LA CLEMENZA DI TITO
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Staatsoper
Premiere
17. Mai 2012

Dirigent: Louis Langrée
Inszenierung: Jürgen Flimm
Bühne: Geroge Tsypin
Kostüme: Birgit Hutter

Tito - Michael Schade
Vitellia - Juliane Banse
Servilia - Chen Reiss
Sesto - Elina Garanca
Annio - Serena Malfi
Publo - Adam Plachetka
Berenice - Jennifer Larunsi


Nachtkritik: Müll auf der Staatsoper
nbühne
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper versucht es wieder einmal mit Mozarts „Titus“ und scheitert dabei großflächig. Die Sänger, allen voran Elina Garanca, retteten den Premierenabend.

Mozarts letzte Oper, ein Auftragswerk für die Krönung Leopold II, hat so gar nichts von dem, was sich zeitgemäße Regisseure wünschen. Die Oper singt ein Loblied auf einen milden aufgeklärten Herrscher – und das wars auch schon. Dass das Werk im Vergleich zu den bekannteren Werken Mozarts musikalisch weniger „zwingend“ ist – darüber hat sich sogar schon Richard Wagner seine Gedanken gemacht. Er schob es aufs Textbuch – und das hat etwas für sich, denn seine „aufklärerische Moral “wird hier durch keine da Ponte’schen Doppelbödigkeiten abgemildert.

Jürgen Flimm ging gleich ganz zur Sache und suchte im „Titus“ das große „Endspiel“, und er verpasste dem milden Herrscher eine von hinterhältiger Aggression gequälte Psyche, die dieser durch rüden Umgang mit seinen Mitmenschen artikulierte. Michael Schade war offenbar dazu angehalten worden, den Titus entsprechend zu singen. Eine musikalisch fragwürdige Vorgangsweise und dem Gesamteindruck wenig dienlich. Immerhin hat Flimm dem Staatsopernpublikum ein blutiges Finale erspart. Titus lässt überraschender Weise Milde walten, aber man hat kein gutes Gefühl dabei.

Die Bühnenoptik, in der die Flimm’sche„Psychoanalyse“ ablief, war wenig ansprechend. Schon vor der Pause wurde durch zwei schräge Stellwände auf offener Bühne das Ambiente eines schäbigen Palastes vorgestellt, in dem Models und ein paar kaputte Typen herumlungerten – und gleich einmal klar machten, welch Geistes Kind dieser Kaiser Titus ist. Nun, Flimms Vorliebe für dümmlich aussehende Models kann man vielleicht als Altherrenphantasie abtun, vor allem, wenn sie sich dann noch verschwörerisch eine „Knarre“ abholen und gewehr- und stöckelschuhbewaffnet abmarschieren ...

Nach dem fatalen Brand des Kapitols wurde auf der Bühne allerhand Müll drapiert, verrußte Metallfässer, kaputter Elektronikschrott und so weiter. Das Aufstöhnen im Publikum war unüberhörbar, als sich der Blick auf diese „Brandrückstände“ öffnete. Aber ein MA48-affiner Putztrupp, mit orangen Warnwesten angetan, sorgte nach und nach wieder für Ordnung. Vitellia sprach zudem reichlich dem Alkohol zu. Die Beziehung zwischen Sesto und Titus wurde noch durch Zettel verdeutlicht, die Titus Sesto anklebt, „Verräter“ und „Mörder“ nennt er ihn auf diesen. Dann schmiss Titus ein paar Sessel durch die Gegend, um seine Aggressionen zu unterstreichen.

Man sollte aber den Stab nicht über der Regie brechen, ohne den Dirigenten in diese Kritik einzubeziehen. Louis Langrée hatte mindestens genauso viel Anteil an diesem misslungenen Abend. Sein spannungsloses, zerdehntes Dirigat zerfledderte die Handlung und den musikalischen Fluss ebenso so nachhaltig. Was blieb, waren die Sänger – allen voran Elina Garanca. Es tat einfach gut, sie wieder Mozart singen zu hören. Ihre Stimme klingt jetzt ausgeruhter als noch vor der Babypause. Die goldene Farbe in ihrem Timbre, ihre Fähigkeit leidenschaftlich und doch gefasst ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, realisierte viel von der gehobenen, klassizistischen Grundhaltung dieses Werkes – eine Grundhaltung, an der die Regie achtlos vorübergegangen ist.

Michael Schade hat, wie schon angemerkt, den Titus interpretatorisch sehr stark in eine bestimmte Richtung gedrängt. Sein satt timbrierter Tenor bot noch immer viel Mozart-Genuss, wies aber schon über die Fachgrenzen hinaus. Adam Plachetka sang einen prägnanten Publio, Chen Reiss fehlte bei tadelloser Leistung für die Servilia der blühende Mozartklang, und Juliane Banses Vitellia, deren Sopran vor der Pause schon etwas angegriffen klang, konsolidierte sich in ihrer letzten Arie (bis auf wenige Passagen, die der Sängerin nicht zu liegen scheinen). Aufhorchen ließ Serena Malfi (Annio) mit hübscher Mozart-Stimme.

Viele Buhrufe begleiteten Jürgen Flimm, der aber mehrmals mit dem Ensemble vor den Vorhang trat und sich tapfer der weitgehend ablehnenden Meinung des Publikums stellte. Louis Langrée wurde wenig beklatscht, ohne Missfallensbezeugung. Dass Garanca den meisten Jubel abbekam, wird niemanden verwundern. Der Applaus wurde an diesem Abend recht gut vom Publikum entsprechend der erbrachten Leistungen abgestuft.