DIE ZAUBERFLÖTE
Aktuelle Spielpläne & Tipps
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Wiener Volksoper
4.1.2004


Dirigent: Marc Piollet

 

Sarastro - Cornelius Hauptmann
Tamino - Matthias Klink
Die Königin der Nacht - Milagros Poblador
Pamina, ihre Tochter - Birgid Steinberger
Erste, zweite dritte Dame der Königin - Donna Ellen, Adrineh Simonian, Andrea Bönig
Papageno - Klaus Kuttler
Papagena - Renée Schüttengruber
Monostatos - Wolfgang Gratschmaier
Erster Priester/2. Geharnischter - Pavel Kudinov

Zweiter Priester/1. Geharnischter - Eugene Amesmann
Sprecher - Wicus Slabbert


Je größer die Weisheit, desto geringer der Spaß?!

(Dominik Troger)

Opernstart ins neue Jahr mit der „Zauberflöte"! Es kann schließlich nicht schaden, wenn man sich zu Jahresbeginn den hehren Weisheitsansprüchen dieses Werkes stellt: Vielleicht bleibt ein Krümelchen höheren Menschentums an einem hängen, das zumindest für den Jänner ausreicht?

Jedenfalls kann eine gewisse Selbstironie nicht schaden, wenn man der eigenwilligen Regie von Robert Carsen begegnet, die das Werk aus einem elementbezogenen alchemistisch-freimaurerischen Denken entwickelt und die Wiener Volkstheater-Tradition auf Sparflamme kocht. Vor allem zu Beginn muss man kühlen Kopf bewahren, wenn Carsen einem einreden möchte, Tamino (der beunterwäscht in einem Bettchen liegt) hätte die ganze Sache mit der Schlange nur geträumt – einem länglichen Requisit, dass einen an die Plüsch- oder Plastiktierkonfektion eines schwedischen Möbelhauses erinnert. Hat man diesen Schock einmal überwunden, und die sich gänschenmäßig gebenden drei Damen (hier Nonnen mit weißen Flügelhauben) akzeptiert, ist man für die höheren Weihen dieser Inszenierung durchaus gerüstet. (Auch die kahle, altrindige Eiche, die dem Auftrittslied des Vogelfängers das vogelleere und blattlose Ambiente eines abgestorbenen Waldes vorgaukelt, ist eine Prüfung, die es zu bewältigen gilt.)

Nach und nach erkennt man dann hoffentlich, dass Carsen das „Ritual“ an sich durchaus beherrscht, dass er die Zauberflöte als ein „Werk der Prüfungen" begreift, dass es ihm darum geht, aus den Gegensätzlichkeiten des „Wasser, Erde, Feuer, Luft" gleichsam Gold zu machen. Ein „Gold", das für ihn der Wertschätzung nach kein Metall ist, sondern eine menschliche Verbrüderungsgeste, wie er sie am Schluss entwickelt – gleich dem vor Jahren in der katholischen Messe eingeführten Handschlag der Gläubigen zum „Friede sei mit dir": die Kostüme fallen, und Ensemble und Chor stehen in Alltagskleidern dem Publikum gegenüber, versöhnt mit diesem und auch mit Monostatos. Die Prüfungen haben sich nur als rituelles Spiel erwiesen, das keine psychischen oder psychischen Beschädigungen zurückgelassen hat.

Auch wenn ich den Schluss als aufgesetzt empfunden habe, Carsen hat meinen Zuspruch schon allein durch die Darstellung der Prüfungsszene verdient – der dürre Eichenbaum, aus dem plötzlich Flammen schlagen, aus dem Regen fällt. Hier gelingt ihm mit einfachen, archteypischen Bildern, unterstützt von einer deutlich ausgeformten Farbsymbolik (die leuchtend roten, langen Umhänge der beiden Geharnischten als Kontrast) eine glaubhafte Bühnenumsetzung dieser schwierigen Szene, die in der Staatsoperninszenierung – das muss man ausdrücklich betonen – nur mitleidiges Lächeln erntet. (Bühnenbild an der Volksoper und Kostüme: Patrick Kinmonth)

Carsen liegt die intellektuelle Welt des Sarastro nahe, das volkstheaterhafte des Papageno liegt im fern. Vom Glockenspiel ist nur ein symbolträchtiges, dürres Baumästlein geblieben. Es bedarf schon aller Phantasie des Zuschauers, um darin ein zauberkräftiges Musikinstrument zu erkennen. Hier punktet wieder die Staatsoperninszenierung, die die Zauberflöte auch als naives, der Posse zugeneigtes Märchen begreift. (Für Kinder scheint mir die Staatsopern-Inszenierung aus diesem Grunde weit besser geeignet!)

Es liegt auf der Hand, dass vor allem Tamino in einer solchen Werkauffassung mehr Profil gewinnt, während Papageno, um das spielerische Klimbim ziemlich entschlackt (das beginnt schon beim Kostüm), viel mehr auf sich selbst gestellt ist. (Ob Tamino aber wirklich alles nur geträumt hat, diese Antwort bleibt Carsen letztlich doch schuldig.)

Die musikalische Umsetzung wirkte schon zu Beginn ein wenig verschwommen, unakzentuiert, mehr darauf bedacht, den Abend in animiertem Tempo abzuarbeiten. Schon in der Ouvertüre ging ein Thema zu geläufig ins andere über, blieb die musikalische Linie in einem zweidimensionalen zeitlichen Kontinuum gefangen, aus dem ihr nicht gestattet wurde, plastisch hervorzutreten. Das bekamen auch die Sänger zu spüren. Papagenos-Auftrittslied wurde geradezu verschenkt, und auch im weiteren hatte man oft genug das Gefühl, hier gehe es nicht um das Singen der Arie an sich, sondern um das Fertigwerden mit selbiger. Dadurch lief alles Gefahr, in einer Gleichförmigkeit des Ausdrucks unterzugehen, der sich auch die SängerInnen schwer erwehren konnten. Das Besondere am Werk ging verloren und was übrig blieb, war eine stete lineare Bewegung nach vorn. Das scheint zwar grundsätzlich nützlich, um vorneweg jede aufkeimende Langeweile im Keim zu ersticken, aber es bedarf auch der Momente des Innehaltens, um musikalischen Phrasen und textlichen Pointen Entfaltungsraum zu lassen. Ein etwas trockener, pragmatischer Realismus, der hier waltete und den man an einem 4. Jänner, noch von Festtagsstimmung durchpulst, schon gar nicht goutiert.

Das durchwegs meist junge Ensemble bot eine angemessene Leistung: Klaus Kuttler bräuchte als Papageno noch ein paar Deka mehr von jener boshaften Durchtriebenheit, die diese Bühnenschöpfungen des posseheischenden Wiener Volkstheaters unterschwellig (oder gar nicht so unterschwellig) mit sich führen, um ein Fixpunkt nicht nur einer Volksopern-Zauberflöte sein zu können. (Er hat den Papageno u.a. schon in Zürich gesungen.) Kuttler verfügt über einen angenehmen, nicht zu breiten, hell timbrierten Bariton, der mir – zusammen mit seinem Spiel – insgesamt den Papageno als zu liebenswert und naiv charakterisierte. (Aber vielleicht bin ich dem Papageno nur deshalb ein wenig Gram, weil er sich sein tägliches Brot als „Vogel(!)-Fänger" erwirtschaftet? Meine post-bürgerliche, mit tierschützerischem Bewusstsein geimpfte Dekadenz mag sich daran stoßen. Wobei man hinzufügen kann, dass die Vögel im Käfig auch Papagenos begrenzte Weltsicht– gutes Essen, Wein & Weibchen – symbolisieren.)

Auch Matthias Klink (Tamino) ist in seiner sängerischen Ausbildung ein „Produkt" der 90-er Jahre. Er besitzt einen leichten, eleganten, lyrischen Tenor, mehr kühl als warm (um die Elementarlehre der Zauberflöte hier ein wenig anzuwenden). Er verstärkt eine Art von Verhaltenheit im Ausdruck, die man im Rahmen dieser Inszenierung gut als Zeichen von Taminos wachsender „Weisheit" werten konnte. Ein Tamino mit „Contenance“ – sowohl von der Stimme als auch von der Bühnenerscheinung. Zwar ging ihm vor der Pause nicht alles mit der erwünschten Leichtigkeit von der Kehle, aber das wird der jeweiligen Tagesverfassung zuzurechnen sein.

Cornelius Hauptmann als Sarastro überzeugte mich weniger. Die angenehme Tiefe wurde von einer etwas brüchigen Höhe kontrastiert, was sich im gesanglichen Vortrag insgesamt als zu disparat erwies.

Milagros Poblator kommt in der Volksoper als Königin der Nacht gut zur Geltung (ihren Auftritt als Sternflammende Königin in der Staatsoper habe ich als weniger geglückt empfunden). Die Höhen sind an sich kein Problem, auch wenn sie manchmal schon etwas scharf und nicht mehr so klar und wohlgesetzt klingen (mglw. wieder eine Frage der Tagesform), die Koloraturketten werden zu dicht und unakzentuiert geflochten – was vor allem in der ersten Arie störend auffällt.

Mit Interesse folgte ich dem Monostatos von Wolfgang Gratschmaier – ebenfalls ein mehr intellektuell geführter Tenor, der die charakterlichen Schärfen der Partie schon vom Timbre aus betrachtet weniger unterstützt: in dieser Inszenierung, die dem Monostatos mehr zugesteht, als einen possenhaften Mohren, sehr passend am Platz – wobei Carsen statt einem Schwarzem einen „weißhäutigen“ Priester in schwarzer Soutane auftreten lässt. (Ob man das für schlüssig hält, ist auch so eine Frage.)

Birgid Steinberger als Pamina ist arriviert, die Feinheiten der Partie, das Verklärende, kam an diesem Abend weniger zum Tragen – aber dafür zeigte ja, wie oben angemerkt, Marc Piollet im Orchestergraben kaum Interesse. Die drei Damen rundeten das Bild ohne Höhepunkt ab, die drei Knaben wirkten von der klanglichen Abstimmung nicht optimal.

Die Vorstellung an der Volksoper war jedenfalls ausverkauft – auch der Stehplatz. Daran gibt es nichts zu rütteln, und der Applaus war kräftig – ehe man durch das kalte, frischverschneite Wien nach Hause eilte. Es handelte sich übrigens um die 60. Vorstellung dieser Produktion aus dem Jahre 1999.

(Tja, und vielleicht lässt sich nachfolgende Anmerkung auf dem Besetzungszettel noch den datumsgemäßen Gegebenheiten anpassen: „Profitieren vom Zyklen-Angebot der Volksoper Wien! Einige sind noch bis 19. Dezember 2003 buchbar...“ )