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„Singspiel anno 1790“
(Dominik Troger)
Ein
Jahr vor der „Zauberflöte“ wurde am Freihaustheater auf der Wieden das
Singspiel „Der Stein der Weisen oder Die Zauberinsel“ uraufgeführt. In
einer konzertanten Aufführung im Theater an der Wien konnte sich das
Publikum jetzt selbst ein Bild davon machen, ob und wie
stark dieses Werk als Vorbild für die „Zauberflöte“ gedient haben
könnte.
Das
Singspiel „Der Stein der Weisen oder Die Zauberinsel“ wurde am 11.
September 1790 uraufgeführt. Feen und orientalische Märchen waren damals groß in
Mode. Erst wenige Jahre zuvor war die Märchensammlung „Dschinnistan“
von Christoph Martin Wieland erschienen. Zudem war das Leopoldstädter
Theater, die
Konkurrenz von Emanuel Schikaneders Freihaustheater, gerade dabei, mit
der exotischen Kostümoper „Das
Sonnenfest der Brahminen“ einen großen Erfolg zu verbuchen.
Schikaneders Truppe musste dagegenhalten, um kein Publikum zu verlieren
und um die Kasseneinnahmen zu sichern. So wurde in Windeseile und im
Teamwork der „Stein der Weisen“
aus dem Hut gezaubert. (Siehe dazu Kurt Homolkas Schikaneder Biographie
„Papageno – Emanuel Schikaneder. Der große Theatermann der
Mozart-Zeit“, die 1984 beim Residenz Verlag erschienen ist.)
Neben dem federführenden Kapellmeister und Komponisten Johann Baptist Henneberg, steuerten der Bass
Franz Xaver Gerl, der Tenor Benedikt Schack, Emanuel Schikaneder selbst
und Wolfgang Amadeus Mozart Musiknummern zum „Stein der Weisen“ bei.
Die Handlung basiert auf damals typischen Figurenkonstellationen: ein
hohes Paar (Nadir und Nadine) und ein komisches, niederes Paar (Lubano
und Lubanara) werden mit höheren Mächten
konfrontiert. Die Halbgötter (der gute Astromonte und sein böser Bruder
Eutifronte) sorgen für das Zauberwesen und bilden die Grundlage für
allerhand „Action“, die auf die beiden genannten Paare zukommt.
Das Werk wurde wirklich ein Erfolg. Aber als Schikaneder das Singspiel
einige Jahre später in das Theater an der Wien übernahm, blieb der
Erfolg überschaubar, wenn man Rezensionen trauen darf. Offenbar war der
Publikumsgeschmack bereits dabei sich zu verändern. Die „Zeitung für
die elegante Welt“ (11. Oktober 1804) notierte dazu:
„Noch deutlicher zeigte sich diese Stimmung des Publikums im 'Stein der
Weisen', einer alten Oper von Schikaneder, die vor vielen Jahren ganz
ungemein gefallen hatte. Jetzt wurde sie sehr kalt aufgenommen, und am
zweiten Tage war das Theater leer.“
Die Parallelen zur „Zauberflöte“ betreffen
Textpassagen, Musiknummern, Figuren. Die „Zauberflöte“ ist
dramaturgisch aber konsistenter gearbeitet und Mozarts Musik verschmilzt vorhandene Handlungsbrüche. Der „Stein der
Weisen“ wirkt stilistisch beliebiger, wenn etwa Singspielton, Opera-seria-Arien oder ein Jägerchor in „vorausgeahnter“ „Freischütz“-Manier Hand in Hand gehen. Mozart hat sich beim
Komponieren der „Zauberflöte“ an die eine oder andere Nummer ein wenig
„erinnert“, die Erwartungshaltungen des Publikums „weitergesponnen“.
Besonders auffällig sind die Parallelen beim komischen Paar, was auch
nicht überrascht, weil Schikander als Darsteller des Lubano und als
Papageno dafür gesorgt hat, dass er seinen Humor wirkungsvoll
hier wie dort „unterbringen“ kann.
Es gibt inzwischen schon einiges an Literatur zu
diesem Thema. Die Partitur wurde im Jahr 2007 von David J. Buch herausgegeben. Dort findet sich auch ein aufschlussreicher
Vergleich der Strukturen der beiden Werke. (Den Hinweis zu der oben
zitierten Rezension aus der „Zeitung für die elegante Welt“ verdanke
ich einer Fußnote auf Seite XVIII von David J. Buchs Ausgabe.
Als Startpunkt für die Recherche empfiehlt sich der deutsche
Wikipediaartikel zum „Stein der Weisen“. Dort gibt es einen Link
zum Tamino Klassikforum, wo sich eine ausführliche Inhaltsangabe befindet.)
Rüdiger Lotter und die „historisch informierte“ Hofkapelle München sind
schon seit längerem ein Anwalt dieses Werkes, haben es auch auf CD
eingespielt. Sie sorgten gemeinsam mit einem vorwiegend jungen Ensemble für eine
unterhaltsame, aber auch augenzwinkernde Umsetzung, dieser aus heutiger Sicht doch etwas „groschenromanhaft“ anmutenden Geschichte. Jonas Müller
als Lubano und Elena Harsányi als Lubanara ward es zu Teil, für Komik
zu sorgen. Müller brachte einen leicht bayerischen Tonfall in die
Wienerische Vorstadt, was gut anschlug. Außerdem sorgte er mit
Tauchermaske im zweiten Akt für einen skurrilen, die Handlung auflockernden Auftritt. Elena Harsányi gab mit koketter Naivität
das passende „Weibchen“. Lubanara wird vom bösen Geist Eutifronte sogar in eine Katze verwandelt und darf im Duett „Nun, liebes Weibchen“ köstlich miauen. Das Duett wird Mozart zugeschrieben und wird ihm beim Komponieren sicher viel Spaß gemacht
haben.
Maximilian Mayer als Nadir durfte sich in der Arie „Ihr gütigen Götter“
erfolgreich dem Koloraturgesang hingeben. Wenn man in der Figur des Nadir eine Vorstufe des Tamino erkennen möchte, dann in Nadine eine der Pamina. Annija Adamsone
sang die Partie mit leicht kristallinem, lyrischem Sopran. Dass Nadine
für höhere Weihen bestimmt ist, zeigt sich im Finale, erweist sich
am Schluss doch ihr Geliebter Nadir als der totgeglaubte Sohn des
Astromonte. Dieser Astromonte findet im Finale
des ersten Akts viel Möglichkeit sich gesanglich auszuzeichnen, wovon Michael
Schade reichlich Gebrauch machte.
Sreten Manojlovic gab den Eutifronte mit Hinterlist und Boshaftigkeit, er möchte Nadir schließlich zum Mord an Astromonte verlocken.
Matthias Lika als Sadik und Bettina Simon als Genius ergänzten. Die
Dialoge waren etwas gekürzt, die Aufführung dauerte inklusive
Pause drei Stunden. Das Theater an der Wien war mäßig besucht, vor
allem auf dem III. Rang waren viele Plätze leer geblieben. Am Schluss
gab es für diesen kurzweiligen Ausflug in die Wiener Operngeschichte
viel Applaus.
PS:
Die Sänger standen dieses Mal grob geschätzt etwa drei Meter von der
über den gedeckelten Orchestergraben gezogenen Rampe (dort waren nur
die Mikrophone aufgebaut) entfernt, wodurch sich zumindest auf dem III.
Rang (etwas seitlich) ein besserer akustischer Eindruck ergab. Die
Tendenz Sopranstimmen in der Höhe etwas zu „übersteuern“, war aber nach
wie vor gegeben. Doch das Theater an der Wien ist keine Freiluftbühne
und keine Mehrzweckhalle mit „Notstandsakustik“. Wozu dann also diese
digitaltechnische Klangaufbereitung, die Stimmen und Musik unnatürlich
„aufbläst“?
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