DIE ZAUBERFLÖTE
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Staatsoper
22.12.2011

Dirigent: Sebastian Weigle

Sarastro - Andreas Hörl
Tamino - Norbert Ernst
Die Königin der Nacht - Albina Shagimuratova
Pamina, ihre Tochter - Chen Reiss
Erste, zweite dritte Dame der Königin - Ildokó Raimondi, Stephanie Houtzeel, Monika Bohinec
Papageno - Hans Peter Kammerer
Papagena - Ileana Tonca
Monostatos - Herwig Pecoraro
1. Geharnischter - Marian Talaba

2. Geharnischter - Il Hong
1. Priester - Peter Jelosits
Sprecher/2. Priester -Markus Eiche
3 Knaben - Wiener Sängerknaben


Funken versprühte nur die Königin der Nacht
(Dominik Troger)

Etwas Erholung vom vorweihnachtlichen Trubel bot eine Aufführung der „Zauberflöte“ an der Wiener Staatsoper. Stimmung kam beim Publikum aber nur phasenweise auf.

Die 116. Aufführung dieser Produktion aus dem Jahr 2000 war zugleich die letzte „Zauberflöten“-Aufführung der Staatsopernsaison 2011/12 – diese doch etwas überraschende Erkenntnis liefert ein Blick auf den Jahresspielplan. Die Inszenierung von Marco Arturo Marelli leidet nach wie vor unter dem unaufgelösten Spannungsverhältnis zwischen der humorvoll gezeichneten Papagenowelt und der weiß verfliesten Laborästhetik des Sarastro-Reiches. Der Versuch einer „Kritik der Vernunft“ endet dort, wo Mozarts Musik anhebt – und das Publikum spürt instinktiv, dass das nicht zusammenpasst.

Zumindest konnte man sich etwas amüsieren und/oder prophylaktisch an der aufklärerischen Moral des Werkes laben. In Zeiten, in denen viel von neuen krisenhaften Entwicklungen und „großem“ politischem Sparwillen die Rede ist, der dann oft auf die Bevölkerung „kleingemünzt“ wird, sind Tugenden wie „Standhaftigkeit“, „Duldsamkeit“ und – so jemand über ein dickeres Bankkonto verfügen sollte – „Verschwiegenheit“ gefragt. Bei Mozart dient das zwar einer „höheren Weisheit“, aber könnten sich solche Tugenden nicht auch im praktischen Leben als hilfreich erweisen?

Die Vorstellung zählte insgesamt nicht gerade zu den „funkensprühenden“ – auch wenn Marelli in seine Inszenierung ein paar pyrotechnische Effekte eingebaut hat, die immer gut ankommen. Das Publikum spendete nur zögerlichen Szenenapplaus. Das Eis brach erst mit der zweiten Arie der Königin der Nacht. Albina Shagimuratova durfte sich über einige Bravorufe freuen.

Sebastian Weigle am Pult dirigierte mit „Beethoven’schem“ Pathos. Die Ouvertüre und die Aktschlüsse entwickelten ein aufrüttelndes, humanitäres Strahlen. Weigle brachte auch die Passagen gut heraus, die im Kontext des Gesamtwerks immer besonders kontrastierend wirken, wie die Musik der Geharnischten. Weniger Gefühl entwickelte er für den humorvollen Ton der Singspielhandlung, der es an liebevoller, leichtfüßiger Aufbereitung fehlte.

Daran war der Papageno – Heinz Peter Kammerer – nicht ganz unschuldig. Kammerer gab den Papageno vielleicht gar zu sympathisch und weichgespült. Ein etwas kernigerer „Vorstadtcharakter“ würde der Figur ganz gut tun. Seine stimmlichen Ressourcen scheinen zudem begrenzt – und als Papageno steht er doch mehr im Rampenlicht als üblich. Im „Pa-Pa-Pa-Finale“ rutschte ihm die Hose hinunter – Gag oder einer kleiner Bühnenunfall? Die Lacher hatte er jedenfalls auf seiner Seite.

Weil gerade von „Bühnenunfällen“ die Rede war: Albina Shagimuratova musste, während sie „Oh, zittre nicht“ sang, um ihr silbernes Königinnenkrönchen bangen, das sich in bizarrer Weise selbständig machte und abzustürzen drohte. Kurz half eine der drei Damen aus und bewahrte das seitlich gekippte Krönchen davor, der Königin ins Gesicht zu rutschen und ihre Koloraturen zu stören, ehe sich Shagimuratova mit einer energischen Kopfbewegung des lästigen Gegenstandes entledigte, der in hohem Bogen davonflog.

Shagimuratova besitzt eine für die Zukunft sehr viel versprechende Stimme – und stellte die Königin der Nacht mit effektvoller Dramatik auf die Staatsopernbühne. Die zweite Arie gelang noch besser als die erste (da blieb das Krönchen aber fest am Platz) und sie heimste den stärksten Szenenapplaus des Abends ein. Ihr Sopran ist etwas breiter und dunkler gefärbt als von Sängerinnen dieses Faches gewöhnt und hat in der Höhe keine Probleme. Dadurch klingt ihr Gesang recht temperamentvoll. Sie hat schon vor einem Jahr an der Staatsoper die Königin der Nacht gegeben, inzwischen auch an der Scala. Die Sängerin stammt aus dem usbekischen Taschkent und hat 2007 ihr Studium am Moskauer Konservatorium abgeschlossen.

Die übrigen Mitwirkenden kamen an das Format von Shagimuratova leider nicht heran. Norbert Ernst meisterte den Tamino recht gut, aber sein Tenor platziert sich in Timbre und Ausdruck – um die „Entführung“ als Vergleich heranzuziehen – zwischen Pedrillo und Belmonte, wobei er mehr dem Pedrillo zuneigt. Einen Belmonte oder Tamino wünscht man sich doch nobler, fülliger, strahlender im Gesang. Bei Ernst schimmert der „Spieltenor“ zu deutlich durch – aber vielleicht ist das ein stimmlicher Entwicklungsprozess, dem man hier zuhören darf.

Chen Reiss verkörperte die Pamina mit Liebreiz, doch ihr Sopran ist etwas kühl timbriert, ihr körperliches und gesangliches Erscheinungsbild vielleicht zu mädchenhaft und zu wenig sinnlich. Andreas Hörl gab in dieser „Zauberflöten“-Serie als Sarastro sein Staatsopern-Debüt – und diese Partie war keine glückliche Wahl. Der Sänger wirkte auf der Bühne deplatziert, und sein Bass klang seltsam kahl und fand erst in der Tiefe etwas sonore Resonanz.

Frischen Schwung brachte Ileana Tonca als Papagena in die Aufführung, aber das ist nicht gerade eine „tragende“ Rolle. Herwig Pecoraro war ein verlässlich-markanter Monostatos. Positiv soll der engagierte Sprecher von Markus Eiche herausgehoben werden, stimmlich zu „auffällig“ reüssierten die Geharnischten, und die drei Damen waren ein bisserl „outrierend“ unterwegs.

Das Schlussapplaus hielt sich in Grenzen.

PS: Es gab übrigens noch ein weiteres „Hoppala“: Im zweiten Akt „fraß“ der große Würfel, der als „Prüfungszentrum“ fungiert, beim Emportauchen aus der Versenkung Stoffbahnen, die sich zwischen ihn und der Bühne einklemmten. Die Rettungsversuche der Priester, die den Stoff mit viel Kraftanstrengung herauszerrten, erweckten einige Heiterkeit im Publikum.