BORIS GODUNOW
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Volksoper
29.1.2022
Konzertante Aufführung in deutscher Sprache


Dirigent: Jac van Steen

Boris Godunow - Albert Pesendorfer
Fjodor - Ghazal Kazemi
Xenia - Elisabeth Schwarz
Amme - Annely Peebo
Schuiski - Carsten Süss
Schtschelkalow - Morten Frank Larsen
Pimen - Yasushi Hirano
Grigori Otrepjew (Dimitiri) - Vincent Schirrmacher
Warlaam - Marco Di Sapia
Missail - Christian Drescher

Schenkenwirtin - Martina Mikelic
Polizeioffizier - Daniel Ohlenschläger
Leibbojar - Thomas Sigwald
Bojaren - Morten Frank Larsen, Daniel Ohlenschläger,
Thomas Ohlenschläger, Carsten Süss


„Boris Godunow konzertant“
(Dominik Troger)

„Boris Godunow“ ist nach über zwanzig Jahren wieder an die Volksoper zurückgekehrt – und zwar in einer konzertanten Fassung. Die geplante szenische Produktion wurde wegen COVID abgesagt.

COVID machte dem Volksopern-Debüt von Peter Konwitschny einen Strich durch die Rechnung. Die Übernahme seiner Produktion aus Nürnberg bzw. Lübeck wurde abgesagt. Was davon übrig geblieben ist, sind drei konzertante Aufführungen. Gespielt wird eine gekürzte, für die Volksoper eingerichtete Version der Urfassung von 1869 ohne die Szene vor der Kathedrale mit dem Gottesnarren. Die Aufführungsdauer betrug pausenlos rund eine Stunde und 45 Minuten. Beim Aufführungsmaterial hat man auf die von Michael Rot revidierte Neuausgabe zurückgegriffen.

Zur Bewertung dieser Urfassung gibt es unterschiedliche Meinungen, musikalisch ist sie spröder, und sie gleicht mehr einer fragmentarischen Szenenfolge und weniger einer großen Oper. Wie der musikalische Leiter der Aufführung Jac van Steen im Programmheft ausführt, waren für die Volksopern-Produktion außerdem Kürzungen notwendig geworden, weil man wegen der COVID-Sicherheitsmaßnahmen eine Fassung ohne Kinderchor erstellen musste. Gesungen wird in einer neuen, umgangsprachlicheren, deutschen Übersetzung, die für Lübeck auf Konwitschnys Inszenierung maßgeschneidert wurde.

Was dem Volksopernpublikum durch COVID szenisch erspart geblieben ist, lässt sich anhand von Aufführungsberichten und Youtube-Filmchen aus Nürnberg bzw. Lübeck leicht recherchieren: „Boris Godunow“ als Kasperltheater sowie eine Hüpfburg in Form eines Einkaufswagens, der im Finale „origineller Weise“ die Luft ausgeht. Solcher Regieeinfälle glücklicherweise enthoben, konnte man die konzertante Aufführung ungestört genießen. Das Ensemble trat in Abendgarderobe an und stellte sich, in seiner emotionalen Anteilnahme durch szenische Firlefanzen unbeeinflusst, seriös in den Dienst des Werkes.

Der Volksoper gelang bei der zweiten (von drei) Vorstellungen eine überraschend dichte Aufführung. Der Boris von Albert Pesendorfer erfreute mit schönem Gesang. Die düsteren Seiten der Figur kamen weniger heraus, dazu hätte sein Bass mächtiger sein müssen, düsterer, um den Herrschaftsanspruch und die Tragik der Figur sowie ihren Wahn deutlicher zu unterstreichen. Aber es ist zu berücksichtigen, dass durch die deutsche Übersetzung einiges an Pathos und „Authentizität“ verloren ging. Das schlug sich auch in der Sterbeszene nieder.

Neben Pesendorfer war der Pimen von Yasushi Hirano mit wohltönendem, lyrischem Bass dem Abend eine ganz wichtige Stütze. Die Szene im Kloster zusammen mit dem Dimitri von Vincent Schirrmacher entwickelte sich trotz des konzertanten Settings zu einem spannenden Ausflug in die russische Geschichte – und allein wegen Schirrmacher hätte es sich schon gelohnt, den Polenakt zu spielen. Dort hätte er seinen Tenor so richtig „auspacken“ können.

Dem Schuiskij von Carsten Süss gelang es in diesem konzertanten Rahmen, verschlagen und mit unterschwelliger Gefährlichkeit Boris überzeugend gegenüberzutreten. Marco Di Scapia belebte die Schenkenszene – und damit sind – einschließlich des Chores und des sehr gut einstudierten Orchesters unter Jac van Steen die Höhepunkte der Aufführung schon genannt. Elisabeth Schwarz war ein passender Fjodor. Die stimmlich gegenüber den genannten Herren etwas abfallende Damenriege hatte wegen der Kürze ihrer Partien kaum Gelegenheit, um zu glänzen. Gemessen am schlecht besuchten Haus gab es viel Beifall und sogar einige Bravorufe. (Das Parterre war noch einigermaßen gefüllt, der Balkon sehr schlecht besucht, die Galerie nahezu leer.) Die dritte und letzte Vorstellung ist für den 5. Februar angesetzt.

PS: Der Zutritt zur Volksoper gleicht nach wie vor einem Hochsicherheitstrakt. Die Zugänge erstrecken sich beinahe um das halbe Haus. Auf den Karten ist der jeweils vorgesehene, mit einem Großbuchstaben markierte Zugang aufgedruckt – und nur dort ist der Eingang erlaubt. Andernorts hat man solche Maßnahmen, die meines Wissens nach dem ersten Lockdown eingeführt wurden, längst aufgegeben. Aber in den kommenden Wochen sollten Kultureinrichtungen ohnehin von Lockerungen beim COVID-Management profitieren, die jüngst regierungsseitig beschlossen wurden, um wieder einen spontanen Kulturbesuch ohne Testen möglich zu machen.