ZAIDE
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Jugendstiltheater
21.5.2006
Premiere
inkl. Ouvertüre sowie Zwischenaktmusiken aus Thamos, König in Ägypten

Musikalische Leitung: Louis Langrée

Orchester: Camerata Salzburg
Chor: Mitglieder des Chores der Universität Wien

Inszenierung: Peter Sellars
Bühne: George Tsypin
Kostüme: Gabriel Berry
Licht: James F. Ingalls

Koproduktion: Wiener Festwochen mit Lincoln Center for the Performing Arts, New York, und Barbican Centre, London

Soliman - Russell Thomas
Zaide - Hyunah Yu
Gomatz - Norman Shankle
Allazim - Alfred Walker
Osmin - Terry Cook


Der gute Wille zählt fürs Werk....“
(Dominik Troger)

Der gute Wille zählt fürs Werk: Der Humanismus eines Peter Sellars kann zwar über die mäßige künstlerische Umsetzung dieser „Zaide“ nicht hinwegtrösten, aber er hat sich engagiert eines Themas angenommen, das auch abseits des Mozartjahres mehr Öffentlichkeit verdient hätte.

Dieses Thema lautet moderner Sklavenhandel, menschenverachtende Arbeitsverhältnisse bis hin zur herausfordernden Asylproblematik: Menschen, die arbeiten wollen, aber nicht dürfen. Um diesen politischen Aspekt herauszustreichen begann der Abend mit vier kurzen Statements – darunter eines, das an Authentizität schwer zu überbieten war: eine ausgebildete Elektroingenieurin aus Armenien, deren Asylantrag hier in Österreich seit Jahren läuft.

Authentizität mit allen Stärken und Schwächen – vielleicht lässt sich diese „Zaide“-Aufführung unter diesem Schlagwort subsummieren: die Aufführung eines „Bühnen-Fleisch“ gewordenen Mozart-Fragmentes, das Peter Sellars mit Ouvertüre und Zwischenaktmusiken aus „Thamos, König in Ägypten“ zu Opernabend-Länge (2,5 Stunden & Pause) aufgefettet hat. Doch nach getaner Vorstellung bleibe ich skeptisch – das Schicksal jener Armenierin in Mozarts-„Entführungs“-Vorstufe zu finden, fällt mir schwer. Das politische Programm, das Sellars Mozart überstülpt, erscheint so unhinterfragt, wie die betuliche Bühnenauthentizität, mit der die DarstellerInnen ihren Emotionen Ausdruck verleihen mussten.

Sellars hat um „Zaide“ eine schlüssige Handlung gebaut und eine Substandard-Textilfabrik senkrecht vor der eigentlichen Bühne des Jugendstiltheaters hochgezogen – mit Nähmaschinen bestückt. Dort wird sklavenmäßig gearbeitet, dort flammt die Liebe zwischen Zaide, Gomatz und Sultan Soliman – der hier mehr Fabrikchef, Ausbeuter, Menschenhändler ist. Ob sich Soliman am Schluss für Gewalt entscheidet oder einlenkt, das bleibt offen. Sellars lässt die Aufführung mit dem Quartett enden, nach dem Mozarts Komposition abbricht.

Eindeutiger Schwachpunkt aber war die stereotype Personenregie, die überbetonend und langsam die Emotionen in großen Gesten pseudo-pantomimisch festschrieb. Besonders drastisch wurde einem das beim Melolog des Gomatz vor Augen geführt, dessen rezitativischer Text gestrichen worden war – und bei den Thamos Zwischenaktmusiken, die nur der Zeitdehnung dienten, um mit zerdehnender Gestik aufgefüllt zu werden. Sollte das ebenso Betroffenheit evozieren wie die Generalpausen in den Arien? (Diese scheinen zunehmend zur zweifelhaften Mode zu werden.)

Musikalisch passierte wenig Aufregendes. Die SängerInnen wirkten jung und engagiert, teils wohl noch in Ausbildung begriffen? Dem Sultan (Russell Thomas) und Osmin (Terry Cook) folgte ich mit Aufmerksamkeit, der Gomatz (Norman Shankle) rangierte eher am unteren Ende der Darbietungsskala. Die Sängerin der Zaide, Hyunah Yu, war vor wenigen Tagen noch indisponiert gewesen und sang mit kleiner, zartfühlender Stimme. Das Orchester wurde teils forciert, teils glich sich das Dirigat dem einschläfernden Bühnentempo an. Insgesamt betrachtet wurde das Niveau der konzertanten Aufführung im Musikverein im März (Concentus Musicus unter Nikolaus Harnoncourt) nicht einmal annähernd erreicht.

Der Applaus war sehr freundlich, aber ich verließ rasch das Theater, der Autobus der Linie 48A lockte schon zur nächtlichen Talfahrt. (Beginn 20.00, Ende nach 22.30, dann doch noch zehn Minuten warten auf den Bus...) Sellars bekam einige Bravorufe. Im Publikum sah man jede Menge Festwochen-Prominenz und sogar den Staatsoperndirektor.