LE NOZZE DI FIGARO |
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„Figaro zum Saisonstart im Konzerthaus" (Dominik Troger) Das Konzerthaus hat zu Saisonbeginn gleich alle Maschinen hochgefahren: Teodor Currentzis bringt mit seinem musicAeterna Orchestra innerhalb von sechs Tagen „Le nozze di Figaro“, „Don Giovanni“ und „Cosi fan tutte“ zur semikonzertanten Aufführung. 2014 hat Nikolaus Harnoncourt im Theater an der Wien mit dem Concentus Musicus ein ähnliches Projekt verwirklicht. Der Altmeister der historisch informierten Aufführungspraxis servierte damals einen schon etwas düster gefärbten „Altersrückblick“ auf Mozarts und Lorenzo Da Pontes „italienische Operntrilogie“. Und auch damals stand der „Figaro“ – gemäß der historischen Abfolge – am Beginn. Teodor Currentzis hat sich in den letzten zehn Jahren ein Image als „Klassikrebell“ aufgebaut. Ecken und Kanten verkaufen sich in diesem Business offenbar ganz gut, auch Nikolaus Harnoncourt hat mit musikalischen „Exaltismen“ nicht immer gegeizt. Im Vergleich zu Harnoncourts „Figaro“, der damals mit einer auffallend langsam dirigierten, fast schroff interpretierten Ouvertüre so manchen Wiener Mozartfreund vergrämte, wirkte die Deutung von Currentzis an diesem Abend aber geradezu zahm: Die Sinfonia („presto, presto ...“), ein wenig wattiert, aber nicht unelegant gespielt, huschte vorüber – aber das wars dann auch schon. Der Rest des Abends bestand vor allem aus drängendem Dahineilen und ein paar pathetischen Verzögerungsmomenten, zusammenmontiert aus Effekten und „Effektchen“ (… das exzentrischen Lachen des Basilio oder ein wasserfallartig Rezitative sprudelnden Figaro ...), denen das bei Currentzis unvermeidliche Hammerklavier da und dort noch zusätzliche Akzente einprägte. Die Arien waren mit mancher Verzierung und Kadenz versehen, die den musikalischen Vortrag durchaus hätten bereichern können – eine Zugabe, die aber wenig zur Profilierung der Sängerinnen und Sänger beitrug. Von den beiden meist gestrichenen Arien hat Currentzis nur Don Basilios „Eselshaut“ weggelassen, es gab auch keine hinzugefügten Musiknummern aus anderen Werken. Man erinnere sich, was Elisabeth Kulman unter Harnoncourts Stabführung 2014 nicht alles an verschmitzt produzierten Seelennöten aus dem Cherubino herausgeholt hat – und wie schablonenhaft erschien der Cherubino an diesem Abend trotz der von Currentzis zelebrierten „effektvollen“ Tempoverzögerung im Schlussteil des „Non so più“. Die minutiöse Aneinanderreihung solcher Effekte allein generiert noch kein lebendiges Operntheater, in dem der dramatische Impuls in organischer Verbundenheit mit der Musik die Bühne beherrscht, von den Ausführenden mit Charakter und Persönlichkeit belebt. Vielleicht hinterließ bei mir deshalb diese „Figaro“-Aufführung trotz ihrer zügigen Reisegeschwindigkeit und manch pathetischer, opera-seria-hafter Gefühlsaufwallung einen so espritlosen, ja geradezu „gekünstelten“ Eindruck – wobei, das sei gerechter Weise angemerkt, das Theater an der Wien diesem Projekt der deutlich bessere und intimere Rahmen gewesen wäre, als die große Halle des Konzerthaussaales. Currentzis hat sich diese Besetzung sicher selbst ausgesucht – bis auf Alex Esposito als Figaro durchwegs hierzulande unbekannte, teils noch junge, und für die Aufgabe zu leichte Stimmen, die es sich natürlich trotzdem gefallen lassen müssen, dass man Vergleiche anstellt. Alex Esposito und Olga Kulchynska als Susanna zogen jedenfalls die Fäden. Exposito half seine Bühnenerfahrung, und er konnte den Figaro als Figur einigermaßen greifbar machen. Kulchynska kam als Bühnenpersönlichkeit neben Esposito noch am besten zur Geltung und sang die Rosenarie hübsch, aber zart, mit einem noch mehr zerlinenhaften Sopran. Der Graf von Andrei Bondarenko blieb ausdrucksschwach, auch wenn der Sänger über eine angenehme Baritonstimme verfügt. Ekaterina Scherbachenko flötete ihr „Porgi, amor“ mit madonnenhafter engelsunschuld und wurde von Currentzis durch das „Dove sono“ getragen, dessen Schlussteil sie mit filigraner Stimme so vorsichtig servierte, als würde sie über dünnes Eis spazieren. Die weitere Besetzung: Paula Murrihy (Cherubino), eine leicht sehnige, unaufregende Mezzostimme; Daria Telyatnikova, eine junge Marcelline mit schmalem Sopran; Evgeny Stavinsky, ein junger. stimmlich noch etwas unflexibel wirkender Bartolo; Krystian Adam, ein aus der Barockmusik kommender, hoher Tenor, dem als Basilio die Arie gestrichen worden war; Garry Agadzhanyan, ein aufmüpfiger Antonio; Fanie Antonelou, eine nette Barbarina; sowie Danis Khuzin als vor allem gut stotternder Don Curzio. Das Finale wurde zelebriert: die weichgestimmte Versöhnungsgeste des Grafen, das nach langem, erwartungsvollem Nachdenken errungene „Ja“ der Gräfin. Zum Abschluss gab es minutenlangen Jubel von Teilen des Publikums – unter dem sich auch der Bundespräsident befand. (Selbiger war vom Intendanten des Konzerthauses schon am Beginn der Vorstellung coram publico begrüßt worden. Matthias Naske hielt eine launige Kurzansprache zur Saisoneröffnung und erwähnte in ihr brav alle Großsponsoren des Konzerthauses.) Noch ein paar Anmerkungen zur Regie, der man jetzt auch in (semi-)konzertanten Aufführungen immer weniger „entkommt“. Nina Vorobyova bezog mit Auf- und Abtritten das Parterre des großen Saales ein: Schon am Beginn marschierte Figaro durch den Zuschauerraum. Cherubino stürmte nach seinem Sprung im zweiten Akt verstört die ganze lange Gerade vom Podium zu den Ausgängen in der 30. Reihe entlang. Der Graf kam im zweiten Akt mit einer Bohrmaschine auf die Bühne, die er auch einmal kurz anwarf, als der Name „Cherubino“ fiel. Diese Pointe sorgte für Gelächter im Pubikum. Natürlich gab es kein Bühnenbild, Cherubino versteckte sich hinter dem Klavier. Den Kostümen nach spielte die Handlung in der Gegenwart, wenn auch mit leicht nostalgischem Flair. Der Gärtner war als solcher erkennbar und Marcelline trug eine Sonnenbrille. Der
Saal war abgedunkelt worden, der deutsche Text lief auf einem großen
Bildschirm mit, der am Orgelbalkon angebracht war. Weiter geht es mit
„Don Giovanni“ am Samstag. |