LA CLEMENZA DI TITO
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Theater
an der Wien Dirigent:
Paolo Carignani Wiener Symphoniker |
Titus - Kurt Streit |
Bedeutungsschwangere Leerläufe (Dominik Troger) Das Publikum war an diesem Abend nicht so „milde“ gestimmt wie „Titus“: Regie und Dirigent erhielten einiges an Missfallensbezeugungen. Aber zum Glück gabs Elina Garanca, die mit ihrem Sextus die teilweise ermüdenden Leerläufe dieses Abends vergessen machte. Nicht sehr glücklich geriet diese Koproduktion mit der Oper Frankfurt: Neben einer einigermaßen bemühten und teilweise langatmigen Inszenierung stellte vor allem die rüde Orchesterbehandlung des Frankfurter Generalmusikdirektors Paolo Carignani die Geduld der Wiener Opernfans auf eine harte Probe. Sicher, „Titus“ ist ein „eigenes“ Werk, Mozart und doch nicht der Mozart, wie man in landläufig kennt, gepaart mit einem noch barock zu nennenden Aufklärungsdrama, dessen tugendbetonende Emblematik längst abgeblättert ist. Regisseur Christof Loy erkannte darin eine „Utopie“ – nachzulesen im Programmheft zur Aufführung – und bemühte sich, in einem heutigen Inszenierungsrahmen, die angelegten Konflikte als sehr persönliche Gefühls- und Lebensäußerungen zu begreifen. Dabei setzte er auf eine teils überdeutliche, sehr alltagsmäßige Gebärdensprache, die vor allem den Eindruck erweckte, als studierten schlechte Schauspieler vor einem Spiegel ihre Rollen ein. Dazu kamen jede Menge an Kunstpausen – sogar bis in die Arien hinein – von Loy offenbar als besonders spannungsfördernde Strukturelemente eingestreut, die aber das Gegenteil bewirkten. Seltsam künstlich war das Ergebnis, auch seltsam unpolitisch: Loy hat diesen Titus ins Private verlegt, ein Drama in Kreisen der „besseren Gesellschaft“, auf die aber der eigentliche Konflikt des Titus – Kaiser, Gesetzeshüter und Freund, also letztlich eine politische Gratwanderung – gar nicht zutrifft. Zwar posiert Titus einmal kurz vor einer Spanplattenquadriga, im Hintergrund ein großer Ölschinken (offenbar ein Fototermin), aber sonst bewegt er sich mehr wie ein auswechselbarer Geschäftsmann über eine eher karge (Dreh-)Bühne und versucht dem Publikum zu erklären, warum er so verzweifelt ist. Gleich am Beginn stürzt Vittellia mit outrierender Hysterie ins Luxusappartement mit Doppelbett. Eine egoistische, liebes- und machthungrige Frau, deren Wandlungsfähigkeit zu aufopfernder Reue schwer vorstellbar ist. Die Szene vor dem brennenden Kapitol spielt beim Hintereingang in einen modernen, etwas abgenutzten Veranstaltungssaal, ein Fernseher, Kühlgeräte, Flaschenkisten. Durch eine Türe raucht es heftig. Sextus lehnt an der Wand, gleich neben dem Kühlschrank. Sein seelischer Schmerz muss wirklich sehr groß sein. „No future-Stimmung“ macht sich breit. Und die hält an bis zum Schluss. Später sitzt Titus in einer Kantine herum. Dort trifft er auch Sextus zur letzten Aussprache. Das Erschießungskommando mit Maschinenpistolen – und das Happy end, das aber nicht sehr glücklich wirkt. Ist das wirklich alles gewesen? Zum Glück nicht, weil Elina Garanca als Sextus den Abend rettete und mit ihrem vollrunden Mezzo das Theater an der Wien durchstrahlte. Der Schmerz des Sextus, sein Sehnen, seine Todesbereitschaft spiegelten sich in dieser Stimme – und forschten am emotionalen Kern dieser Figur. Darstellerisch war sie natürlich ins Gesamtkonzept eingebunden auch sängerisch, und ich finde, sie hätte noch weit betörender gewirkt, wäre nicht die musikalische Linie so rigide gewesen. Kurt Streit war leider nicht in bester Form, wirkte angestrengt und forcierte viel zu stark. Die Bravourarie „Se all‘ imperio“ bereitete ihm einige Mühe. Seinen darstellerischen Intellekt konnte er bei dieser eigentümlich einstudiert wirkenden Personenregie nicht ausspielen. Silvana Dussmann schmiss sich darstellerisch sehr griffig auf die böse Vitellia – die Reue kam dann doch sehr abrupt über sie. Stimmlich „vergriff“ sie sich vor der Pause ein, zweimal in der Höhe und wirkte für die sängerischen Anforderungen Mozarts nicht sehr disponiert. Nach der Pause lief es viel besser. Annius, Jenny Carlstedt, bot eine solide Leistung mit hübscher Stimme, die mir aber nicht allzu groß vorkam.Britta Stallmeister, Servilia, steuerte immerhin zwei zarte Pianohöhen bei, agierte ansonsten wenig auffallend. Ähnliches gilt für Simon Bailey (Publius). Wieder sehr engagiert: der Arnold Schönberg Chor. Wenn schon die Inszenierung nicht wirklich was zu sagen hatte, Paolo Carignanis Dirigentenergebnisse waren schwer zu überhören. Dass er die Akustik des Hauses nicht in den Griff bekommen haben dürfte, ist eine Sache, eine andere ist die mutwillige Zerstückelung von Mozarts tief berührenden musikalischen Spannungsbögen. Die wurden einfach filetiert – und das Publikum mit Betroffenheitshäppchen stückweise abgefüttert. Immerhin wusste man beim Frankfurter Generalmusikdirektor schon nach der Ouvertüre, woran man ist. Die klanglichen Möglichkeiten eines Orchesters scheinen ihn wenig zu interessieren. Forsch und laut lenkten die Pauken alle Aufmerksamkeit auf sich und vermittelten den Eindruck, als wollte er gründlich alle Mozartreminiszenzen aus diesem denkwürdigen Opernhaus vertreiben. Und kaum dass er später den SängerInnen zugestand, ihre Arien richtig auszusingen. Da zerbröselte die musikalische Linie im Orchestergraben zu kurz angerissenen Themen, zerfaserten instrumentale Soli, die eigentlich Zwiesprache mit der Bühne halten sollten, in knapp bemesse Klangeffekte – und auch wenn sich das schon stark nach musikalischen Interpretationstechniken der Moderne anhört, es wirkte an dieser Stelle außerordentlich deplaziert. Am Schluss gab es einen teils heftigen Meinungswettstreit, vor allem Carignan wurde mit deutlichen Buhrufen bedankt – aber auch die Regie kam nicht ohne Buhs davon. Der ganze Jubel gehörte Elina Garanca, für die übrigen Mitwirkenden gab es viel Applaus in unterschiedlichen Abstufungen. |