DIE ZAUBERFLÖTE
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Premiere
Staatsoper
27. Jänner 2025

Dirigentin: Bertrand de Billy

Inszenierung: Barbora Horáková
Bühne & Video: Falko Herold
Kostüme: Eva Butzkies
Licht: Stefan Bollinger
Textbearbeitung: Isabella Gregor
Choreinstudierung: Martin Schebesta

Sarastro - Georg Zeppenfeld
Königin der Nacht - Serena Sáenz
Tamino - Julian Prégardien
Pamina - Slávka Zámecniková
Papageno - Ludwig Mittelhammer
Papagena - Ilia Staple
Der Sprecher - Jochen Schmeckenbecher

Monostatos - Matthäus Schmidlechner
Erste Dame - Jenni Hietala
Zweite Dame - Alma Neuhaus
Dritte Dame - Stephanie Maitland
Erster Priester - Adrian Autard
Erster Geharnischter - Devin Eatmon
Zweiter Geharnischter - Evgeny Solodovnikov
Due drei Knaben - Johannes Pietsch, Gustav Keil, Stephan Manhartseder

Grau in grau
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper spielt jetzt die „Zauberflöte“ als „Gothic“-Story, grau in grau, ein verfallenes Spukschloss, ein Sarastro-Herrenclub mit Bar und Kohlenkeller. Dem Papageno hat man die „Natur“ gerupft wie fast alle seine Federn und Tamino singt die Bildnisarie in der Unterhose: Der Premierenabend enttäuschte szenisch und musikalisch.

So eine neue „Zauberflöte“ ist eine heikle Sache. Eine naive Annäherung an das Werk verbietet inzwischen der dramaturgische „Ehrenkodex“. Ihr simplifizierender „Manichäismus“ verlangt nach einem einfachen, mit Phantasie begabten Gemüt, das nicht jedes Wort auf die Waagschale legt. Mozarts Musik liefert dann die Weisheitsweihe dazu und den Humor des Naturburschen. Hat man Glück, entsteht plötzlich eine Art von Welttheater, in der sich das Naive und das Göttliche auf eine sehr humane Art verschränken, als Apotheose aufgeklärten Menschentums.

Doch heutzutage wird jedes Librettowort auf die Waagschale gelegt. Sarastros Vorbildrolle wird schwer angezweifelt, die Königin der Nacht möchte man von ihrer „Bosheit“ befreien. Alles was nach „Weihe“ und „Tempel“ riecht, ist ohnehin verdächtigt. Menschen mit  schwarzer und Menschen mit weißer Hautfarbe, das geht gar nicht, da muss ins Libretto eingegriffen werden. Was die Regie mit dem „Mohren“ Monostatos anstellen soll, damit zumindest er ein bisschen „Farbe“ abbekommt, quält die Dramaturgenhirne. Als „Lösung“ wird versucht, den Guten zum Bösen, die Böse zur Guten zu machen, oder zumindest die Gegensätze einzuebenen, was dann aber schnell dramaturgische Widersprüche erzeugt. Und am Schluss gibt es ein gemeinsames „Feiern“ aller Beteiligten auf der Bühne, die Königin der Nacht inbegriffen, was die vorangegangene Handlung eigentlich ad absurdum führt.

Die neue Staatsopern-„Zauberflöte“ ist ein typisches Beispiel für die beschriebene Vorgangsweise. In diesem Fall entsteigt die höhere Weisheit vor allem dem reichhaltigen Sortiment an hochprozentigen Alkoholika in den Regalen von Sarastros „Männerclub-Bar“, und wenn Sarastro am Beginn des zweiten Aktes in seinem „Führerzimmer“ eine Rede ins Mikrofon schnarrt, dann wundert man sich erst recht, warum am Schluss alle plötzlich so lieb zueinander sind. Monostatos wurde in einen Kohlenkeller abgeschoben, um ihm die Wangen zumindest ein bisschen grau färben zu können. Er wachte dort über die in Ketten gelegte Sklavin Pamina. Doch das charakterliche „Umfärben“ der Königin der Nacht scheitert ohnehin, weil man ihr die Rachearie schwer streichen kann, und sie ihre Tochter viel zu unmissverständlich zu einem Mord aufruft. Dabei lässt die Regisseurin Barbora Horáková nichts unversucht, schwebt Sarastro bei seinem ersten Auftritt auf einer Mondsischel sitzend sogar vom Schnürboden herab, gekleidet wie die Königin der Nacht, um ihn als patriarchalen Spötter zu entlarven. Doch viel ist an diesem „Spötter“ nicht dran und er verwandelt sich schnell in eine leicht beamtet wirkende, charismalose „Cheffigur“. (Dass zuvor schon Papageno den Weg durch die Luft genommen hat, schmälert außerdem den Effekt.)

Aber, so wird man mir jetzt antworten, es gibt doch einigen Schwung in dieser Inszenierung! Die drei Knaben radeln während der Ouvertüre an einer Gespenstervilla vorbei, ein „Lost Place“, der ihre Entdeckerfreude anspornt. Sie tollen in einem verwahrlosten Salon umher, mit einem Vogelskelett, Käfigen, Klavier, düsteren Wänden und krümeligen Schuttresten. Im weiteren Verlauf gibt das Haus nach und nach verschiedene Zimmer frei und mit Videos wird dabei klug gearbeitet (die Szene, in der Tamino vor den drei Pforten Einlass begehrt, sei als Beispiel genannt). Aber trotzdem spürt man die „Mühen der Ebene“ an so manchem unmotiviert wirkenden Zwischenvorhang, an der Prüfungsszene im Stiegenhaus, an Paminas grauweißen Socken, an aus einem venezianischen Karneval (!?) entsprungenen Geharnischten, an einer phantasielosen Feuer- und Wasserprobe.

Und wenn im zweiten Akt Tamino und Papageno in einer Schulklasse landen, mit den drei Damen als dominante Lehrerinnen zum Quintett antreten, verzweifelt man nur mehr über diesen – darf ich es schreiben? – Unsinn. Doch vielleicht war das alles nur ein Spuk, und wenn sich dieser Spuk verzogen hat, trifft man sich auf der Wiese vor diesem Spukhaus wieder und feiert „Frieden, Freude, Eierkuchen“. Immerhin war dieses Finale ein vor allem in beleuchtungstechnischem (!) Sinne erhellender Moment, war doch die Bühne bis dahin optisch so farblos gehalten worden, als hätte der Vogelfänger Papageno nur mit Raben, Krähen und Graupapageien gehandelt.

Der „Naturbursche“ war Papageno ohnehin kaum anzusehen – und anzumerken. Seine Herkunft blieb szenisch im Dunkeln und es stellte sich bald die Frage, was dieser Kerl in diesem Spukhaus überhaupt zu suchen hat. (Dabei wird er im „Prüfungstempel“ von Tamino fast erwürgt, weil diesen offenbar eine akute „Schweigepsychose“ quält!) Sobald Pamina
die Szene betritt (eine große Altefraupuppe mit sich führend) , gewinnt auch Papageno Boden unter den Füßen. Zwar muss er sich dann auch betrinken, aber er kann endlich seine Witze einigermaßen unters Publikum streuen. Papagena trifft ihren Zukünftigen übrigens in einem kargen, mit Bänken ausstaffierten Warteraum. Koffer stehen herum. Wollen Tamino und Papageno verreisen? Wer weiß das schon?

Franz Welser-Möst, der als musikalischer Leiter seine Fittiche über diese neue „Zauberflöte“ hätte spannen sollen, hat Anfang Jänner seine Mitwirkung an der Premiere aus gesundheitlichen Gründen absagen müssen. Für ihn ist Bertrand de Billy eingesprungen. De Billy hat seinen Mozart zwar im kleinen Finger, aber trotzdem wirkte der Premierenabend seitens des Orchesters zu uneinheitlich. Die Ouvertüre trieb es zu einem „Beethovenschem-Finale“, und danach wurde flott durch die Partitur marschiert, mit wenig Gefühl für gesangliche Ausgestaltung, was vor allem Papageno den Charme seines Auftrittsliedes gekostet hat.  Dieser straffe Zugriff versandete im Laufe des Abends und es stellte sich einiges an Langatmigkeit ein, so als habe sich de Billy musikalisch von der Szene „grau“ färben lassen. 

Julien Prégardien sang einen lyrischen, mehr aus dem „Lied“ gestalteten Tamino. Sein Tenor wurde nach oben hin schmal und wirkte etwas unsicher und kraftlos. Als von ihm angebetete Pamina hinterließ Slávka Zámečníková einen deutlich günstigeren Eindruck, auch wenn sie über keine „vollmundigen“ Paminenstimme verfügt. Ihr Sopran ist etwas metallisch gefärbt, vielleicht eine Spur zu soubrettig, um richtig herzerwärmend ihr Leid zu klagen. Die Kostüme machten aus ihr ein „Aschenbrödel“. Serena Sáenz als Paminens Mutter nützte ihre beiden Arien für guten Effekt. Die Spitztenöne funkelten dunkel und ein bisschen fragil sowie mit der Gefahr behaftet, zu stark forciert zu werden. Ihr Gegenspieler Sarastro kargte in der Verkörperung von Georg Zeppenfeld  gesanglich mit  balsamisch unterfütterter Weisheitslehre. Hier schlug, wenn man es so umschreiben möchte, mehr der beamtete Vorstand besagten Männerclubs durch, als der „Priester“. 

Ludwig Mittelhammer benötigte lange, um seinen Papageno ins „Spiel“ zu bringen. Er sollte sich auch einmal überlegen, welchen Dialekt er jetzt wirklich sprechen möchte. Ilia Staple war eine quirlig passende Papagena. Matthäus Schmidlechner gab einen fast zu gepflegt wirkenden Monostatos, Jochen Schmeckenbecher sorgte für einen etwas nüchtern-bedrohlichen Sprecher, in den Rahmen der Produktion passend. Die drei Damen gefielen mehr als die beiden Geharnischten. Die drei Knaben haben gut gespielt, weniger gut gesungen.
Der Staatsopernchor trat am Schluss in Alltagsgewändern auf, die übrigen Protagonisten auch, und die Königin der Nacht  gesellte sich dazu.

Beim Schlussvorhang musste die Regie auch Buhrufe hinnehmen, diese waren aber viel weniger stark ausgeprägt, als bei der „Don Carlo“-Premiere im September. Zwei, drei Buhrufe richteten sich auch gegen Julien Prégardien. Ansonsten gab es nur positive Zustimmung – und das elf oder zwölf Minuten lang.

PS: Das neueingerichtete, in den Dialogen gut gekürzte Libretto wurde nach den weiter oben geschilderten Grundsätzen verfertigt. Einmal wird sogar aus unerfindlichen Gründen aus der „Elektra“ zitiert?!.

Nachtrag 29.1.25: Noch eine Anmerkung, weil mich eine diesbezügliche Anfrage erreicht hat. Die Passage „Ein Weib thut wenig, plaudert viel. /  Du Jüngling glaubst dem Zungenspiel?“ ist nicht gestrichen worden. Sie wird als abschätziges „Bargespräch“  unter Männern über Frauen „kontextualisiert“.