DER STEIN DER WEISEN ODER
DIE ZAUBERINSEL

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Theater an der Wien
20. Dezember 2025

Dirigent: Rüdiger Lotter

Chor und Orchester der Hofkapelle München

Astromonte - Michael Schade
Nadine -
Annija Adamsone
Nadir -
Maximilian Mayer
Lubanara -
Elena Harsányi
Lubano - Jonas Müller
Eutifronte -
Sreten Manojlovic
Genius - Bettina Simon
Sadik - Matthias Lika


„Singspiel anno 1790

(Dominik Troger)

Ein Jahr vor der „Zauberflöte“ wurde am Freihaustheater auf der Wieden das Singspiel „Der Stein der Weisen oder Die Zauberinsel“ uraufgeführt. In einer konzertanten Aufführung im Theater an der Wien konnte sich das Publikum jetzt selbst ein Bild davon machen, ob und wie stark dieses Werk als Vorbild für die „Zauberflöte“ gedient haben könnte.

Das Singspiel „Der Stein der Weisen oder Die Zauberinsel“ wurde am 11. September 1790 uraufgeführt. Feen und orientalische Märchen waren damals groß in Mode. Erst wenige Jahre zuvor war die Märchensammlung „Dschinnistan“ von Christoph Martin Wieland erschienen. Zudem war das Leopoldstädter Theater, die Konkurrenz von Emanuel Schikaneders Freihaustheater, gerade dabei, mit der exotischen Kostümoper „Das Sonnenfest der Brahminen“ einen großen Erfolg zu verbuchen. Schikaneders Truppe musste dagegenhalten, um kein Publikum zu verlieren und um die Kasseneinnahmen zu sichern. So wurde in Windeseile und im Teamwork der „Stein der Weisen“ aus dem Hut gezaubert. (Siehe dazu Kurt Homolkas Schikaneder Biographie „Papageno – Emanuel Schikaneder. Der große Theatermann der Mozart-Zeit“, die 1984 beim Residenz Verlag erschienen ist.)

Neben dem federführenden Kapellmeister und Komponisten Johann Baptist Henneberg, steuerten der Bass Franz Xaver Gerl, der Tenor Benedikt Schack, Emanuel Schikaneder selbst und Wolfgang Amadeus Mozart Musiknummern zum „Stein der Weisen“ bei. Die Handlung basiert auf damals typischen Figurenkonstellationen: ein hohes Paar (Nadir und Nadine) und ein komisches, niederes Paar (Lubano und Lubanara) werden mit höheren Mächten konfrontiert. Die Halbgötter (der gute Astromonte und sein böser Bruder Eutifronte) sorgen für das Zauberwesen und bilden die Grundlage für allerhand „Action“, die auf die beiden genannten Paare zukommt.

Das Werk wurde wirklich ein Erfolg. Aber als Schikaneder das Singspiel einige Jahre später in das Theater an der Wien übernahm, blieb der Erfolg überschaubar, wenn man Rezensionen trauen darf. Offenbar war der Publikumsgeschmack bereits dabei sich zu verändern. Die „Zeitung für die elegante Welt“ (11. Oktober 1804) notierte dazu: „Noch deutlicher zeigte sich diese Stimmung des Publikums im 'Stein der Weisen', einer alten Oper von Schikaneder, die vor vielen Jahren ganz ungemein gefallen hatte. Jetzt wurde sie sehr kalt aufgenommen, und am zweiten Tage war das Theater leer.“

Die Parallelen zur „Zauberflöte“ betreffen Textpassagen, Musiknummern, Figuren. Die „Zauberflöte“ ist dramaturgisch aber konsistenter gearbeitet und Mozarts Musik verschmilzt vorhandene Handlungsbrüche. Der „Stein der Weisen“ wirkt stilistisch beliebiger, wenn etwa Singspielton, Opera-seria-Arien oder ein Jägerchor in
vorausgeahnter „Freischütz“-Manier Hand in Hand gehen. Mozart hat sich beim Komponieren der „Zauberflöte“ an die eine oder andere Nummer ein wenig „erinnert“, die Erwartungshaltungen des Publikums „weitergesponnen“. Besonders auffällig sind die Parallelen beim komischen Paar, was auch nicht überrascht, weil Schikander als Darsteller des Lubano und als Papageno dafür gesorgt hat, dass er seinen Humor wirkungsvoll hier wie dort „unterbringen“ kann.

Es gibt inzwischen schon einiges an Literatur zu diesem Thema. Die Partitur wurde im Jahr 2007 von David J. Buch herausgegeben. Dort findet sich auch ein aufschlussreicher Vergleich der Strukturen der beiden Werke. (Den Hinweis zu der oben zitierten Rezension aus der „Zeitung für die elegante Welt“ verdanke ich einer Fußnote auf Seite XVIII von David J. Buchs Ausgabe. Als Startpunkt für die Recherche empfiehlt sich der deutsche Wikipediaartikel zum „Stein der Weisen“. Dort gibt es einen Link zum Tamino Klassikforum, wo sich eine ausführliche Inhaltsangabe befindet.)

Rüdiger Lotter und die „historisch informierte“ Hofkapelle München sind schon seit längerem ein Anwalt dieses Werkes, haben es auch auf CD eingespielt. Sie sorgten gemeinsam mit einem vorwiegend jungen Ensemble für eine unterhaltsame, aber auch augenzwinkernde Umsetzung, dieser aus heutiger Sicht doch etwas
groschenromanhaft anmutenden Geschichte. Jonas Müller als Lubano und Elena Harsányi als Lubanara ward es zu Teil, für Komik zu sorgen. Müller brachte einen leicht bayerischen Tonfall in die Wienerische Vorstadt, was gut anschlug. Außerdem sorgte er mit Tauchermaske im zweiten Akt für einen skurrilen, die Handlung auflockernden Auftritt. Elena Harsányi gab mit koketter Naivität das passende „Weibchen“.  Lubanara wird vom bösen Geist Eutifronte sogar in eine Katze verwandelt und darf im Duett „Nun, liebes Weibchen“ köstlich miauen. Das Duett wird Mozart zugeschrieben und wird ihm beim Komponieren sicher viel Spaß gemacht haben. 

Maximilian Mayer als Nadir durfte sich in der Arie „Ihr gütigen Götter“ erfolgreich dem Koloraturgesang hingeben.
Wenn man in der Figur des Nadir eine Vorstufe des Tamino erkennen möchte, dann in Nadine eine der Pamina. Annija Adamsone sang die Partie mit leicht kristallinem, lyrischem Sopran. Dass Nadine für höhere Weihen bestimmt ist, zeigt sich im Finale, erweist sich am Schluss doch ihr Geliebter Nadir als der totgeglaubte Sohn des Astromonte. Dieser Astromonte findet im Finale des ersten Akts viel Möglichkeit sich gesanglich auszuzeichnen, wovon Michael Schade reichlich Gebrauch machte.

Sreten Manojlovic gab den Eutifronte mit Hinterlist und Boshaftigkeit, er möchte Nadir schließlich zum Mord an Astromonte verlocken. Matthias Lika als Sadik und Bettina Simon als Genius ergänzten. Die Dialoge waren etwas gekürzt, die Aufführung dauerte inklusive Pause drei Stunden. Das Theater an der Wien war mäßig besucht, vor allem auf dem III. Rang waren viele Plätze leer geblieben. Am Schluss gab es für diesen kurzweiligen Ausflug in die Wiener Operngeschichte viel Applaus.

PS: Die Sänger standen dieses Mal grob geschätzt etwa drei Meter von der über den gedeckelten Orchestergraben gezogenen Rampe (dort waren nur die Mikrophone aufgebaut) entfernt, wodurch sich zumindest auf dem III. Rang (etwas seitlich) ein besserer akustischer Eindruck ergab. Die Tendenz Sopranstimmen in der Höhe etwas zu „übersteuern“, war aber nach wie vor gegeben. Doch das Theater an der Wien ist keine Freiluftbühne und keine Mehrzweckhalle mit „Notstandsakustik“. Wozu dann also diese digitaltechnische Klangaufbereitung, die Stimmen und Musik unnatürlich „aufbläst“?