scheint für den Hoffmann aber kaum ideal. Wenn das Engagement als bewusstes Überschreiten von Fachgrenzen gedacht war, dann hat es sich nicht bewährt.

Rund um Streit gruppierte sich meist sängerisches Mittelmaß. Wenn sich das Theater an der Wien ins romantische „Kernrepertoire“ vorwagen sollte, dann wird es auch an den ganz großen Häusern gemessen werden. Selbst die vom Publikum noch relativ stark beklatschte Mari Eriksmoen als Olympia könnte bei einem solchen Vergleich nur schwer bestehen. Gespielt hat sie die Puppe großartig und an diesem Abend zählte sie zu den wenigen positiven Eindrücken.

Aris Agiris sang die Bösewichte – am Beginn offenbar noch etwas nervös, später ausdrucksstärker und mit gutem Spiel, aber mit für diese Partie wohl auch viel zu unraffiniertem, „trockenem“ Timbre. Juanita Lascarro klang als Antonia stimmlich schon stärker gestresst, obwohl sehr hübsch anzusehen. Angel Blue belebte als aparte Gulietta das Venedigbild, so apart wie ihr Aussehen kam ihr Sopran nicht zur Geltung. Zu grell kam Oliver Ringelhahns Spalanzani über die Rampe. Andreas Conrad war ein Vertreter des angedeuteten „britisch-amerikanischen“ Humors, ziemlich „schräg“ im Spiel, und mit einer Charakterstimme, die den Frantz Richtung Persiflage verschob. Roxana Constantinescu (Muse/Niklaus) kannte man bereits als solide Sängerin von der Staatsoper. Sie war passend burschikos unterwegs und hatte vielleicht auch ein bisschen mehr „Romantik“ in der Stimme als viele andere Mitwirkende.

Das Orchester spielte undifferenziert und laut. Möglicherweise hat Dirigent Riccardo Fricca mehr auf die – nicht zu leugnende – gassenhauerische Wirkung des Werkes vertraut. Diese Rechnung ist durch die grobschlächtige Umsetzung aber nicht aufgegangen. Das Publikum reagierte nach dreieinhalb (zu langen) Stunden mit höflichem Applaus. Es gab auch Bravorufe und zumindest eine verhaltene Missfallensäußerung gegen die Regie. Der gewohnte „Theater-an-der-Wien-Schlussjubel“ brach aber erst gar nicht los.