DIE HOCHZEIT DES FIGARO

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Volksoper
21. April 2022


Dirigent:
Alexander Joel

Graf Almaviva - Alexandre Beuchat
Gräfin Almaviva - Melba Ramos
Susanna - Rebecca Nelsen
Figaro - Till von Orlowsky
Cherubino - Julia Koci
Marcellina - Zoryana Kushpler
Basilio - Christian Drescher
Don Curzio - Christian Drescher
Bartolo - Stefan Cerny
Antonio - Mamuka Nikolaishvili
Barbarina - Elisabeth Schwarz


Unspektakulär, aber unterhaltsam
(Dominik Troger)

An der Volksoper wurde am 11. April Marco Arturo Marellis zeitlose Inszenierung von „Die Hochzeit des Figaro“ wieder in den Spielplan aufgenommen. Nachstehende Anmerkungen beziehen sich auf die dritte Aufführung der laufenden Serie – die (wie der Programmzettel verrät) die insgesamt 40. Vorstellung dieser Produktion gewesen ist.

Die Inszenierung stammt aus dem Jahr 2012. Sie bietet humorvolles, „klassisches“ Operntheater, das die Handlung historisch im 18. Jahrhundert verortetet. Eine gut durchdachte Personenregie sorgt für Pointen und hält das Geschehen am Laufen. Gesungen wird in deutscher Sprache. Bei allen Einwänden, die gegen diese Gepflogenheit vorgebracht wurden und werden (es gibt auch Vorteile!) – nächste Saison ist es damit ohnehin vorbei. Der Spielplanvorschau 2022/23 ist zu entnehmen, dass „Die Hochzeit des Figaro“ unter der neuen Direktion als „Le nozze di Figaro“ „firmiert“.

Ein Nachteil bei den deutschen Fassungen ist das Einspringen. Nicht immer findet man einen Ersatz, der die jeweilige Version einstudiert hat. Deshalb wurde die Marcellina an diesem Abend in Italienisch gesungen. Wie der Ansage vor Beginn zu entnehmen war, hat man die staatsopernerprobte Zoryana Kushpler von ihrer Geburtstagsfeier wegengagiert. Sie sang die Partie in Originalsprache (und wechselte mit komödiantischem Augenzwinkern im Rezitativ da und dort auch mal ins Deutsche). Insgesamt mussten für diese Vorstellung drei Partien neu besetzt werden: Neben Zoryana Kushpler für Regula Rosin (Marcellina), übernahm Christian Drescher von Karl-Michael Ebner den Basilio und Mamuka Nikolaishvili als Gärtner durfte sich anstelle von Maximilian Klakow über den zerbrochenen Blumentopf beschweren.

Alexandre Beuchat sang den Grafen mit schönem, geschmeidigen Kavaliersbariton, eine Stimme, die man sich merken muss. Er versah den aristokratischen Frauenhelden mit cholerischer Eifersucht, zeigte ihn aber auch zur Liebe und vor allem zur Besserung fähig. Beuchart hat in einem Interview für die Zeitschrift BÜHNE (April 2022) gemeint, dass er nicht glaube, dass der Graf bösartig sei, sondern dass er sich – sinngemäß zitiert – von überkommenen Rollenbildern geprägt, Neuem gegenüber unaufgeschlossen und ängstlich zeige.

Die Inszenierung glaubt an die Einsichtsfähigkeit des Grafen. Im Finale begeben sich alle zur Tafel, Marelli unterschlägt nicht die Möglichkeit des Verzeihens, deutet es bereits im zweiten Akt an, wenn der Graf seine Zornesaufwallung bereut. Aber das Versöhnungskuscheln zwischen Graf und Gräfin im Doppelbett (nachdem Susanna verschmitzt die Fensterläden geschlossen hat) wird durch den Auftritt Figaros jäh unterbrochen – und dann beginnt die Ensemblemaschine anzulaufen, die den zweiten Akt beschließen wird. Der Figaro von Till von Orlowsky wirkte ein bisschen wie der sympathische „Halbbruder“ des Grafen (auch stimmlich) und hätte für sein „Tänzchen“ mit selbigem noch ein paar grimmigere Töne auspacken können.

Rebecca Nelsen war die eigentliche Nahtstelle dieser Aufführung. Mit ihrem schlanken Sopran und schauspielerischem Einsatz brachte sie den jugendlichen Grafen und den nicht minder jugendlichen Figaro in Schwung. Sie hat bereits die Premiere vor zehn Jahren gesungen. Die Stimme hat ihren feinfühligen Charme behalten, der ihrer Susanne einen individuellen Charakter aus Liebreiz und Verletzlichkeit verleiht. Stefan Cerny – ebenfalls 2012 mit dabei – gab einen gesanglich und spielerisch starken Bartolo.

Melba Ramos nach achtzehn Jahren wieder als „Figaro“-Gräfin zu begegnen, war eine Überraschung. Die Stimme ist breiter geworden, Mozart schon etwas entwachsen. Ihre leuchtkräftige Mittellage verlieh der Gräfin eine reizvoll sentimentale, fast verdihafte Schwermut. Julia Koci steuerte einen burschikosen Cherubino bei. Elisabeth Schwarz war eine humorvoll-spielfreudige Barbarina mit frischem Sopran.

Das Orchester unter Alexander Joel untermalte mit schönem Streicherklang und bot eine „klassische Lesart“, in den Arien manchmal etwas langsam, ohne interpretative Zuspitzungen. Dem Volksopernchor sei ebenfalls noch gedankt und der humorvollen Hammerklavierbegleitung der Rezitative. Es gab viel Schlussapplaus für eine unterhaltsame, unspektakuläre Aufführung.

PS: Die Volksoper geht bekanntlich neuen Zeiten entgegen, am Donnerstag hat Lotte de Beer als frischgebackene Direktorin zusammen mit Musikdirektor Omer Meir Wellber die Pläne für ihre erste Saison vorgestellt. Die Programmpressekonferenz wurde mit viel Energie bestritten und die wird auch notwendig sein, weil die wirtschaftliche Ausgangslage nach zwei COVID-Jahren wegen der Lockdowns nicht nur für die Volksoper schwierig ist. Doch diese „Figaro“-Vorstellung machte Hoffnung – auch mit viel jungem Publikum im Haus.