LA FINTA SEMPLICE
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Theater an der Wien
Premiere
5.7.2007

Dirigent: Fabio Luisi
Inszenierung & Kostüme: Laurent Pelly
Bühne: Barbara de Limburg
Licht: Joel Adam

Orchester: Wiener Symphoniker

Rosina - Isabel Rey
Fracasso - Topi Lehtipuu
Giacinta - Silvia Tro Santafé
Ninetta - Adriana Kucerová
Don Polidoro - Oliver Ringelhahn
Don Cassandro - Bruno Praticó
Simone - Nicola Ulivieri


„Junger Mozart zu entdecken

(Dominik Troger)

Mozarts selten gespielte Jugendoper „La finta semplice“ (komponiert 1768) bot im Theater an der Wien beiderlei: amüsante Opera buffa-Unterhaltung – und einen deutlichen Blick hinter die humorige Fassade. Insgesamt eine sehenswerte, aber keine „herausragende“ Produktion.

„La finta semplice“ ist zwar von Mozart (Sohn Wolfgang unter Leopolds väterlicher Aufsicht), doch die Meisterschaft der späteren Werke ist noch präformiert. Da fallen vor allem die Ensembles an den Aktschlüssen auf und die eine oder andere Arie, wo die virile Kraft des „Idomeneo“ durchbricht oder die sehnsuchtsumhangene Sinnlichkeit des „Figaro“. Trotzdem wäre es ungerecht, „La finta semplice“ nur „biographisches“ Interesse zuzuwenden – diese Aufführung hat bewiesen, dass das Werk auch auf der Bühne bestehen kann.

Das Libretto wurde nach einer Goldoni-Vorlage gefertigt. Da bietet sich genug Platz für Missverständnisse und Situationskomik: zwei Liebespaare (Giacinta & Fracasso sowie deren Zimmermädchen Ninetta & Unteroffizier Simone) müssen mit einem Trick das tyrannische, frauenfeindliche Familienoberhaupt (Don Cassandro) sowie dessen tollpatschigen Bruder (Don Polidoro) zum Einverständnis ihrer Hochzeit bewegen. Sie bedienen sich mit Hilfe der Baronesse Rosina (Fracassos Schwester) einer List. Am Schluss wird Cassandro gleich mitverheiratet (und ehelicht Rosina), Polidoro schaut durch die Finger.

Der französische Regisseur Laurent Pelly sorgte für die szenische Umsetzung und „veredelte” die konventionelle Komödie mit einer Tendenz zum bissigen „Übertreiben“. Er löste die Figuren aus ihren Opera buffa-Schablonen und entlarvte ihre machtlüsternen Liebesphantasien, witzig und bedrohlich zugleich. Bei Polidoro zeigten sich überhaupt die Schattenseiten der Komödie: ein möglicherweise durch das Familienschicksal bereits deformierter Charakter. Sein Leiden und seine Sehnsucht nach Liebe bleiben unbeantwortet. Am Schluss kontrastiert dieses bedauernswerte Tölpelschicksal die jubelnden Brautpaare. Nicht so gut funktioniert hat die Positionierung der intriganten Rosina, die sich als rotbekleidete Kluge in naiver Verführungskunst ergehen sollte: ihr affektiert-mondänes Auftreten passte nicht so recht in den Rahmen. Zudem hat Isabel Rey, die für Daniela Damrau eingesprungen ist, als Darstellerin diese Diskrepanz nicht wett machen können.

Der Abend erreichte zwar nicht den Schwung und das Niveau von Pellys unlängst an der Staatsoper gezeigter „Regimentstochter“-Produktion, aber er bewies einmal mehr, dass anspruchsvolles, modernes Operntheater nicht von vornherein bedeutet, auf Humor und ein ansprechendes Ambiete verzichten zu müssen. Pelly wahrte auch den historischen Bezug und erreichte das durch einen interessanten Stilmix, in dem sich die Gegensätze überraschend bruchfrei ineinanderfügen. Das Bühnenbild zeigte eine großblumige, grüne 70er-Jahr Tapete als Hintergrund, es gab ein vollgeräumtes Zimmer zu sehen, das eher dem 19. Jahrhundert zugerechnet werden konnte, mit verschiebbaren Kulissenteilen funktional sehr gut auf die einzelnen Szenen abgestimmt. Die Kostüme mischten sich zu einer „zeitlosen Historizität“.

Fabio Luisi sorgte am Pult der Wiener Symphoniker für einen angenehm temperierten Mozartklang, der extreme Akzentsetzungen vermied. Das durchwehte den Zuschauerraum mit sommerduftiger Leichtigkeit, mischte eine süffig-schlanke Synthese von Alpenland und Italien. Die Besetzung bot gute, aber keine herausragenden sängerischen Leistungen. In der wichtigen Rolle der Rosina war Isabel Rey nicht unbedingt nach meinem Geschmack. Von der musikalischen Auffassung her stilistisch gut eingestellt, wirkte das Timbre farblos und streng, ganz ohne mozartisches „Aufblühen“. Den besten Eindruck hinterließ bei mir Adriana Kucerová, in dieser Rolle sozusagen eine Despina-Vorläuferin, mit bereits angenehm gerundeter Stimme und viel mitreißed-quirligem Bühnen-Temperament. Silvia Tro Santafé bot mit ihrem Mezzo und Spiel ebenfalls Vergnügen. Bruno Praticó saß die Buffo-Partie des Don Cassandro wie angegossen, er müsste zum Beispiel auch einen vorzüglichen Bartolo abgeben, mit viel Spielwitz und der notwendigen „Körperlichkeit“. Von Oliver Ringelhahn wurde mehr eine Charakterstudie gefordert, der er sich mit viel Einsatz hingab. Nicola Ulivieri punktete mit seinem kernigen, vielversprechenden Bariton. Die großgewachsene Bühnenerscheinung des australisch-finnischen Tenors Topi Lehtipuu korrelierte nicht so recht mit seiner Stimme, er wirkte auf mich im Vortrag noch ungeschmeidig und etwas hölzern.

Der Abend war nicht nur für den geflissentlichen Mozart-Fan ein Gewinn, trotzdem wollte das Gros des Publikums nach knappen drei Stunden und zustimmendem Applaus (keine negativen Reaktionen!) relativ schnell nach Hause. Letztlich fehlten auf der Bühne doch die ganz großen Namen.