DIE ZAUBERFLÖTE
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Premiere
Volksoper
14. September 2025

Dirigent: Tobias Wögerer

Regie: Lotte de Beer
Bühnenbild und Installationen: Christof Hetzer
Animation Lead: Roman Hansl
Video Production Lead: Georg Schmidhuber
Kostüme: Jorine van Beek
Licht: Alex Brok
Choreinstudierung:
Roger Diaz-Cajamarca

Sarastro - Stefan Cerny
Königin der Nacht - Anna Siminska
Tamino - David Kerber
Pamina - Rebecca Nelsen
Papageno - Daniel Schmutzhard
Papagena - Jaye Simmons
Der Sprecher - Josef Wagner

Monostatos - Karl-Michael Ebner
Erste Dame - Hedwig Ritter
Zweite Dame - Katia Ledoux
Dritte Dame - Jasmin White
Erster Priester - Daniel Ohlenschläger
Zweiter Priester - Aaron-Casey Gould
Erster Geharnischter - Selyoung Kim
Zweiter Geharnischter - Aaron Pendleton
Die drei Knaben - Wiener Sängerknaben

Stumme Rollen:
Ein Junge - Leopold Sommer
Kleine Pamina - Eliza Sloane

In meiner Badewanne bin ich Kapitän
(Dominik Troger)

„Zauberflöte“ dort, „Zauberflöte“ da. Nach der Staatsoper hat sich jetzt die Volksoper eine Neuproduktion gegönnt. Mozart und Schikaneders Welterfolg entpuppt sich am Währinger Gürtel als Versuch einer Traumabewältigung und als zu langatmige Abhandlung über das „Erwachsenwerden“.

Ein Bub sitzt auf der Bühne und zeichnet. Er zeichnet sich seine Geschichte von der „Zauberflöte“. Er fühlt sich unverstanden, seine Eltern streiten. Hat der Vater die in der Badewanne liegende Mutter nicht sogar mit einem Messer bedroht? Als schemenhafte Zeichnung taucht dieses Bild im II. Teil aus der Erinnerung auf. Die Mutter ist psychotisch, der Vater vernüftelnder Schachfan – der Bub ist einsam und phantasiert sich eine glücklichere Welt herbei: der Prinz, die Prinzessin, die Eltern als unverstandenes Über-Ich, Papageno als personifiziertes Sammelbecken der eigenen Ängste und Kindlichkeiten.

Der Bub zeichnet sich also seine Geschichte, und natürlich wird er am Schluss siegen, er wird alles hinter sich lassen und mit der Prinzessin in einer Badewanne (!) davonfliegen. Die öden Erwachsenen werden zurückbleiben und mit ihnen der ganze Krempel ihrer vertrackten Beziehungskisten und Ideale. Der Traum von der Menschenbildung durch eine aufgeklärte Vernunft ist ohnehin längst ausgeträumt.

Selbstverständlich kann man solche Geschichten erzählen und man kann sich auch die „Zauberflöte“ so zurechtbiegen, dass alles irgendwo noch auf eine „Kuhhaut“ passt. Offenbar werden die Strahlen der Sonne nicht mehr gesehen, die die Nacht erhellen – um das Finale der Oper zu zitieren. Also wird in dieser Produktion alles „Zauberflötenartige“ zu einer neuen Geschichte verrührt, bei der die Figuren nur mehr vage oder überhaupt nicht mehr zu der Oper passen, die Mozart und Schikaneder einst geschrieben haben.

Die Figur, die – wieder einmal – am meisten darunter leidet, ist der fidele Papageno. Papageno ist eigentlich die personifizierte Erwartungshaltung des Publikums an einen naiven, gutmütigen Kerl, wobei es dem Sänger der Rolle obliegt, mit dieser Erwartungshaltung geschickt zu spielen und das Publikum einzubeziehen. Papageno ist alles andere als ein Fünfjähriger, der sich alle zwei Minuten an die knappe „Boxerhose“ fasst, um den Eindruck zu erwecken, als würde er sich vor lauter neurotischer Schüchternheit gleich anpinkeln. Diesen „Schmäh“ kann Papageno einmal machen, vielleicht zweimal, aber als wesentliches gestisches Charakteristikum seiner Bühnenpersönlichkeit ist er nervtötend und erstickt Papagenos fröhliches bäurischen Wesen.

Den Text, den Papageno beisteuert, wird man auch schwer einem verängstigten Fünfjährigen in den Mund legen können. Ein solcher wird sich nicht für eine „Spekulation“ mit Vögeln erwärmen oder sich für „lustige Stunden“ ein „Mädchen“ oder gar ein „Weib“ wünschen. Wobei natürlich klar ist, was sich ein erwachsener (!) Papageno unter „lustigen Stunden“ in trauter Zweisamkeit vorstellt. Diese Diskrepanz zwischen Libretto und Szene betrifft auch andere Figuren und löste sich den ganzen Abend lang nicht auf. Die Königin der Nacht hat Regisseurin Lotte de Beer zum Beispiel in eine psychisch kranke Frau umgedeutet, offenbar ein Opfer ihres unverständigen Ehemanns Sarastro. Die erste Arie wird in einer Badewanne sitzend vorgetragen, bei der zweiten darf sie rote Christbaumkugeln auf den Boden werfen. Vielleicht vermochte die Königin der Nacht derart im Publikum einen Funken an Mitgefühl zu erwecken; aber ihre dämonische Macht und ihre Bühnenpräsenz waren dahin.

Und der fade Sarastro-Vater im hellen Anzug, der am Heiligen Abend Zeitung liest, predigt hohlwangige Ideale, an die er wahrscheinlich selbst nicht glaubt. Seinen „Sklaven“ Monostatos hätte man im Rahmen dieser Inszenierung überhaupt einsparen können – und wäre damit das bekannte „Mohrenproblem“ elegant los geworden. Aber auf die Pamina bedrohende Männlichkeit wollte die Regisseurin dann doch nicht verzichten?! (Im zweiten Teil wurde Monostatos die Szene gestrichen, in der er Pamina das Mordkomplott vorhält und sie zu erpressen versucht. Statt dessen wird ein Pamina-Kind auf die Bühne gestellt, um sich vom Sarastro-Vater belehren zu lassen.)

Die Feuer- und Wasserprobe markiert den Zeitpunkt der kindlichen Selbstermächtigung: Es ist Weihnachten und es wird rebelliert. Dem Vater wird die „heilige“ Zeitung entwendet und in einem Kübel verbrannt, die Badewanne wird mittels Stoff und ästebefreitem Christbaumstamm zum fliegenden Segelschiff umfunktioniert – und Tamino und Pamina machen sich davon. Das mit vielen jugendlichen Besuchern angereicherte Premierenpublikum klatschte erfreut nach dieser Szene und meinte folgerichtig, die Aufführung sei zu Ende. Der kurze Auftritt der Königin der Nacht, die mit ihrem Gefolge den Tempel der Eingeweihten stürmen möchte, geriet an diesem Abend zu einem dramaturgisch funktionslosen Anhängsel, das nicht mehr zu der in der Volksoper erzählten Geschichte passt. Und der Vater nimmt der Mutter das Messer ab und über der Bühne segelt die Badewanne mit den Kindern einer hoffentlich fröhlicheren Zukunft entgegen.

Die Einbeziehung von comicartigen Zeichnungen und Animationen, die im Hintergrund der  Bühne projiziert werden, wirkte in der ersten halben Stunde erfrischend und innovativ – wurde aber nicht konsequent genug durchgezogen. Wenn der Vogelfänger zuerst als Zeichnung durch die Luft kurvt und dann – ganz real – auf der Bühne erscheint, macht das guten Effekt oder wenn Papagenas und Papagenos Kinder als animierter Cartoon auf der Bühne schaukeln. Doch das sind nur Ausnahmen: Die Königin der Nacht wird mit Donner angekündigt, man erwartet jetzt ihren großen Auftritt – und dann sitzt sie als armseliges Hascherl in einer Badewanne. Man sieht an diesen Beispielen, was möglich gewesen wäre, und wie dem Regieteam letztlich das „Konzept“ wichtiger gewesen ist, als ein das Publikum mit „Ahs“ und „Ohs“ verzaubernder Opernabend. Die Dialoge waren zu wenig prägnant auf die Pointen zugespitzt, waren teils zu lang und hinterließen einen etwas zähen, „halblustigen“ Eindruck.

Dass Tamino am Anfang in seinem Bett liegt und die ihn bedrohende Schlange nur träumt, hat Robert Carsen an der Volksoper schon vor bald dreißig Jahren in der Idee ähnlich inszeniert. Die Ouvertüre wird gänzlich mit einem Zeichentrickfilm unterlegt, der die Ausgangsbasis für Lotte de Beers „Zauberflöten“-Deutung zusammenfasst: ein Bub, der mit der Welt, die ihn umgibt, ein wenig fremdelt und der sich ein fliegendes Bett für seine Traumreisen imaginiert. Für ein junges Publikum ist das ein aufmerksamkeitsheischender Einstieg, schade ist es um Mozarts Musik, die derart zum „Soundtrack“ verkommt.

In der Hoffnung, die szenischen Grundzüge dieser Produktion einigermaßen umrissen zu haben, folgen jetzt ein paar Anmerkungen zum auch nicht übermäßig ersprießlichen musikalischen Teil. Den besten Eindruck hinterließen: das Orchester und der Chor. Tobias Wögerer führte sicher durch den Abend, mit gemäßigteren und schlüssigeren Tempi, als sie letzte Saison noch Omar Meir Wellber Mozart hat angedeihen lassen. Das Klangbild war „klassisch“, leicht erwärmt, und nicht auf „alt“ oder „kühl“ getrimmt.

David Kerbers Tamino fabrizierte leider zu viele spröd gefärbte Töne (sein Alfredo unlängst beim Wiener Opernsommer hat erfrischender geklungen). Tamino darf einmal sogar so tun, als würde er eine (vielleicht seine erste) Zigarette rauchen. (So hantelt sich die Jugend über Verbotenes vor in die Welt der Erwachsenen. Beispielgebend sollte das aber nicht sein, mahnt an dieser Stelle ein nicht mehr ganz junges Vaterherz ;-)

Rebecca Nelsen gab wie in der letzten „Zauberflöten“-Premiere an der Volksoper die Pamina mit ihrem dafür eigentlich zu schlanken Sopran und seitens der Regie mit überzeichnender pubertärer Jugendlichkeit versehen. Auch Stefan Cerny hat als Sarastro schon in der Premiere 2020 reüssiert, mit geforderter Tiefe und wenig „Balsam“ – aber den hätte man diesem uninteressant in Szene gesetzten Sarastro auch nicht abgekauft. Anna Siminska steuerte als Königin der Nacht ein schmalspuriges „O zittre nicht“ und eine viel besser gelungenes „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ bei. Daniel Schmutzhard gab einen gerne witzig sein wollenden, aber von der Regie „ausgebremsten“ Papageno. Die Papagena (Jaye Simmons) hatte es leichter mit natürlichem Charme zu erfreuen, aber ihren Auftritt als alte Frau hat die Regie fast schon greisenhaft überzeichnet. Karl-Michael Ebner war ein politisch (und gesanglich) korrekter Monostatos. Die drei (Sänger-)Knaben kamen besser zur Geltung als die Premierenbesetzung im Jänner an der Staatsoper. Die drei Damen, die wie eine aus der Konditorei versprengte Pensionistinnenrunde mit 1970er-Jahre Flair ausstaffiert waren, hielten sich wacker.

Am Schluss gab es rund sieben Minuten langen Beifall, von ein paar Buhrufen konstrastiert. Die Vorstellung hatte schon um 17 Uhr begonnen und es waren wirklich sehr viele Kinder und Jugendliche anwesend, die sich recht diszipliniert verhalten haben. Nur auf der Galerie haben nach der Pause drei schalkhafte Buben entdeckt, dass es großen Spaß macht zu klatschen – wenn sonst gerade niemand klatscht.

Fazit: Wenn man bedenkt, dass die Volksoper erst vor fünf (!) Jahren eine neue, anspechende „Zauberflöte“ produziert hat, dann erscheint dieses ganze Unterfangen umso fragwürdiger. In der Direktion Lotte de Beer häufen sich bei Neuproduktionen die Dubletten mit der Staatsoper: siehe „Carmen“, siehe „Figaro“ und siehe die desaströse „Entführung“. Für diese Saison ist auch noch ein neuer „Hoffmann“ geplant. Ersetzt wurden meist taugliche Inszenierungen, deren „ideologisches Mäntelchen“ der Direktorin aber nicht gepasst haben dürfte (aber das ist natürlich nur meine Vermutung).

PS: Die beiden Garderoben auf der Galerie wurden architektonisch neu gestaltet. Sie sind jetzt heller ausgeleuchtet, bieten Sitzgelegenheiten mit „Design“ und dunkel gehaltene Pulte mit weißer Maserung.