DIE ZAUBERFLÖTE
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Theater an der Wien
Premiere
13.5.2006

Dirigent: Daniel Harding

Inszenierung, Bühne, Licht: Krystian Lupa
Kostüme: Piotr Skiba

Mahler Chamber Orchestra
Arnold Schönberg Chor

Produktion Wiener Festwochen mit Festival d´Aix-en-Provence

Sarastro - Günther Groissböck
Tamino - Pavol Breslik
Die Königin der Nacht - Lubica Vargicová
Pamina, ihre Tochter - Helena Juntunen
Erste, zweite dritte Dame der Königin - Sabina Cvilak, Barbara Heising, Julia Oesch
Papageno - Adrian Eröd
Papagena - Malin Christensson / Ein altes Weib - Margit Gara
Monostatos - Loic Felix
1. Geharnischter - Roman Sadnik

2. Geharnischter - Tilj Faveyts
Sprecher / 2. Priester -Olaf Bär
1. Priester - Andreas Conrad


Märchenhaft und doch modern?
(Dominik Troger)

Noch eine „Zauberflöte“? Nach Staatsoper und Volksoper hat das Theater an der Wien die meistgespielte Oper in den Spielplan aufgenommen. Die Produktion der Wiener Festwochen in Kooperation mit dem Festival von Aix-en-Provence bietet viele interessante Ansätze, die sich nur bedingt zu einem Ganzen fügen.

Im Theater an der Wien präsentierte der polnische Regisseur Krystian Lupa seine Sichtweise – in seiner ersten Opernregie. Lupa hält sich einerseits bis in Details an das Libretto und erfreut sich an den Dialogen, die er gewählt und mit betonter Ruhe sprechen lässt, die große Geste des Erzählens beschwörend. Andererseits arbeitet er mit überraschenden und teils bedrohlich modernen Bildern.

Tamino darf ein gemaltes Portrait besingen, das in den Gesichtszügen Pamina gleicht, Sarastro erscheint als altertümlich-angezogener Tempelpriester, die drei Knaben schweben von der Decke, als Sterne kostümiert. Lupa erfreut sich in fast naiver Weise an den glockenspielbesänftigten Tieren, Frauen und Männer mit blanken Brüsten und phantasievollen Masken sowie an einem federbekleideten Papageno. Dem steht der alptraumhafte Beginn gegenüber, eine abstrahierte Schlange, die Projektion einer Gesichtsfratze, ein Mann, der an ein Seil gebunden, Tamino zu verfolgen sucht – oder eine besucherdurchwühlte Bahnhofshalle, bevor Tamino und Papageno ins Sarastro-Land reisen. Projektionen von Fischen und ein Löwe beirren und bedrohen die beiden im Prüfungstempel. Am Schluss gibt es ein völkerverbindendes Happy-end, nachdem Pamina und Tamino die Wasser- und die Feuerprobe bestanden haben, sehr symbolisch und unspektakulär als Menschenreigen aufgelöst. Sarastro reicht der Königin der Nacht die Hand. (Das ist kein neuer Gedanke, scheint aber eine Lesart, die sehr gut in unsere heutige Zeit passt.)

Die oft liebevollen Details der Kostüme oder einzelner Requisiten haben in der leergeräumten Bühne keine Entsprechung, die als abstrakter Raum die eigentliche Bedrohung darstellt. Tamino torkelt, von der Schlange gejagt, in diese neue, andere Bühnenwelt. Desorientiert benötigt er Minuten, um sich einigermaßen am Spiel der drei Damen und Papagenos zu beteiligen. Erst das Bildnis weckt in ihm erneut die Lebensgeister. Dieser psychoanalytische (?) Beginn (etwa vergleichbar mit der alten Volksoperninszenierung von Robert Carsen) wird nicht wirklich fortgeführt, Märchen und Gegenwart überlagern sich, beeinflussen sich wie Schwingungen von Wellen. Das Schlussbild vermittelt zwar Glanz und Versöhnung, aber wie ist der Tamino der ersten Szene dorthin gelangt und gereift? Rätselhaft bleibt auch die Szene zu Beginn des zweiten Aktes, wenn Sarastro und die Priester über Taminos Schicksal beraten – und im Priesteraltar je eine Tamino und Pamina vorstellende, lebensgroße Puppe sichtbar werden. (Eigentlich ist das ein atemberaubender Einfall: Mumien, Menschenopfer oder Symbol für eine mögliche Wiedergeburt nach Bestehen der Prüfungen?)

Lupa selbst hat in einem Interview im Programmheft den Papageno zur zentralen Figur des Werkes auserkoren – unverdorben von der Zivilisation widersteht er auch deren Weisheitslehren und wahrt dadurch seine Unschuld. Das ist möglicherweise eine konkrete Aussage, auf die der Regisseur hinauswollte, als Gegensatz zu Tamino und all dem geheimnisvollem Prüfungsklimbim. Papageno wäre dann der eigentlich „Kluge“...?! In Summe ergab das gute Ideen, hübsche Kostüme und interessante optische Effekte (das Räderwerk, das außen unter der Bühnenverkleidung sichtbar wurde gehört auch dazu) sowie eine Produktion, die man mit Neugierde auf die nächste Szene verfolgte, ohne am Schluss von dem Gesehenen wirklich gesättigt zu sein. Für meinen Geschmack hat die Richtung gestimmt, um diese „Zauberflöte“ deutlich von den Produktionen an Staats- und Volksoper abzugrenzen, aber Lupa ist am Ziel irgendwie vorbeigefahren.

Der musikalische Teil war solide, aber nicht überragend. Eine Wiener Festwochenproduktion hätte sich in diesem Punkt mehr verausgaben können. Der Abend begann mit einer Umbesetzung und zwei Ansagen: statt Christoph Strehl war wegen Erkrankung Pavol Breslik als Tamino eingesprungen, Pamina (Helena Juntunen) und Sarastro (Günther Groissböck) laborierten an den Folgen einer Infektion. Juntunen war trotzdem ein belebender Faktor in dieser Aufführung, auch wenn stimmlich nicht alles ganz rund klang. Günther Groissböck hat einen sehr jugendlich wirkenden Sarastro gesungen, musste zuerst einmal ausprobieren, was stimmlich „wirklich geht“. Pavol Breslik verfügt über eine kräftige Stimme, die er aber nicht sehr einfühlsam eingesetzt hat. Sein Timbre ist angenehm und kernig, auf Pianosingen hat er weitestgehend verzichtet. Den vorzüglichen Papageno von Adrian Eröd kennt man von der Staatsoper, er gibt der Figur hintergründigen Humor, singt seine „Gassenhauer“ sehr nobel und bleibt dabei doch stets ein Naturbursch. Die Königin der Nacht (Lubica Vargicová) klang nicht so spektakulär wie erhofft mit Unsicherheiten bei den Spitzentönen. Die drei Damen waren im unterschiedlichen Charakter gut herausgearbeitet. Monostatos, Loic Felix, gab ebenfalls eine gute Charakterstudie.

Daniel Harding ging die Ouvertüre sehr langsam, fast schwermütig an, überhaupt nicht „festlich“. Es folgte ein nervös-fiebriges Allegro und am Schluss eine nahezu Beethoven’sche Exstase. Das Mahler Chamber Orchestra pflegte eine trockene etwas knöchrige Spielweise. Langweilig wurde es nicht, besonders gefühlvoll ebensowenig. Der „Genius loci“ wird wenig Wienerisches an Dirigat und an Orchester festgestellt haben. Einzig Adrian Eröd hat er heimlich zugezwinkert, da bin ich mir ganz sicher.

Die Publikumsreaktionen waren etwas verhalten. Sehr starken Applaus gab es für Adrian Eröd, Lupa musste einige Buhrufe entgegennehmen – ein heftiges Für und Wider entwickelte sich nicht.