LA FINTA GIARDINIERA
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Kammeroper
1. Dezember 2023
Premiere

Musikalische Leitung: Clemens Flick

Inszenierung: Anika Rutkofsky
Bühne und Kostüm: Adrian Stapf
Licht: Franz Tscheck

La Folia Barockorchester

Don Anchise (Podestá di Lagonero) - Paul Schweinester
La Marchesa Violante (Sandrina) - Carina Schmieger
Contino Belfiore - Adrian Autard
Arminda - Michaella Cipriani
Cavaliere Ramiro - Valerie Eickhoff
Serpetta - Elisabeth Freyhoff
Roberto (Nardo) - Anton Beliaev



Mozarts C-Promis"

(Dominik Troger)

An der Kammeroper hat man sich Mozarts liebender Gärtnerin besonnen. Die Regie bettet die Handlung in Fernsehhows ein: Das TV-Programm „Love Bird“ lockt zum Date. Leider war es weder szenisch noch musikalisch ein Volltreffer.

„La finta giardiniera“ wurde seit der Jahrtausendwende in Wien öfter gespielt: 2004 und 2019 an der Kammeroper, 2010 gab es im Theater an der Wien eine szenische Produktion in der Regie von David Alden unter René Jacobs, im November 2019 folgte eine semikonzertante Aufführung unter William Christie mit Les Arts Florissants. An der Kammeroper hat sich jetzt Regisseurin Anika Rutkofsky der „Gärtnerin“ angenommen. Rutkofsky, die als Regie-Neuentdeckung gilt, seit sie vor zwei Jahren den „Ring Award Graz“ gewonnen hat, ist der Auffassung, dass die barocken Operncharaktere von „La finta giardiniera“ genauso um die Aufmerksamkeit des Publikums buhlen würden wie „C-Promis“ im Fernsehen. Also hat sie Mozarts „Garten“ gegen ein Fernsehstudio eingetauscht und die Protagonisten werden durch eine Reihe von Shows gejagt – der aus dem Off eingespielte Applaus und das eingespielte Lachen eines fiktiven, leicht zu erheiternden TV-Publikums inklusive.

Dabei kann sogar die Musik unterbrochen werden, der Moderator quatscht auch mal in eine Arie hinein – und Belfiore wird als vermeintlicher Mörder Sandrinas per TV-Nachrichten gesucht. Der szenischen Bogen spannt sich von der Ertüchtigung im Fitnessraum bis zum gemeinsamen „Gruppenkuscheln“. Kurze „Ausschnitte“ aus weiteren Mozartopern dienen als „Kennmelodie“ für die diversen TV-Show-Formate. Das Bühnenbild zeigt dementsprechend verschiedene TV-Sets mit entsprechenden Kulissen. Das Hammerklavier ist links an der Rampe positioniert und manchmal spielt es sogar szenisch mit. Die Kostüme sind zum Teil geschmacklos, aber insofern „zeitgeistig“.

Die drei Akte wurden zu zwei Teilen zusammengefasst. Der erste Teil ist konsequent gearbeitet und die Überblendung der einzelnen Szenen mit den showartigen TV-Formaten funktioniert ganz gut. Das Dienerpaar spricht Deutsch, das „Schlänglein“ Serpetta darf auch mal Kraftausdrücke verwenden. Das Produktionsteam ist also auch beim Text kreativ gewesen und man hat deutsches Singspiel mit italienischer Opera buffa gemischt. Oben am Bühnenportal ist ein Hinweisschild montiert, leuchtet es rot, dann ist die Sendung „ON AIR“. Erwähnt werden sollte außerdem, dass Violante von der Attacke Belfiores eine große blutsickernde Wunde davongetragen hat, die ihr Nardo im ersten Teil viel zu umständlich versorgen muss. (Später meint Violante im Wahn sogar, Marilyn Monroe zu sein, und lässt ihr weißes Kleid über einem vermeintlichen Lüftungsschacht „fliegen“.) Nardo betreut eine eigene Kochshow: „Nardo nascht“ – und der Podesta fungiert als Fernsehmoderator. Positiv soll vermerkt werden, dass es trotz TV-Thematik den ganzen Abend lang keine Videoeinspielung zu sehen gibt.

Nach der Pause beginnt die Handlung mit der Befragung des Belfiore durch den Podesta im Rahmen der Gerichtsshow „Love & Justice“. Aber sobald der allgemeine Gefühlstaumel einsetzt und sich Violantes und Belfiores Wahnsinn nicht mehr so einfach anhand von TV-Formaten „sortieren“ lässt, sorgt die Inszenierung für mehr Verwirrung als für Klarheit. Schon die Soloszene Violantes, in der sie ihre ganzen Herzensnöte offenbart, wird durch billigen Slapstick entwertet, bis dann auch die übrigen Protagonisten eine mit Landschaftskulisse ausstaffierte TV-Bühne bevölkern. Man liebt sich kreuz und quer, wenn auch dezent, und am Schluss sind alle glücklich – oder doch nicht?

Angetrieben wurde diese „halblustige“ Inszenierung im Orchestergraben von dem unter Clemens Flick ruppig und undifferenziert aufspielenden La Folia Barockorchester. Statt sich Mozart seelenerforschend anzuschmiegen, gerieten die artikulierten Liebesgefühle zum gehetzten „Einheitsforte“ einer quotenbringenden TV-Unterhaltung und die Ensembles waren durchwegs zu laut für den kleinen Saal. Schade, dass aufstrebenden Stimmen wie dem schönen lyrischen Tenor von Adrian Autard als Belfiore nur wenig Entfaltungsspielraum blieb. Der Podesta war mit Paul Schweinester eigentlich zu jung besetzt, aber bei seinem Bühnenjob als Fernsehmoderator darf man das nicht so genau nehmen. Außerdem ließ er sich in seinen gesanglichen Qualitäten von Fitnessübungen nicht unterkriegen. Als Nardo durfte Anton Beliaev seine Kochkünste besingen. Ob sich mit ihm ein neuer Kavaliersbariton ankündigt?

Die Frauenstimmen litten nach meinem Eindruck mehr unter der forschen musikalischen und szenisch hyperaktiven Gangart, fühlten sich zu oft zum Forcieren gedrängt, was die Stimmen zum Teil verhärtete und in der Höhe mit zuviel Metall anreicherte. Die gesanglich und darstellerisch mir schon zu „resche“ Arminda der Michaella Cipriani passte sehr gut in den Rahmen der „actionlastigen“ Inszenierung. Elisabeth Freyhoff war eine kecke Serpetta und vom Typ gut getroffen. Carina Schmieger lieh der Violante einen mir für diese Partie zu wenig gerundeten Sopran. Valerie Eickhoff sang den Ramiro mit angenehmem, möglicherweise nicht sehr „belastbarem“ Mezzo.

Die Aufführung dauerte insgesamt etwas über drei Stunden. Man hätte ruhig beherzter streichen können, um Längen zu vermeiden, die sich vor allem nach der Pause einstellten. Am Schluss gab es den üblichen Premierenjubel. Die Kammeroper war fast bis auf den letzten Platz gefüllt.