LA CLEMENZA DI TITO
Aktuelle Spielpläne & Tipps
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Wiener Volksoper
8.3.2005


Dirigent: Marc Piollet

Titus - Kobie van Rensburg
Vitellia - Melba Ramos
Servilia - Birgid Steinberger
Sextus - Antigone Papoulkas
Annius - Daniela Sindram
Publius - Josef Wagner


Zu viel Aufklärung?

(Dominik Troger)

Die Volksoper hat rechtzeitig zum herannahenden Jubeljahr Mozarts „Titus" wieder in den Spielplan aufgenommen. Das Plädoyer für eine „aufgeklärte Selbsterkenntnis" des Menschen ist heute genauso aktuell wie vor 200 Jahren, auch wenn sich die politischen Rahmenbedingungen geändert haben.

Vielleicht liegt es an dieser offensichtlichen „volksbildnerischen Grundhaltung", dass „Titus" nach wie vor in der Gunst des Opernpublikums zurücksteht. Auch als biederer Bürger eines demokratischen Landes wird man „Titus" gegenüber den Verdacht nicht los, dass er – nach politischem Kalkül – ziemlich naiv handelt. Das Ideal weiß nichts von der Verbissenheit der Menschen, ihren zwanghaften Macht- und Liebestrieben und stellt eine Besserungsmöglichkeit in Aussicht, die schon fast einem Wunder gleichkommt. Don Juan holt der Teufel. Vitellia ist jedes Mittel recht, um gegen Titus vorzugehen, aber am Schluss kommt die Selbsterkenntnis über sie. Der erhobene Zeigefinger der Moral, den da Ponte und Schikaneder zwischen amüsanten, doppelbödigen „Fingerpuppen" versteckt haben, droht hier ziemlich nackt und unbarmherzig ins Auditorium.

Die Fachwelt mag darüber streiten, ob sich in den langen (Accompagnato-)Rezitativen nicht doch mehr abspielt als kompositorische Eile. Sind nicht sie die eigentlichen Träger der psychologischen Entwicklung? Im Programmheft der Volksoper gibt es einen Aufsatz von Derek Weber, der diesbezüglich den Begriff von einer „dramatischen Zuspitzung des Wortes“ prägt. Eine Aussage, die zB. Richard Wagner wohl nie hätte gelten lassen. Er notierte betreffend Mozart und „Titus" in „Oper und Drama“ (1852): „Die große, edle und sinnige Einfalt seines rein musikalischen Instinktes, d. h. des unwillkürlichen Innehabens des Wesens seiner Kunst, machte es ihm sogar unmöglich, da als Komponist entzückende und berauschende Wirkungen hervorzubringen, wo die Dichtung matt und unbedeutend war. (..) O wie ist mir Mozart innig lieb und hoch verehrungswürdig, daß es ihm nicht möglich war, zum »Titus« eine Musik wie die des »Don Juan«, zu »Cosi fan tutte« eine wie die des »Figaro« zu erfinden: wie schmählich hätte dies die Musik entehren müssen!"

Die Aufführung an der Volksoper war jedenfalls auf einem Niveau, das besondere „Milde" der Zuschauer nicht in Anspruch nehmen musste. Marc Piollet sorgte für einen geradlinigen, schnörkellosen Mozart, was der mehr abgeklärten musikalischen Grundhaltung des Werkes nicht im Wege stand. Trotzdem wurden Details in der Instrumentierung nicht übergangen. Kobie van Rensburg gab sein Volksoperndebut und zeichnete die Hauptfigur mit einer markanten, mehr ins Charakterfach spielenden Stimme. Sein Titus ist kein Schöngeist, der Herrscher steht im Mittelpunkt, der vernunftgeleitete Herrscher. Er nützte im zweiten Aufzug die Rezitative geschickt, um sich als Persönlichkeit zu profilieren und stellte auch in den Arien seinen Mann.

Die Stärken der „Vitellia“ von Melba Ramos (Rollendebüt) liegen im zweiten Akt, wo es nicht mehr auf Rache, Eifersucht und Power ankommt. Da belohnte sie die ZuhörerInnen mit einer lyrischen, sehr stimmig vorgetragenen „Selbstbesinnung“. Beeindruckend das Rollendebüt von Antigone Papoulkas als Sextus: Sie bot eine gelungene Studie dieses zwischen Liebe und Freundschaft hin- und hergerissenen Charakters, ihr schlanker Mezzo ist getragen von einem angenehmen, warmen Timbre. Auch Daniela Sindram (Annius) fügte sich gut ins positive Gesamtbild, ebenso Josef Wagner (Publius). Nicht den allerbesten Tag dürfte Birgid Steinberger (Servilia) erwischt haben.

Das Bühnenbild assoziiert eine Monumental-Architektur zwischen Reichskanzlei und römischem Pantheon. Zwei weißgraue Plastiklautsprecher an den tragenden Säulen der Bühnenmitte verweisen offenbar ins 20. Jahrhundert. Auch die Kostüme des Wachpersonals und des Volkes haben so einen deutschen 30er-Jahre Einschlag, der sehr befremdlich wirkt. Zeitloser sind die Hauptpersonen gekleidet. Die Personenregie wirkte eher statisch. Aber ich habe die Premiere im Februar 1997 versäumt, kann also keine Vergleiche anstellen. (Es war überhaupt erst die 14. Aufführung dieser Produktion). Die Inszenierung stammt von Nicolas Brieger, Bühnenbild Raimund Bauer, Kostüme Jorge Jara. Der Brand von Rom lodert mit einer kniehohen Flammenwand auf, das ist effektvoll gelöst. Gesungen wird – überraschender Weise – in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

Das Publikum (bei viel freien Plätzen) klatschte länger als an der Volksoper üblich und ließ sich auch zu Bravorufen hinreißen. Die Auslastungszahlen wird diese Produktion trotzdem nicht in die Höhe treiben. Aber hier gilt es der „Ehre“. Sollten in Wien nicht alle „großen“ Mozart-Opern im Repertoire gepflegt und aufgeführt werden?