DIE ZAUBERFLÖTE
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Staatsoper
17.11.2013
Premiere

Dirigent: Christoph Eschenbach

Regie: Moshe Leiser und Patrice Caurier
Bühne: Christian Fenouillat
Kostüme: Agostino Cavalca
Licht: Christopher Forey
Choreographie: Beate Vollack

Sarastro - Brindley Sherratt
Tamino - Benjamin Bruns
Die Königin der Nacht - Olga Pudova
Pamina, ihre Tochter - Chen Reiss
Erste, zweite dritte Dame der Königin - Olga Bezsmertna, Christina Carvin, Alisa Kolosova
Papageno - Markus Werba
Papagena - Valentina Nafornita
Monostatos - Thomas Ebenstein
1. Geharnischter - Marian Talaba

2. Geharnischter - Dan Paul Dumitrescu
Sprecher - Alfred Šramek
1. Priester - Benedikt Kobel

2. Priester - Alfred Šramek
3 Knaben - Wiener Sängerknaben


Sieg der Anspruchslosigkeit
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper hat unter der Direktion Meyer bis jetzt kein glückliches „Händchen“ für Mozart gehabt. Die neue „Zauberflöte“ fügt sich nahtlos in eine Reihe von eher missglückten Neuproduktionen ein, die vor allem Mittelmaß produziert haben – szenisch und musikalisch.

In der ersten Saison versuchte sich das „Haus am Ring“ noch mit zweifelhaftem Erfolg an den da-Ponte-Opern, und zog dankenswerter Weise die Notbremse, bevor Jean-Louis Martinotys trocken-schulmeisterliche Regie die „Cosi“ zwischen ihre Finger bekam. Es folgte ein „Titus“ im Müll, für den Elina Garancas Sesto die Überlebensversicherung war, und jetzt hat man dem Wiener Publikum eine „Zauberflöte“ im „halblustigen“ Inszenierungsstil des Regisseurduos Moshe Leiser und Patrice Caurier serviert. Zwar haben die beiden Herren durchaus eine werkgerechte Botschaft zur Diskussionen gestellt – nämlich den Reifungsprozess von Tamino und Pamina zu einem vollwertigen Mitglied der „Gesellschaft“ – aber Taminos Weg vom jugendlichen Pluderhosenträger zum ausgereiften Businessanzuguniformierten wirkte mehr durch seine Irritationen als durch seine Stringenz.

Außerdem dürften die beiden Regisseure den Sinn und den Witz der Schikaneder’schen Dialoge nicht verstanden haben. Es weckt große Zweifel am Probenprozess, wenn Sänger in Interviews erklären, das Regieteam habe die Rollen und den Text so toll durchleuchtet und dann werden in den Dialogen reihenweise die Pointen verpasst. Man mag in Paris oder im internationalen Opernbusiness keinen Wert darauf legen, weil angenommen wird, dass das Publikum den Text und den „Schmäh“ von Schikanders bodenständig-„aufklärerischem“ Humor ohnehin nicht versteht. Doch hierzulande darf diesbezüglich mehr erwartet werden. Die Sänger haben natürlich noch die Chance, diesen Punkt auszubessern, das Timing der Pointensetzung anzupassen, Rücksprache mit langjährigen Kollegen am Haus zu halten, um diese Seite der Produktion zu verbessern. Auch die deutsche Aussprache lässt sich üben – und das gilt nicht nur für die drei Damen. Viele Nuancen gingen schon mangels deutscher Sprachkompetenz verloren.

Leiser und Caurier haben sich entschieden, die Oper auf der „nackten“ – im wahrsten Sinne des Wortes – Staatsopernbühne spielen zu lassen. Während an der Rampe noch ein dekoratives Element, im Aussehen dem Zuschauerraum nachempfunden, einen Übergang bot, lauerte dahinter eine verstaubte und von einem schäbigen alten Zentralheizungskörper gezierte Zwischenwand. Ein ähnlich trostloses Bühnenbild gab es beim letzten Staatsopern-„Freischütz“, der beim Publikum so großen Anklang fand, dass er bereits nach wenigen Jahren abgesetzt wurde. Aber die „Zauberflöte“ ist natürlich „lustiger“ als der „Freischütz“, und so wird man diesen Heizungskörper, der wie ein kariöser Zahn in den von erwartungsfrohen Besuchern gefüllten Zuschauerraum hineinschielt, sicher noch lange „bewundern“ dürfen.

Ansonsten bestand diese „Zauberflöte“ aus mehr oder weniger gelungenen Kostümen, sehr viel Pyrotechnik und ein paar comicartigen Farbtupfen, die sich szenisch zu einer seltsamen Mixtur aus Villacher Fasching, Jerry Cotton-Typen und massentauglicher Walt Disney-Ware vermischten. Dabei fiel einmal mehr auf, dass die Papageno-Szenen besser gelangen (wobei sich über Humor bekanntlich streiten lässt), als die düster gehaltene Sarastro-Welt. Es scheint sehr unglaubwürdig, dass Tamino und Pamina sich darum reißen, in eine Gemeinschaft aufgenommen zu werden, deren Oberhaupt steif und mit dem Charme eines Aktenschrankes auf unter der Hose verborgenen Stelzen herumläuft; deren Mitglieder in dunkelgraue Uniformen gekleidet sind – die Männer mit Hüten und Mänteln wie Geheimdienstleute in alten Schwarz-Weiß-Filmen. (Die Zigaretten rauchenden „Geharnischten“ lauerten in „Dritter-Mann-Manier“ in einer Bühnenecke, entflammten die in den Bühnenuntergrund verbannte Feuerprobe mit einem ihrer Tschicks, und sangen derart das Loblied der Banalisierung auf die symbolkräftige Prüfungsszene.)

Die mickrige Sonne, die am Schluss aufging, ist vielleicht als Hinweis auf die magere Erleuchtung zu werten, die man im Rahmen dieser sektirerisch anmutenden Sarastro-Sozietät erlangen kann. Und vielleicht kommt in dieser Produktion die „Aufklärung“ bei der „Hintertür“ wieder herein: Hütet euch vor Sarastro und Konsorten, erklärt nicht jede Trivialität zum Kunstwerk, sonst setzt es siebenundsiebzig Sohlenstreich! Wie gut hat es hier Papageno, der mit seiner Papagena schlussendlich in den Schnürboden entschwebt. (Aber gerade diese „Pa-Pa-Pa-Szene“ war in der alten, auch nicht gerade „supertollen“ Produktion, witziger gelöst.)

Den Villacher Fasching steuerte eine Polizeitanztruppe mit Tutu bei, die plötzlich erschien, um Papageno und Pamina „einzufangen“ und musikgedrängt wie wild zu tanzen anfing. Ein Gag, an dem der Abend die Substanzlosigkeit schenkelklopfenden Humors bis zur Neige ausgekostet hat. Lei-lei! Und der „Walt-Disney“-Bezug ergab sich zum Beispiel aus den Kostümen der drei Damen oder aus Taminos weißer, orientalisch anmutender Pluderhose, eine Mischung aus Aladin, Sindband und Piratenfilmen – und er ergab sich aus der Königin der Nacht, ein Abklatsch von Glenn Close, aus tausendundeinpaar Dalmatinern (diese böse Frau, die nicht zu ihrem Dalmatinerfellmantel kommt). Die Königin der Nacht absolvierte zwei eigenartige Auftritte, beim ersten möglicherweise aus Frust betrunken, gerade dass sie sich Tamino nicht um den Hals warf, jedenfalls zog sie ihre Schuhe aus, und beim zweiten flogen gleich ein paar Sessel – beide Male angetan mit rotem Kleid. Gut gelöst war ihr Abgang nach der zweiten Arie, der hatte Zunder.

Dabei war der Beginn gar nicht so übel, ein riesiger Schlangenkopf als „Plastikspielzeug“, später die echten (!) Tauben für Papageno, der sie in seinen Vogelbauer lockte. (Doch Papageno hätte sich ein phantasievolleres Kostüm verdient.) Das Tierballett mit einem King-Kong-Affen, riesigem Eisbären, pfeilschnellen Straußenvögeln und „Harry Potter“(?)-Drachen wirkte trotz eifriger Statisterie wie eine Computeranimation, kam beim Publikum aber sehr gut an. Es gab also einiges zu sehen, aber die einzelnen Elemente haben sich für mich zu keinem sinnvollen Ganzen verbunden.

Sind erfahrene Opernbesucher in Sachen Regie ohnehin längst abgebrüht, traf sie die musikalische Seite dieser Aufführung härter. Brindley Sherratt als Sarastro hat sich wegen einer beginnenden Verkühlung entschuldigen lassen, und vielleicht hat der „Adel“ seines Basses darunter gelitten. Oder die Pamina von Chen Reiss, die den ganzen Abend über etwas hölzern wirkte, und deren Sopran von Timbre und Ausdruck Paminas Schmerzen und mädchenhaftes Begehren kaum zu beseelen wusste. Oder die Königin der Nacht von Olga Pudova, eine Sängerin mit „zwei Stimmen“, guten Spitzentönen, aber wenig attraktiver Mittellage.

Mehr Verdienste um die Aufführung erwarben sich Benjamin Bruns als Tamino und Markus Werba als Papageno – Werba hielt mit seinen Späßen den Abend am Laufen, auch bei seinem Ausflug ins Parkett im zweiten Akt, wo er sich vom Sarastrodonner angsterfüllt an BesucherInnen ranmachte. Werbas Bariton fehlte es aber ein wenig an Tiefe, um mit Nachdruck einen g’standenen Vogelfänger abzugeben. Bruns Tamino schien bei der „Bildnisarie“ noch etwas nervös, gewann dann zunehmend an Profil. Das lässt für die Zukunft einiges erhoffen.

Der Monostatos von Thomas Ebenstein bot eine ausreichende Charakterstudie. Die Bastonade wurde mit drei Hieben angedeutet und Monostatos musste immer gequält aufschreien. Papagena war zuerst keine alte Frau, sondern ein alter Krähenvogel, der viel krähte, und der gesprochene Text war akustisch schwer zu verstehen. Aber ist Valentina Nafornitas Sopran nicht schon ein Spur zu schwer für diese Soubrettenpartie? Die drei Knaben klangen uneinheitlich und für eine Premiere ungenügend. Besser, aber von der Regie zu aufgescheucht, waren die drei Damen unterwegs. Alfred Sramek gab sein Hausdebüt als Sprecher. Christoph Eschenbachs Dirigat blieb langatmig, akzentlos, im Klangbild unausgewogen. Der Schlussapplaus hielt sich in Grenzen. Wenige Buh- und wenige Bravorufe blieben für das Regieteam aufgespart.

PS: Sarastros erlegten und geopferten Damhirschen hätte ich jetzt fast vergessen. Welche Weisheitslehre ist mit diesem Requisit wohl verbunden? Und diese weiß beleuchteten Miniatur-Pyramiden ... Fazit: Die Volksoper hat jetzt die stimmigere „Zauberflöten“-Produktion im Repertoire.