„Zauberflöte am Samstagabend“
(Dominik Troger)
„La
Bohéme“, „Carmen“, „Die Zauberflöte“ – nachdem die Wiederaufnahme von
„La Juive“ abgesagt wurde, bietet die Staatsoper im September ein
„Best of Opera“ mit Anna Netrebko, Elīna Garanča und Piotr Beczała als
aufmerksamkeitsheischende Kristallisationspunkte. Der aktuellen
„Zauberflöten“-Serie würden solche auch ganz gut getan haben.
Die Premiere dieser Produktion in der Regie von Moshe Leiser und
Patrice Caurier ist neun Jahre her. Am Samstagabend wurde laut
Programmzettel die 39. Aufführung in dieser Inszenierung gespielt. Es
ist eine zwiespältige Inszenierung, die mit der Welt des Sarastro wenig
anzufangen weiß und sich – wie viele andere neuere Inszenierungen auch
– auf den Charme des Naturburschen Papageno verlässt. Wenn Papageno und
Papagena schlussendlich himmelwärts Richtung Schnürboden schweben, dann
ist die Sache fürs Publikum gewonnen. Die Weisheitsgelehrten mit ihren
Hüten und Klamotten, die aus amerikanischen Gangsterfilmen aus der
Mitte des vorigen Jahrhunderts stammen könnten, sind dann auch egal.
Vielleicht handelt es sich um ein Syndikat, dessen Erkennungszeichen
eine leuchtende, weiße Pyramide ist. Nur was Tamino und Pamina bei
diesen Herrschaften lernen sollen?Wahrscheinlich will man das gar nicht
so genau wissen. Die Diskrepanz zwischen Märchenelementen,
Slapstickeinlagen (das vom Publikum wieder mit viel Lachen und Beifall
quittierte Tänzchen der Polizisten) und die ins Ironische abdriftende
Sarastro-Clique finden den ganzen Abend nicht zusammen. Vor allem aber
Sarastro selbst ist der leidtragende dieses „Konzepts“, weil man nicht
recht weiß, was er jetzt darstellen soll. Er wirkt kühl, etwas glatt,
er wird seitens der Regie nicht zum Sympathieträger erklärt: Einerseits
wird Sarastros Vernunftgründen mit einigen Zweifeln begegnet –
andererseits, wenn die Königin der Nacht so hysterisch mit ihrem Kind
umspringt wie gezeigt, dann hat Sarastro ein wahrhaft fürsorgliches
Werk getan.
Günther Groissböck hat mit seinem leicht gerauten Bass
die balsamische Priesterwürde des Sarastro nicht bekräftigt. Er stützte
mehr den Eindruck, einen Staatslenker, Politiker, Feldherrn vor sich
zu haben, der seine Ideale mit Nachdruck vertritt, erinnerte mehr an
einen Isis und Osiris huldigenden König Heinrich, mehr an einen Machtmenschen
als an einen väterlichen Vertrauten einer in diesem „Setting“
wohl doch eher aus politischen oder „kartellrechtlichen“
Gründen geraubten Königstochter. Golda Schultz hat
als Pamina mit ihrem in der Mittellage leicht cremigen Sopran viel Herzwärme
dagegengesetzt: eine Pamina mit Spielfreude und Seele, die beim Publikum
sehr gut ankam, deren lyrischer, Mozarts Finessen nicht immer mit der
erhofften Leichtigkeit folgender Sopran in kleineren Häusern womöglich
besser zur Geltung kommt.
Ihr geliebter Tamino wurde einspringender Weise aus dem Ensemble besetzt.
Hiroshi Amako hat die Partie von Pavel Petrov übernommen,
der laut Staatsopernhomepage aber für die Vorstellung am 13. September
angesetzt ist. Amako hatte es schwer, sich neben der gefühlvollen Pamina
und dem stimmkräftigen Papageno von Peter Kellner in Szene zu setzen.
Ein bisschen mehr Schmelz und Charme und ein kleineres Haus würden Tamino
dabei geholfen haben. Peter Kellner gab einen Papageno
mit viel Potenzial. Sein mehr aus grobem Holz geschnitzter Vogelfänger
war ein selbstbewusster Naturbursche, ein fideler, manchmal polternder
Kerl, ein „Revoluzzer“ beinahe, der mit dem schöngeistigen
„Vernunftgründeln“ der Weisen nichts anzufangen wusste.
Dermaßen strotzte sein Rollenporträt voller Energie, allerdings ein
wenig auf Kosten seiner Liebenswürdigkeit – und Miriam
Kutrowatz war Papageno eine gewitzte, spielfreudige Papagena.
Clemens Unterreiner kümmerte sich als Sprecher mit
der leicht ironischen Nonchalance eines Pastors um diesen „Wilden“
und machte aus der Partie eine zusätzliche Hauptrolle, was dem Abend
sehr gut tat. Robert Bartnek war ein passender
Monostatos: zwar weißgesichtig, aber schwarzgewandet und manchmal schwarzbemasket.
Pluspunkte gibt es weiters für die beiden Geharnischten (Jörg
Schneider, Dan Paul Dumitrescu), die drei
Knaben von den Wiener Sängerknaben und den weihevoll vorgetragenen Priesterchor.
Den 1. Priester steuerte Lukas Schmidt bei.
Eher auf der Minusseite verbuche ich die drei Damen (wenn sich wenigstens
alle drei an Monika Bohinec ausgerichtet hätten), aber
Anna Bondarenko (Erste Dame) sollte noch an ihrem Deutsch
feilen und Stephanie Houtzeel (Zweite Dame) war für
Szilvia Vörös eingesprungen. Kathryn Lewek
sang eine forcierte, zur Hysterikerin umgemodelte Königin der Nacht
mit unausgewogenem Sopran und Intonationsproblemen. Nach den vielen
guten Kritiken, die man im Web über die Sängerin nachlesen kann (die
Königin der Nacht soll ihre Paraderolle sein), haderte sie vielleicht
mit einer schlechten Tagesverfassung. Das Publikum spendete ihr viel
Beifall. Bertrand de Billy am Pult verlieh dem Abend
vor allem Erfahrung und Pragmatik – und das Orchester hielt sich
daran, ohne die Vorstellung zu einem „Gustostückerl“ aufzuwerten.
Am Schluss folgte der für solche Aufführungen inzwischen „obligate“
Fünf-Minuten-Schlussapplaus.
Vor der Pause gab es einen medizinischen Notfall im Parterre. Eine
Person musste mit der Bahre hinausgetragen werden. Möge der Anlass
gesundheitlich nicht so gravierend gewesen sein wie es aus der Ferne
den Anschein hatte.
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