HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN
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Wiener Volksoper
Premiere

15.12.2007

Musikalische Leitung: Leopold Hager

Regie, Bühne, Kostüme: Peer Boysen

Olympia - Daniela Fally
Antonia - Kristiane Kaiser
Giulietta - Adrineh Simonian
Niklaus -
Eva Maria Riedl
Hoffmann - Sergej Khomov
Nathanael, Spalanzani - Wolfgang Gratschmaier
Luther, Crespel - Einar Th. Gudmundsson
Andreas, Cochenille, Franz, Pitichinaccio -
Karl-Michael Ebner
Lindorf, Coppelius, Mirakel, Dapertutto -
Jochen Schmeckenbecher
Hermann, Schlemihl - Daniel Schmutzhard
Stimme der Mutter - Jelena Bodrazic


„Hoffmann träumt!“
(Dominik Troger)

„Hoffmanns Erzählungen“ neu an der Volksoper: viel szenisches Missvergnügen, wenige musikalische Highlights. Der Regisseur musste am Schluss viele Buhrufe einstecken, der Applaus für den Hausdebütanten in der Titelpartie hielt sich in Grenzen.

Was kann / soll / darf man sich von „Hoffmanns Erzählungen“ an der Volksoper erwarten? An der Staatsoper gibt es eine ausgezeichnete Inszenierung, ein besseres Orchester und eine Option auf Weltstars. An der Volksoper besteht die Möglichkeit, das Werk in deutscher Sprache aufzuführen – und das alleine wäre eigentlich schon ein guter Ausgangspunkt gewesen. Wenn man das „Operettenhafte“ herausstreicht, müsste sich eine melodramatische Genreverschmelzung realisieren lassen – ganz ohne Angst vor Venedigkitsch und „schönen Frauen“: Dann mischte sich Herzschmerz mit ein bisschen Barkarole-Schunkeln und alle würden glücklich nach Hause gehen. Freilich, wer „seriöse“ künstlerische Ansprüche umsetzen möchte, könnte meinen, er mache sich mit einem solchen Konzept zum „Sklaven des Publikums“??!!

Peer Boysen schien es jedenfalls wichtig gewesen zu sein, dass man als Zuschauer jede Minute realisiert: HOFFMANN TRÄUMT! Im Vorspiel – wenn Hoffmann zur Decke starrend auf einem kargen Stahlrohrbett liegt – macht das noch Sinn, spätestens im Olympiaakt, wenn Hoffmann minutenlang mit weit aufgerissenen Augen ins Publikum starrt, während der Musikautomat hinter (!) ihm seine Koloraturen „gurgelt“, wird es fragwürdig. Wenn man die tragende Hauptfigur eines Stückes dermaßen „kalt“ stellt und aus dem eigentlichen Geschehen herausnimmt, was bleibt dann noch übrig?

Und die „To-Do-Liste“ von Hoffmann wird den ganzen Abend kaum länger: mal hier und mal dorthin starren, kurzer Stellungswechsel, unter das Bett kriechen oder einen Sessel entern am Bühnenrand. (Keine Frage, dass das Bett durchgehend auf der Bühne steht, mal von diesen, mal von jenen Protagonisten bevölkert und im Venedigbild wirkte es wie eine metaphore Gondel von submarinen Müllhalden aufgelesen ... aber das ist schon zuviel interpretiert.) So richtig dynamisch wird Hoffmann erst im dritten Akt. Plötzlich beginnt er mit seltsamen Armbewegungen, schlenkert hin und her, versucht sich eine Jacke überzustreifen, setzt einen Hut auf und verschwindet von der Bühne. Die Niklaus-Muse ruft ihm „Hoffmann! Hoffmann!“ nach und bekennt hysterisch ihre Liebe. Zum Glück fällt dann der Vorhang und macht diesem inferioren Schluss ein rasches Ende.

Neben dem Bett sind Schminktischchen mit Spiegeln und Glühbirnenbeleuchtung ein weiteres abendfüllendes Ingredienz. Die beiden Zwergenmenschen, Mann und Frau, haben offenbar mit diesem Varieté-Ambiente zu tun. Sie befinden sich auch immer auf der Bühne (wie die Muse und Stella), warum weiß niemand. Der Mann hält im Venedigbild eine lange Angel und ködert im fiktiven Bühnenmeer, auf dem die „Bettgondel“ „schwimmt“. Um doch ein wenig Leben in diese Szenerie zu bringen, gibt es eine „Bühne in der Bühne“, die mit den Akten wechselnde Schauplätze zeigt: Olympia als Torso oder ein großes Antonia-Bett oder eine Treppe für Giulietta. Die Kostüme versuchen den Alb zu mehren: Olympia ist eine erschreckend groteske Missgestalt, Antonia hat lange, schwarze Plastikhaare usw. Knallgelb ist eine bestimmender Farbe (Stella), die Muse trägt ein dunkleres Blau. Hoffmann trägt eine organgerote 70er-Jahr Glockenhose und ein schwarzes Hemd. Das Albtraum-Konzept bedingt offenbar auch, dass man die Handlung kaum wiedererkennen soll. Das Venedigbild endet sowieso im Chaos, aber schon die Studenten in Luthers Weinkeller sind als Chor mit seltsam verfremdenden Masken getarnt. Ein Hang zum absurden Theater ist nicht zu leugnen, genauso wenig wie die Erkenntnis, dass diese Inszenierung sukzessive ihre eigene Glaubwürdigkeit untergräbt.

Bei diesen schwierigen Grundbedingungen wird man dem Hoffmann, Hausdebütanten Sergej Khomov, schwer gerecht werden können. Spielerische Akzente waren ihm untersagt. Stimmliche konnte er kaum setzen. Zwar gewann er Kleinzack noch ein paar „Charakter“-Konturen ab, doch für die Liebesszenen war sein trocken-schmelzloses Timbre schon weit weniger geeignet. Vielleicht war es auch schwierig für ihn, die Partie auf Deutsch zu singen – jedenfalls war das Resultat von einer enttäuschenden Farblosigkeit.

Mehr Gewicht hatte sein Gegenspieler: Jochen Schmeckenbecher war als Bösewicht dämonisch präsent, mit markanter Stimme. Daniela Fally hatte sich für ihre Olympia maßgefertigte Musikautomaten-Koloraturen zurecht gelegt. Die Stimme wirkte an diesem Abend aber etwas dünn und nicht so souverän wie schon gehört. Sie erschien auch nicht zum Schlussvorhang und soll – wie inzwischen bekannt wurde – gesundheitlich angeschlagen gewesen sein. Kristiane Kaiser legte sich als Antonia so recht ins Zeug und präsentierte neben Schmeckenbecher die „rundeste“ Sängerleistung des Abends. Adrineh Simonian sorgte als Giulietta für eine gewisse erotische Begehrlichkeit, ohne auf mich wirklich „bezwingend“ zu wirken. Karl-Michael Ebner stellte manche Pointe gut heraus, Eva Maria Riedl, die Niklaus-Muse, sang sich unspektakulär durch die Partie. Die übrigen Mitwirkenden boten eine gute Ensembleleistung.

Das Orchester unter Leopold Hager ließ das Raffinement der Offenbach’schen Partitur vermissen, aber manches war ganz zündend und im Gesamteindruck war es für die Volksoper wohl die richtige Mischung – die leider in Anbetracht der obskuren Inszenierung in ihrer Wirkung rückstandslos verpuffte.

Der Schlussapplaus deckte den Regisseur mit Buhrufen ein (dazu ein paar Bravo-Rufe als gerechtigkeitheischender „Kontrapunkt“). Den meisten Applaus gab es für Kaiser, Schmeckenbecher, aber auch Simonian. Bei Khomov brach er deutlich ein.

Die Aufführung folgt der Choudens-Ausgabe von 1907, ergänzt durch Passagen aus der Oeser-Fassung von 1979. (Quelle: Abendprogramm)