IDOMENEO

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Theater an der Wien
22. Jänner 2016
Konzertante Aufführung

Dirigent: René Jacobs

Freiburger Barockorchester
Arnold Schönberg Chor

Idomeneo - Jeremy Ovenden
Idamante - Gaelle Arquez
Ilia - Sophie Karthäuser
Elettra - Alex Penda
Arbace - Julien Behr
Grand Sacerdote - Nicolas Rivenq
La Voce - Christoph Seidl


2. Festkonzert zum 10-Jahre-Jubiläum
(Dominik Troger)

Das zweite Festkonzert anlässlich 10-Jahre-Neues-Opernhaus-Theater-an-der-Wien galt Mozarts „Idomeneo“. Auch hier hat die Direktion – wie beim „Fidelio“ – teilweise auf das Ensemble einer szenischen Produktion (Herbst 2013) zurückgegriffen.

Anders als beim konzertanten „Fidelio“ letzten Sonntag traten die Sänger nicht im Kostüm auf, sangen aber – wie der Chor – auswendig und deuteten spielend die Szene an. Der Chor war rechts und links leicht schräg zur Rampe platziert, wodurch sich in der Mitte eine Art Spielfläche ergab, die die Sänger nützten. Hinter dem Chor standen zwei Kulissenwände, die in der Mitte einen Durchgang offen ließen. Abgeschlossen wurde die Bühne durch eine weißen Trennvorhang. Die Beleuchtung wurde wieder wie für eine szenische Aufführung abgedunkelt, ebenso der Text dem Publikum zum Mitlesen angezeigt.

Rene Jacobs und dem Freiburger Barockorchester gelang unirritiert von szenischen Vorgaben eine vielschichtige Wiedergabe des Werkes. Die barocke Grelle der Bläser mischte sich mit anmutigen Mozart’schen Streicherklängen und die archaische Begleitung von La Voce (die Bläser und der Sänger hatten in der Mitte zwischen den Kulissenteilen auf der Bühne Aufstellung genommen) hob diesen Moment entsprechend heraus, machte deutlich, dass hier das Schicksal Idomeneos an die grausame Erhabenheit göttlicher Einwirkung streift. Das differenziert aufspielende Freiburger Barockorchester wechselte von griffig bis einfühlsam die Stillagen zwischen barocker Affektsetzung und individueller Gefühlsregung und die Tempi wirkten schlüssig. Es war zu hören, wie wichtig Jacobs die Rezitative genommen hat, wie beredt die musikalische Begleitung zum Einsatz kam, wie der Wechsel der Emotionen und das Ausbrechen von Naturgewalten entsprechend durchgestaltet wurde.

Jeremy Ovenden gab den Idomeneo. Der Sänger war schon öfters im Theater an der Wien aufgetreten – zuletzt 2013 in Händels „Radamisto“, aber noch nie in einer so renommee-trächtigen Partie. Sein eher hell gefärbter lyrischen Tenor steuerte auf eine schlanke Basis gestellt mit hohem Perfektionsgrad durch die Koloraturwogen des „Fuor del mar“. Allerdings klang mir sein Tenor in Summe eine Spur zu leichtgewichtig für diese Herrscherpersönlichkeit und zu nüchtern timbriert. Ein mehr Schmelz auftragender Stimmkern hätte Idomeneo in seiner existentiellen Lebenskrise stärker konturiert.

Gaelle Arquez trug als schlank gewachsener Idamante einen Hosenanzug, dessen ärmelloses, tief ausgeschnittenes Oberteil nicht gerade die Hosenrolle betonte. Sie hatte die Partie bereits bei der Aufführungsserie im Jahr 2013 gesungen. Ihr klangvoller Mezzo mischte sich burschikos mit viel Herzblut ab, was für die Liebesanwandlungen eines Königssohnes nur richtig sein kann. Die Sängerin benötigte die erste Arie, um sich „warm“ zu singen und um die „Gestaltungsklammer“ um ihre Darbietung zu schließen.

Sophie Karthäuser war wieder als Ilia angetreten. Ihr Sopran könnte für meinen Geschmack mehr an klassizistischer Klarheit vertragen, die das Timbre mit goldener Schattierung auszeichnet wie die ausgemalten Rillen einer ionische Säule. Sie vermittelte im Timbre mehr die Leiden Ilias, weniger eine blühende Selbstbewusstheit, in der sich weibliche Opferbereitschaft mit antikem Heros paart. Aber ihre Stimme fand mit Idamante zu einem stimmigen „Liebessverhältnis“ zusammen.

Alex Penda, ehemals Alexandrina Pendatchanska, war zuletzt als Poppea im Theater an der Wien zu Gast gewesen. Ihr Sopran hörte sich für die hysterischen Anflüge Elettras schon etwas schwergängig an. An „Power“ mangelte es nicht und ihre finale Arie schoss dementsprechend nicht mit feinem Schrot, sondern schon mit stärkerem Kaliber. Das leicht opak-rauchig anmutende Timbre ihres Soprans gab ihrem Gesang eine starke individuelle Note.

Arbace wurde von Jacobs seine Arie im dritten Akt zugestanden, Julien Behr blieb mit seinem lyrischen Tenor aber eher unauffällig. Nicolas Rivenq rundete als geschmackvoller Grand Sacerdote das Ensemble ab. Bemerkenswert war der kurze Auftritt von Christoph Seidl als „La Voce“: sein junger, noch im Wachsen begriffener Bass, verlieh der göttlichen Stimme keine donnernde, sondern mehr eine intellektuell-emotionale Beimischung – so, als ob man die Eifersucht hätte heraushören können, mit der die griechischen Götter sehr menschlich über die Menschen wachen.

Der differenzierte Gesang des Arnold Schönberg Chores war wieder eine wichtige Stütze des Abends und rundete diese Aufführung ab, die wegen ihrer plastischen Musikalität auf die Szene leicht verzichten konnte. Der dankbare Schlussapplaus dauerte rund neun Minuten lang.