IDOMENEO |
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Schlosstheater Schönbrunn 12. Mai 2023 Inszenierung: Michael
Sturminger |
Idomeneo
- Hwapyeong Gwon / Christopher Willoughby |
Ein Schwur kann verhängnisvolle Folgen haben. Das Schicksal von Idomeneo ist so ein Beispiel. Zwar glauben an Meeresgötter heutzutage nur mehr die wenigsten, aber Wolfgang Amadeus Mozart hat dem kretischen König mit jugendlichem Überschwang zu bleibendem Ruhm verholfen. Die Nöte des Kriegsheimkehrers wurden am Schönbrunner Schlosstheater in einer Produktion der mdw Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (Institut für Gesang und Musiktheater) zur Geltung gebracht. Zwei unterschiedliche Besetzungen bestritten insgesamt vier Vorstellungen von Mozarts „Sturm und Drang“-Oper. Die mdw hat die ersten beiden Vorstellungen in einem Live-Stream übertragen. Die Streams vom 12. und 13. Mai bilden die Basis für die nachstehenden Anmerkungen. Aber zuerst stellt sich natürlich die Frage, was die Regie dieses Mal wieder mit dem „Idomeneo“ angestellt hat. Der Inhalt von Mozarts Oper wurde in der Vergangenheit beispielsweise bereits mit einem Atomkrieg in Verbindung gebracht oder mit dem Klimawandel. Der „dramaturgischen Phantasie“ sind ohnehin keine Grenzen mehr gesetzt. Michael Sturminger gibt es in dieser mdw-Produktion vergleichsweise einfach und nachvollziehbar. Anspielungen auf die aktuellen Migrationsbewegungen rücken die Oper genauso in die Gegenwart wie die Maschinenpistole Idomeneos und Hinweise auf sein Kriegstrauma. Aber im dritten Akt darf sogar das Numinose zu Wort kommen, Kerzen werden an die Bühnenrampe getragen, ein einfaches Mittel, um den Raum mit sakraler Emotionalität zu füllen. Doch für das Finale hat sich Sturminger noch einen Knalleffekt aufgehoben:
Elettra feuert einen Pistolenschuss
auf Idomeneo ab. Dieser stürzt wie getroffen zu Boden –
und überlebt unverletzt! Er zieht das Geschoß unter seiner weißen
Uniformjacke hervor. Wurde es von einem seiner metallenen Orden abgefangen
und in seiner todbringenden Kraft abgemildert? Das „Wunder“
wird durch das missglückte Attentat prolongiert – und Elettra scheint vom Zorn gereinigt und verzichtet
darauf, das Weite zu suchen. Nicht nur
hat die Liebe Ilias das barbarische Menschenopfer unmöglich gemacht:
Elettras missglückter Mordanschlag verhilft einer umfassenden Katharsis
zum Durchbruch. Der
Sturm hat sich gelegt, das Meer ruht spiegelglatt – und von Neptun
ist keine Fischschuppe mehr zu sehen. (Besagte
Handfeuerwaffe taucht bereits im ersten Akt in den Händen Ilias auf, die offenbar
suizidgefährdet ist, die Pistole dann aber im Sturm der Liebe einfach
liegen lässt. Elettra findet sie und nimmt sie an sich.) Etwas fragwürdig geriet Elettras große Szene im zweiten Aufzug: Sie kleidet vor der Abfahrt
nach Argos den ihr hinzugesellten Idamante verhöhnend in Militärgewänder, so als wollte das
Regieteam an dieser Stelle einen ironischen „Querverweis“ auf „Le nozze
di Figaro“ anbringen. Der spöttische
Grundton dieser Szene passte weder in den Rahmen der Inszenierung
noch ist er aus dem Verhalten Elettras motivierbar. Leichte Ironie zeichnete auch Arbace: Als krawattentragender Bürokrat gab er sich ganz dienstbeflissen gegenüber dem zurückgekehrten Idomeneo. Das Einheitsbühnenbild war von einfacher Zweckmäßigkeit: Im Vordergrund ein paar rote Schalensessel, ein erhöhter Steg im Hintergrund vor einem großen „Bullauge“, in dem an die jeweilige Szene angepasste Videoprojektionen zu sehen waren (zum Beispiel Meereswogen oder eine Wolke zum göttlichen Richtspruch). Eine schmale Treppe führte vom Steg auf die Bühne herab, zuerst an der Seite angebracht, ab dem zweiten Akt mittig gesetzt. Im ersten Akt wurden die trojanischen Flüchtlinge versorgt, Wasserflaschen ausgeteilt, im zweiten Akt markierten zwei einfache „Thronsessel“ die „königlichen Gemächer“. Größere Striche gab es im Finale des ersten Aktes und auf das Schlussballett wurde erwartungsgemäß verzichtet. Musikalisch
wurden die beiden Aufführungen vom Webern Symphonie Orchester unter
Christoph U. Meier
geprägt, der für eine animierte Begleitung sorgte und für eine
schlanke, wohlklingende „Wiener Klassik“, die sich nicht sperrig auf
dem Altar einer historisch informierten Aufführungspraxis „opfert“. Das Drängende von Mozarts Musik
in ihrer jugendlichen Energie kam sehr gut heraus und legte die Grundlage für eine spannende Aufführung. Die Besetzungen wurden jeweils von den
Interpreten des Idomeneo angeführt. Hwapyeong Gwon verlieh
dem kretischen König und Krieger am ersten Abend mit seinem gut
durchgestalteten Tenor Würde und Ausdruckskraft. Die Stimme verfügte
über ein angenehmes lyrisches Timbre und die langen Läufe des „Fuor del mar“
bewältigte er mit Geschick. In der zweiten Vorstellung sang Christopher Willoughby den Idomeneo mit einem mehr „britisch“ nüchternen Tenor, in der Gesamtwirkung „lebensnäher“, weniger „aristokratisch“. In der ersten Vorstellung schien beim Ensemble da und dort noch ein wenig Premierennervosität
durchzuschlagen, die
„Zweitbesetzung“ hinterließ bei mir insgesamt einen expressiveren Eindruck, was der Spannung und Figurencharakteristik
gut tat, allerdings auf Kosten klangvollen Stimmmaterials. Zum Beispiel
überzeugte der Idamante von Anna Tetruashvili im burschikosen Zupacken,
während in der Premiere Rebecka Wallroth die Figur melancholisch-sinnlich
einfärbte, einen mehr fraulich gezeichneten, nachdenklicheren Königssohn
gebend. Die beiden Sängerinnen der Ilia traf es ähnlich: Ilia Marta Fridriksdóttir
mit der etwas runderen Stimme, Yuhyun Jeon hingegen mehr kämpferisch,
auch beim Stimmeinsatz, der Ilia eine prägnante Kontur verleihend. Bei der Elettra schien mir die Erstbesetzung Elena Sverdiolaité
von Mozarts Anforderungen weniger zum Forcieren gedrängt. Aber der
Eindruck eines Live-Streams ist natürlich immer nur ein sehr ungefährer.
Das Publikum spendete den Ausführenden viel Applaus. |