LE NOZZE DI FIGARO

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Staatsoper
28. April 2017


Dirigent: Adam Fischer

Conte di Almaviva - Adam Plachetka
Contessa di Almaviva - Guanqun Yu
Susanna - Valentina Nafornita
Figaro - Carlos Álvarez
Cherubino - Kate Lindsey
Don Bartolo - Sorin Coliban
Don Basilio - Pavel Kolgatin
Don Curzio - Leonardo Navarro

Barbarina - Hila Fahima
Marcellina - Ulrike Helzel
Antonio - Igor Onishchenko


„Ein Figaro mit neuer Gräfin"
(Dominik Troger)

Die Wiener Staatsoper hat drei Vorstellungen von „Le nozze di figaro“ angesetzt. Carlos Alvarez glänzte in der Titelpartie – und die Inszenierung von Jean-Louis Martinoty ist auch beim 37. „Aufguss“ nicht besser geworden.

Leider macht ein ausgezeichneter Figaro allein noch keinen „tollen Abend“. Denn was das Publikum in dieser Vorstellung serviert bekam, klang teilweise schon sehr durchwachsen. Carlos Álvarez hingegen zählt zu den exzellentesten Figaro-Interpreten der letzten 20 Jahre. Seine Stimme ist nach wie vor geschmeidig, und ihr sattes Timbre und ihr durchsetzungsstarker, humorvoller Charme stellten alles in den Schatten, was an diesem Abend sonst noch zu hören war. Dieser Figaro „parlandierte“ sich locker durch den Abend und für den vierten Akt hielt der Sänger neben samtiger Poesie auch die nötige Ironie bereit.

Der Conte d‘Almaviva von Adam Plachetka hatte diesem Figaro wenig entgegenzusetzen. Schon bei seinem Wiener Rollendebüt im Jahr 2015 war der Graf von ihm darstellerisch und gesanglich recht grob gezeichnet worden: der Conte als raubeiniger Kerl bei dem Gemahlin und Bedienstete wenig zu lachen haben. Vielleicht ist es aber auch modern, den Grafen so ohne Noblesse und Verführungscharisma als „bodenständigen“ Charakter zu präsentieren. Zweifelsohne funktionierte das für Plachetka gut, und passte auch zur etwas groben „Textur“ seiner Stimme. Er erzielte damit die Quantität an Bühnenpräsenz, die ein Graf haben soll. Als Zuseher muss man ja nicht dieselbe Rollenauffassung teilen.

Die chinesische Sopranistin Guanqun Yu gab an diesem Abend ihr Hausdebüt. Die Sängerin hat 2008 den Belvedere-Wettbewerb gewonnen, erreichte 2012 den zweiten Platz bei der Operalia-Competition, ist also noch gar nicht so lange im Opernbusiness unterwegs. Trotzdem hat Yu bereits 2012 die „Troubadur“-Leonora an der Metropolitan Opera gesungen, 2015 bei den Bregenzer Festspielen die Liu, Mimi in Zürich, „I due foscari“ in Valencia an der Seite von Placido Domingo, Amelia im „Simon Boccanegra“, „Luisa Miller“ etc. – Mozart kommt da immer seltener vor. Ein kurzer Faktencheck auf Youtube in Sachen Verdi zeigte, dass die Stimme in dramatischen Passagen stark forciert und metallisch klingt – und die Erwartungen für die Contessa wurden demgemäß nicht allzu hoch geschraubt. Aber Yu überraschte mit einer ausgewogenen Stimmführung sowie klarer Tongebung. Das Timbre ließ „Mozartsopran-Silber“ hören, wie es für eine Contessa wünschenswert ist, allerdings mit einer metallischen, von ersten feinen Haarrissen bedrohten Kante beschlagen, die mehr dazu angetan ist, den Connaisseur zu beunruhigen als zu begeistern. Die Sängerin fügte sich darstellerisch gut ins Ensemble ein.

Valentina Nafornita spielte eine lebendige Susanna, zeigte sich aber stimmlich nicht in bester Form. Sie sang verhalten, und über weite Strecken entwickelte ihr Sopran kaum Leuchtkraft. Zum versöhnlichen Ende gelang ihr noch eine hübsche, aber vorsichtig vorgetragene „Rosenarie“. Kate Lindsey hatte an diesem Abend ihr Wiener Rollendebüt als Cherubino: Sie ließ einen schlanken, kompakten Mezzo hören, der sich bei den beiden Gustostückerl der Partie vieler Ausdrucksmöglichkeiten enthielt. Die erotischen Phantasien eines pubertären Pagen blieben von ihr unentdeckt.

Das reichhaltige Personal war weitgehend bekannt, und agierte im Rahmen der jeweiligen sängerischen Möglichkeiten. Rollendebüts am Haus gaben Hila Fahima als gesanglich zartbesaitete Barbarina und Leonardo Navarro als rollengemäß stotternder Don Curzio.

Als Adam Fischer am Beginn der Vorstellung das Dirigentenpult erreichte, klappte er gleich die aufgeschlagene Partitur zu, die dort seiner harrte, und schob sie zur Seite. Fischer ist derzeit offenbar die „Wunderwaffe“ der Wiener Staatsoper für Mozart und ein Garant dafür, dass sich auch im Alltag mit wechselnden Besetzungen qualitätsvolle Ergebnisse erzielen lassen. Er ist in dieser Saison für alle „Figaro“- und „Don Giovanni“-Aufführungen angesetzt. An diesem Abend fehlte seinem bewährten Dirigat phasenweise der Esprit (aber der war auf der Bühne auch nur punktuell zu finden).

Das Publikum applaudierte sechs oder sieben Minuten lang – und an Bravorufen wurde auch nicht gespart.