LA CLEMENZA DI TITO
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Staatsoper
15. Mai 2014


Dirigent: Adam Fischer


Tito - Toby Spence
Vitellia - Veronique Gens
Servilia - Valentina Nafornita
Sesto -Michèle Losier
Annio - Margarita Gritskova
Publio - Alessio Arduini

Stumme Rolle der Berenice: Jennifer Larunsi


Wenig Glanz im Repertoire

(Dominik Troger)

Die weiblichen römischen Straßenkehrerbrigaden dürfen an der Staatsoper wieder ausrücken, um im zweiten Akt von „La clemenza di Tito“ ein paar bröselige Brandrückstände auf breite Schaufeln zu fegen. Aber wenigstens leuchten dabei die orangen Warnwesten der langbeinigen magistralen Putzfeen frisch und freundlich von der Bühne.

Wenn sich der Putztrupp zwischen den in Abendgewandung gekleideten, stimmlich präsenten Chor mischt, der sich mit Notenpulten wie zu einem Konzert „arrangiert“, ist das natürlich besonders „kontrastreich“. Regisseur Jürgen Flimm wollte, wie im aktuellen „Prolog“, der Publikumszeitschrift der Wiener Staatsoper, nachgelesen werden kann, bei „seinem“ Titus „die Apotheose der Güte“ in Frage stellen und das Verhältnis der Figuren „neu beleuchten“. Sein „boderliniger“ Titus wurde in der Premiere von Michael Schade noch entsprechend dargestellt – aber seither weiß offenbar kein Titus-Sänger mehr, wie extrovertiert er sich eigentlich in diesem Bühnenumfeld zu gebärden hätte, damit die Zuschauer kapieren, warum in diesem schäbigen Palastambiente langbeinige Models eine Bar bevölkern oder als Schnapsleichen herumhängen.

Flimms Inszenierung erweckte aber schon bei der Premiere vor zwei Jahren den Eindruck, als habe sich der Regisseur den Fragen, die die „Clemenza“ aufwirft, nicht wirklich gestellt, sondern als habe er im Apothekerschrank aktuell gängiger (deutscher) Theaterpraxis gewühlt, um ein paar bewährte publikumsverstörende Hausmittelchen hervorzukramen. Dem „bürgerlichen“ Staatstheater-Publikum (das es eigentlich gar nicht mehr gibt) wurde dabei eins ausgewischt – und dem Haus ist die Verwertungsmöglichkeit von Elektronikschrott vielleicht sogar entgegengekommen: und so dürfen auch ein paar alte Röhrenbildschirme als kapitolinischer Brandschaden die Bühne zieren. Freilich, dem Abo-Publikum ist mit solchem „Ramsch“ nicht mehr beizukommen, das Stammpublikum – wie dieser Abend bewies – verirrt sich ohnehin nur spärlich in einen unspektakulär besetzten „Titus“ – und die Touristen, die sind ohnehin eine beständig sich erneuernde Einnahmequelle. Also, was solls?

Doch um einen schon weiter oben gesponnenen Faden wieder aufzunehmen: Toby Spence als milder Herrscher war natürlich ebenfalls stark von dieser „Milde“ überzeugt und hat sich nicht wüst und mit psychopathischen Anflügen garniert durch die Rolle bewegt. Er besitzt einen hellen, typisch „britischen“ lyrischen Tenor, der für den Titus schon etwas wenig „Farbe“ mitbringt. Spence sang an diesem Abend mit leicht gerauter und etwas angespannter Stimme, was grundsätzliche Zweifel daran aufkommen ließ, ob ihm die Partie wirklich „konveniert“.

Veronique Gens war als Vitellia zurückhaltende Gegenspielerin, und das leicht dunkel gefärbte Timbre ihrer Stimme hat sie zu wenig von Sesto, Annio und Servilia abgesetzt. Gens sang und spielte die Vitellia zu „seriös“, zu getragen, um mit ihren Gefühlen den Treibsatz Sesto zu zünden, dessen „Revolution“ schließlich den Palast in Brand steckt. Für ein paar unschöne Spitzentöne haben andere Vitellias auch schon gesorgt, aber dort war meist eine hysterische Energie spürbar, die diese Partie wohl benötigt, um die Handlung für das Publikum spürbar weiterzubringen. „La clemenza di Tito“ ist nicht unbedingt der große „Bühnenreißer“ – es kann, wie an diesem Abend, schnell etwas langatmig werden.

Michèle Losier gab in dieser Vorstellungsserie ihr Hausdebüt. Sie musste sich als Sesto dem Vergleich mit Elina Garanca (Premiere) und Magdalena Kozena (erste Reprisenserie) stellen. Losiers Mezzo rundete sich nicht wirklich zu einem vollen, warmgetönten Bukett, wurde zu oft von einem Flackern begleitet, das bei lyrischen Passagen und Koloraturen störte. Andererseits vermochte sie der Figur einiges an Profil zu verleihen.

Margarita Gritskova punktete mit ihrer dunkelglänzenden Tiefe und Mittellage, stieß beim „Tu fosti tradito“ auf einige Herausforderungen und musste sich die Spitzentöne mit zuviel Kraftanstrengung erarbeiten. Valentina Nafornita feierte an diesem Abend ihr Rollendebüt am Haus als Servilia, nachdem in der ersten Vorstellung der Serie noch Chen Reiss für die ursprünglich angesetzte Ileana Tonca aufgeboten worden war. Die Sängerin machte in dieser Partie nicht nur als Bühnenerscheinung eine gute Figur – einige wenige scharfe Spitzentöne ausgenommen. Alessio Arduini sang einen mehr „weich“ gestimmten Publio, der sich – ebenfalls im Widerspruch zum ursprünglichen Inszenierungskonzept – nicht sehr „forsch“ in Szene setzte. Das Orchester unter Adam Fischer spielte etwas langatmig – mit schon zu „romantischer“ Klangfärbung.

Das Publikum spendete hin und wieder Szenenapplaus, zum Schlussvorhang auch einige Bravorufe. Gens und Spence gaben in dieser „Titus“-Serie ebenso ihr Rollendebüt am Haus wie Margarita Gritskova (Annio), Valentina Nafornita (Servilia) und Allesio Arduini (Publio). Bei der hier besprochen Vorstellung handelte es sich übrigens um die zweite in dieser Serie und die elfte seit der Premiere.