COSI FAN TUTTE 1840

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Allgemeine Theaterzeitung 2. November 1840
Wien K.K. Hoftheater nächst dem Kärtnerthore

Den Verehrern der älteren deutschen Opernmusik, und es gibt deren doch wol noch Einige in unserem musikalischen Wien, ist vorgestern, den 31. October, durch die Aufführung der seit mehr, als zwanzig Jahren, hier nicht gegebenen komischen Oper: "Cosi fan tutte", von Mozart, ein wahres Fest bereitet worden. Es war eine von Mozarts letzten Opern, denn er schrieb sie 1790, ein Jahr vor seinem frühen Tode, und ihr folgten dann nur noch die "Zauberflöte" und "Titus".

Indessen gehört sie doch zu den weniger bekannten, und schon seit geraumer Zeit ist sie ganz von den Repertoires der deutschen Opernbühnen verschwunden. Interessant war es aber, diese einst so beliebte Oper nun wiederum zu hören, und hiedurch Gelegenheit zu bekommen, unseren Geschmack, unser Kunsturtheil daran zu prüfen. Die Administration dieses Theaters hat sich unstreitig durch diesen neuesten Versuch, eines der älteren classischen Opernwerke zur Darstellung zu bringen, die Achtung und den Dank aller Kunstfreunde erworben, und es bleibt nur zu wünschen übrig, daß sie sich durch den entschieden günstigen Erfolg dieses Abends aufgefordert finden möge, diesem einen Versuche rechte bald mehrere ähnliche folgen zu lassen.

Es wird gewiß nicht an Solchen fehlen, die da behaupten, diese Oper Mozarts sey hie und da schon veraltet, und passe nicht mehr für unsere Zeit. Vom Sujet will ich dises im gewissen Sinne wohl gelten lassen, nicht aber von der Musik, den, ist die Musik nicht schön, und kann das veralten, was schön ist? Uiber das Sujet macht man sich jetzt freilich lustig, und lächelt fast mitleidig über diese auch gar zu naiven Verwechslungen, Verkleidungen und Schwänke; allein vergessen wir doch nicht, mit welch andächtiger Auf-merksamkeit wir uns den Unsinn in unseren modernen Opern zu Gemüthe führen, der vom dramatischen Stand-punkte aus, uns gewiß zehn Mal alberner und lächerlicher erscheinen muß, als die Intrigue in dieser Mozartschen Oper.

Und zudem muß uns nicht eine solche Musik, eine Musik so voll echten Lebens und Humors, so voll Frohsinn und Grazie, eine Musik, die ein Füllhorn der reizendsten und lieblichsten Melodien über uns ausgießt, jede Nichtigkeit des Stoffes ganz und gar vergessen machen? Besinnen wir uns nur, wie gerne wir in den wenigen anderen komischen Opern, welche auf den deutschen Opernrepertoires jetzt noch heimisch sind, gerade die ordinärsten, trivialsten Motive durch unseren Beifall in Schutz nehmen, und sagen wir dann, ob wir in einer oder in dieser komischen Oper von Mozart, bei aller Lustigkeit, die drin bküht und lebt, bei allem Uibermuth, der drin sein Wesen treibt, auch nur Einer alltäglichen, trivialen Melodie begegnen? Mir, dem "Cosi fan tutte""bei dieser letzten Aufführung neu war, da ich nur Bruchstücke der Oper kannte, ist dieser Abend ein wahrhaftes Fest gewe-sen, und aus der günstigen, theilweise sogar enthusiastischen Aufnahme, welche diese Vorstellung fand, glaube ich schließen zu dürfen, daß auch unser Publikum deselben Sinnes war. Man folgte jeder Scene mit so viel Aufmerksamkeit und Interesse, wie nur bei irgend einer besonderen Veranlassung, und ließ es nicht an warmer Bewunde-rung fehlen für die zahllosen Schönheiten dieser Tondichtung. Im Reichthume der Melodien, in der natürlich-schönen Führung und harmonischen Zusammenstellung der Singstimmen, in der so lebevollen, und doch so wunderbar einfachen Orchesterbegleitung, in Allem gibt sich der Genius des Meisters kund, der im Komischen, wie im Tragischen die Opernmusik bis zu einer in seiner Zeit nicht gekannten Höhe mächtig emporhob, und auch von Keinem, der nach ihm kam, erreicht wurde.

Von der "Cosi fan tutte" gefiel besonders der erste Act außerordentlich. Fast jede Nummer wurde rauschend beklatscht, das Abschieds-Quintett der beiden Liebespare und des Doctors, und das Männer-Terztett verlangte man sogar zur Wiederholung. Die Mitwirkenden wurden nach einzelnen Scenen, und zwei Mal am Schlusse des Actes stürmisch gerufen. Ebenso auch nach dem zweiten Acte. Die Arie Lauras in diesem Acte, von Dem. Lutzer mit aller von einer so beliebten und trefflichen Sängerin nur zu erwartenden Meisterschaft gesungen, machte Furore, und darf als der Glanzpunct der ganzen Vorstellung angesehen werden. Dem. Lutzer war überhaupt an diesem Abende trefflich disponiert, und wirkte mit so viel Lust und Liebe, daß es ein wahres Vergnügen war, sie zu hören. Dieses liebliche und wohllautende Organ entwickelt sich gerade in einer Mozartschen Oper, worin die Stimme stets die gehörige Freiheit und das natürlichste Verhältnis zur Orchesterbegleitung eingeräumt ist, in seiner ganzen Schönheit, Kraft und Fülle. Vereiniget sich dann noch mit dem trefflichsten Gesangsvortrage ein leichtes und gefälliges Spiel, wie die Rolle es verlangt, so kann der Eindruck nur ein vollständiger seyn. Dem. Lutzer gefiel an diesem Abende so allgemein, als in irgend einer ihrer übrigen Glanzrollen.

Auch die anderen in dieser Oper beschäftigten Mitglieder unserer deutschen Oper, trugen redlich das Ihrige zu dem günstigsten Resultate bei. Dem. Karoline Mayer (Isabella), bei welcher man mit Vergnügen wahrnahm, daß sie auch im Spiele sich mit viel mehr Muth und Freiheit bewegte, als sonst, so wie Dem. Tuczek, in der Rolle der Soubrette, entsprachen jeder billigen Anforderung, und sangen beide recht hübsch. Die beiden Liebhaberrollen wurden durch Schunk und Weinkopf repränsentirt. Fernando ist eine von Schunks besten Partien, und wird nicht wneig dazu beitragen, diesen Sänger bei dem Publikum mehr in Gunst zu setzen. Er und Weinkopf, der nur auf eine reinere Ausprache freundlich aufmerksam zu machen wäre, wurden in ihren Gesangstücken häufig applaudiert, mußten, wie ich bereits oben erwähnte, Einiges wiederholen, und wurden öfters gerufen. Hr. Staudigel als Doctor, bewährte den tüchtigen Sänger. Dirigent war Hr. Capellmeister Umlauf. Das Theater war zahlreich besucht.
Heinrich Adami