LA CLEMENZA DI TITO
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Kammeroper
13. April 2014
Premiere

Dirigent: Rubén Dubrovsky

Inszenierung: Alberto Triola
Choreographie: Nikos Lagousakos
Bühne: Tiziano Santi
Kostüme: Nina Hörner
Licht: Franz Tscheck

Bach Consort Wien

Tito - Andrew Owens
Vitellia - Cigdem Soyarslan
Servilia - Gan-ya Ben-gur Akselrod
Sesto -Gaia Petrone
Annio - Natalia Kawalek-Plewniak
Publio - Igor Bakan


Kammerspiel der Gefühle

(Dominik Troger)

Nach der „Lohengrin“-Premiere an der Staatsoper wurde der Wechsel zu Mozart als durchaus angenehm empfunden: „La clemenza di Tito“ wurde in der Kammeroper in einer reduzierten Orchesterfassung ohne Chor gegeben und ganz „unpolitisch“ auf die Solisten zugeschnitten.

Im Zentrum der Inszenierung von Alberto Triola standen die emotionalen Konflikte der Protagonisten und deren existentiellen Erfahrungen mit Liebe, Treue, Eifersucht, Verrat. Und es war überraschend wie nahe dieser verschlankte Titus plötzlich an die „Cosi“ heranrückte – als ein Beziehungsdrama, das unter der Oberfläche einer antiken Vorlage dahinschwelt und schließlich auflodert wie der von Vitellia angestachelte und von Sesto ausgeführte Aufstand. Durch diese Konzentration auf die einzelnen Gefühlszustände wurde die schlusswaltende Milde des Titus als Entschluss emotional begründet und nicht als Notwendigkeit aufklärerischer Moral.

Die von Tiziano Santi eingerichtete Bühne wurde im ersten Akt mit einem drehbaren klassizistischen „Marmor“-Segment bestückt, zusammengesetzt aus zwei fast halbkreisförmigen Sitzbänken und einer Stele – wie man sie im Schatten barocker Gärten finden könnte. Im zweiten Akt diente die Rückseite eines „Bronze“-Hauptes als markanter Blickfang, möglicherweise der Rest einer überlebensgroßen Titusfigur, die bei der „Palast“-Revolution kaputt gegangen ist. Sie war so groß, dass sich Titus in eine Nische kauern konnte. Wichtige Requisiten waren weiße Masken, möglicherweise das Gesicht des Titus darstellend, seltsam unter den Augen bandagiert, ein Spiegel, ein Schleier, im zweiten Akt senkten sich ein paar weiße Marmorköpfe bedrohlich vom Schnürboden.

Das Spiel der Protagonisten mit diesen Masken, die sie sich beispielsweise mit der Hand vor das Gesicht hielten, war trotz naheliegender Verortung bei Betrug und Täuschung nicht wirklich zu durchschauen – hat aber durch die damit einhergehende leichte Verfremdung dem Gesamteindruck nicht geschadet. Die Kostüme (Nina Hörner) reichten von einer Art Fechtwams für Annio, über ein mehr „punkartiges“ Aussehen mit kurzer „Irokesenfrisur“ bei Sesto, hin zu einem eher orientalisch gekleideten Titus, Stirn und Augen mit Goldflitter gerahmt und von einem runden Käppchen behütet. Bei Vitellia und Servilia gab es Kleidervariationen – wobei Vitellia mit dunklem Kleid und einer freien Schulter auch in der Garderobe die anrüchige Unausgewogenheit ihres Charakters symbolisiert fand. Auffallend war die enge, wohl mehr als platonisch gedachte Beziehung, die die Regie zwischen Sesto und Titus dem Publikum im zweiten Akt nahelegte.

Die Szene unterstützte in ihrer Einfachheit die lyrische Unaufgeregtheit des Abends, die auch durch die jungen Stimmen der Sängerinnen und Sänger befördert wurde, und dieser Opera seria – dem Spielort angemessen – ein mehr intimes, kammermusikalisches und kein höfisch-repräsentatives Äußeres verlieh. Das Bach Consort Wien unter Ruben Dubrovsky ging es allerdings etwas spröder an – und die Zuhörer durften sich im Klang ein wenig an die Harnoncourt-Mozart-da Pont’sche-Auslegung im Theater an der Wien erinnert fühlen. Es gab zwar ein paar solistische Unsauberkeiten, die bei der kleinen Orchesterbesetzung schon zu deutlich herausstachen, aber der Gesamteindruck war durchaus reizvoll in seiner Konzentration auf das „musikalisch Wesentliche“.

Das junge Sängerteam kam über weite Strecken mit den technischen Anforderungen der Partien gut zurecht. Andrew Owens hinterließ im Laufe des Abends als Titus einen immer stärkeren Eindruck. Sein lyrischer Tenor vereinte im Timbre klassizistische Klarheit mit einem Hauch von südländischer Wärme, wodurch dieser mild gestimmte, aber souveräne Herrscher sehr gut charakterisiert wurde. Die emotionalen Erschütterungen wurden ohne Übertreibung dargeboten, dieser Kaiser hatte sich schnell wieder in seiner Gewalt.

Den Sesto hat Gaia Petrone mit ihrer burschikosen Art von der stürmischen Liebe bis zur seelischen Selbstaufzehrung begleitet. Sie bettete Sesto auf ihren weichen, leicht dunklen Mezzo, der nur bei einigen Spitzentönen „aus der Reserve“ gelockt wurde. Cigdem Soyarslan war als Vitellia am richtigen Ort: Ihr Sopran ist „dramatischer“ geworden, etwas kantig, im Timbre schon eine Spur metallisch: eine jugendliche, stimmlich markante Vitellia (mit einigen Problemen in der Tiefe), die sich zwischen forschem Aufbegehren und späten Reuetönen zu positionieren wusste.

Gan-ya Ben-gur Akselrod sang eine stimmlich zarte, noch sehr lyrisch orientierte Servilia, Natalia Kawalek-Plewniak gab einen besonders in den Rezitativen ausdrucksstarken Annio, Igor Bakan steuerte als Publio seinen Bassbariton bei. Der Schlussapplaus war stark. Aber je kleiner das Haus, umso „familiärer“ die Premieren. Über einen Erfolg oder Misserfolg lässt sich daraus wenig ablesen. Der „Titus“ ist allerdings ein Werk, das von den Zuhörern auch ein bisschen „geliebt“ werden möchte (sonst kann er einem – trotz seiner Kürze – etwas „lang“ werden).