IDOMENEO

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Theater an der Wien
Konzertante Aufführung

12. Oktober 2024
Musikalische Leitung: David Bates

Wiener Symphoniker
Arnold Schönberg Chor


Idomeneo - Attilio Glaser
Idamante - Emily Sierra
Ilia - Slávka Zámecníková
Elettra - Elena Tsallagova
Arbace / Oberpriester - Ya-Chung Huang
Orkalstimme - Levente Páll

Z wei Kreterinnen: Erica Alberini, Marie Charpentier-Leroy
Zwei Trojaner: Carl Kachouh, Minhyeok Choi


Frische Farbe für Mozart?

(Dominik Troger)

Nach zweieinhalb Jahren Umbau und Sanierung hat das Theater an der Wien wieder seine Pforten geöffnet – zumindest für einen Tag. Mit einem konzertanten „Idomeneo“ tröstete man das Publikum über bauterminliche Kalamitäten hinweg, die dazu geführt haben, dass die drei szenischen Herbstproduktionen abgesagt werden mussten.

Ein Wassereinbruch im August, zu wenig Zeit für die technische Einschulung des Bühnenpersonals – was auch immer zu den Verzögerungen geführt haben mag, die Farbe an den Wänden schien noch so frisch, dass man es tunlichst vermieden hat, an sie zu streifen. Eine neue, ob der engen Platzverhältnisse optisch dominante Treppe führt gleich beim Haupteingang in das neue, große Pausenfoyer im ersten Stock mit angeschlossener Terrasse. Der Eindruck, den dieser neue Publikumsbereich hinterlässt, ist hell, kühl, unpersönlich – um nicht zu schreiben „klinisch“. Der Kontrast zum Zuschauerraum könnte kaum größer sein. Die Terrasse ist (von außen besehen) kein architektonisches Schmuckstück, wird das Wohlgefühl der Besucher aber zu heben wissen. Auch wichtig: Die Toilettenanlagen wurden erneuert und ein Aufzug wurde eingebaut. Die Stehplätze wurden erhalten, das ist eine gute Nachricht!

Bei der letzten großen Renovierung des Hauses Anfang der 1960er-Jahre hat man nach dem ersten Eindruck mehr künstlerischen Anspruch walten lassen, wie der Marmormosaikboden im Eingangsfoyer oder die Wandbespannung in den Seitenfoyers belegen. Aber vielleicht wird diesbezüglich noch etwas nachgereicht oder ich habe es im Publikumsgewühle übersehen. Wenn man jedoch feststellt, dass der Handlauf im linken Seitenaufgang (ab der Höhe des zweiten Ranges aufwärts) noch die alte, abgewetzte Umbortung trägt, dann liegt nahe, dass der letzte Feinschliff noch fehlt, dass die Eröffnung vielleicht ein bisschen „überhastet“ angesetzt worden ist. Insofern bleibe die „Würdigung“ mancher Details (etwa die seltsam schachtelartigen Beleuchtungskörper in den Stiegenaufgängen) weiteren Besuchen vorbehalten.

Ein wenig unausgegoren wirkte auch die konzertante Aufführung und wie beim baulichen Teil wäre auch hier ein bisschen mehr Feinschliff kein Fehler gewesen. Die Sänger waren auf dem gedeckten Orchestergraben dem Publikum rampennah Aug in Aug gestellt, das Orchester saß auf der Bühne eher locker platziert, dahinter positionierte sich der stimmpräsente Arnold Schönberg Chor. Eine dunkelblau beleuchtete Projektionsfläche schloss die Bühne ab. Von meinem Seitenplatz aus beurteilt war diese „Aufstellung“ akustisch nicht ideal, die Sänger (vor allem die Frauenstimmen) klangen zu dominant und mit „Schärfegefahr“, das Orchester trocken – aber Dirigent David Bates ist Brite und „historisch informiert“, augenscheinlich hat er die Wiener Symphoniker klanglich etwas „zurechtgestutzt“. Das Orchester punktete mehr mit Details, zum Beispiel kamen die Holzbläser gut zur Geltung, aber in Summe fehlte der musikalische Glanz, den dieser Anlass hätte erwarten lassen.

Die Solisten schlossen in diesem Punkt nahtlos an, sie wirkten in Anbetracht der langen Mozarttradition des Hauses mehr zweckmäßig als mit „Gusto“ ausgewählt. Den nachhaltigsten Eindruck hinterließ Elena Tsallagova, die im Finale als rasende Elettra starken Szenenapplaus erhielt und nach ihrer Arie sogar noch einmal auf die Bühne gebeten wurde, um den Beifall des Publikums entgegenzunehmen. Wie Elettra ließ auch die Ilia der Slávka Zámecniková eine eher kühl timbrierte Stimme erklingen. Slávka Zámecniková, für Jeanin De Bique eingesprungen, war mit ihrem klaren Sopran schon von vielen Auftritten in der Wiener Staatsoper bekannt (und sie sang auch so kräftig, als müsste sie die Staatsoper mit ihrer Stimme füllen). Der Mezzo von Emily Sierra zeigte sich eher hell timbriert, hätte sich wahrscheinlich auch ein wenig zurücknehmen sollen, um der Akustik besser Genüge zu tun.

Die Sänger des Idomeneo und des Arbace würde ich nicht mehr unbedingt bei Mozart verorten: der Tenor von Attilio Glaser klang eigentümlich „belegt“ und war nicht jedermanns „Geschmack“, Ya-Hung Huang lieh dem Arbace / Hoherpriester einen hellen, (zu) markanten Charaktertenor (hat er doch bereits den Mime in Berlin in der Regie von Stefan Herheim gesungen). Die Stimme des Orakels (Levente Páll) ertönte gegenüber der Bühne vom ersten Rang einigermaßen ehrfurchtgebietend. Gegeben wurde eine Mischfassung (München/Wien) mit einigen Strichen (Länge inklusive Pause keine drei Stunden). Die Pause gab es seltsamer Weise schon nach dem „Fuor del mar“ (einfachere Version).

Der Schlussbeifall war stark – und bei den vielen Blumen, die zum Applaus seitens der Direktion an die Mitwirkenden verteilt wurden, dachte man schon an den Blumenball der Wiener Stadtgärten – aber den gibt’s erst am 17. Jänner 2025. Einen Tag später soll dann im Theater an der Wien die erste szenische Premiere nach der Renovierung über die Bühne gehen: „Das Spitzentuch der Königin“, Operette von Johann Strauss.

PS: Die szenische Version dieses „Idomeneo“ (Regie: Stefan Herheim), die ursprünglich geplant war und dann abgesagt werden musste, wird man vielleicht in ein paar Jahren zu sehen bekommen. Aber wer weiß, schon, ob man sich darauf freuen soll?!