LE NOZZE DI FIGARO

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Staatsoper
3. Dezember 2015


Dirigent: James Gaffigan

Conte di Almaviva - Adam Plachetka
Contessa di Almaviva - Véronique Gens
Susanna - Aida Garifullina
Figaro - Alessio Arduini
Cherubino - Elena Maximova
Don Bartolo - Dan Paul Dumitrescu
Don Basilio - Thomas Ebenstein
Don Curzio - Peter Jelosits

Barbarina - Maria Nazarova
Marcellina - Ulrike Helzel
Antonio - Clemens Unterreiner


„Viel neues Personal bei Almavia“
(Dominik Troger)

An der Staatsoper wurde Mozarts „Figaro“ mit jeder Menge an Wiener Rollendebüts auf den Spielplan gesetzt. Nachfolgende Anmerkungen beziehen sich auf die dritte und letzte Aufführung dieser Serie.

Der Staatsopern-„Figaro“ in der Regie von Jean-Louis Martinoty ist jetzt auch schon wieder über fünf Jahre alt. Gespielt wurde an diesem Abend die 30. Aufführung in dieser Inszenierung (laut Programmzettel). Die Sehnsucht nach der alten Produktion von Jean-Pierre Ponnelle bleibt allerdings ungebrochen.

Adam Plachetka wurde mit dieser Aufführungsserie vom Figaro zum Grafen ernannt. Seine Conte pflegte eine durchsetzungsstarke, bühnenpräsente Gangart. Gegenüber der Gräfin wurde er im zweiten Akt fast handgreiflich, bedrohte sie mit dem Degen, fasste sie im Eifersuchtszorn sogar im Nacken, um ihr demütigend das Haupt zu beugen. Plachetkas kerniger Bariton lieferte gesanglich den passenden „Stoff“ dazu. Kein Wunder also, wenn das Personal und sogar die eigene Gemahlin bei solcher Behandlung aufbegehrten.

Veronique Gens litt als gestrafte Gräfin an der Seite eine solchen Gatten, der vor Gewaltandrohungen nicht zurückschreckt und hinter jedem Kittel her ist. Gens Sopran gelang nach einem flackrigen und mühevollen „Porgi amor“ das „Dove sono“ besser, aber ich vermisste die Leichtigkeit in der Höhe und für seelenvolle Piani. Das melancholisch überschattete Timbre ihres Soprans nahm der Gräfin viel Lebensfreude – und es war spürbar, dass diese Frau mehr aus Pflicht, denn aus Neigung die Beziehung zu ihrem Gemahl aufrecht hält. Aber vielleicht hätte Cherubino im zweiten Akt die zarten Seelensaiten der Gräfin zum Klingen gebracht, wäre der Graf nicht so plötzlich vor der Tür gestanden. Gräfin und Cherubino herzten sich jedenfalls prächtig.

Wo die Gräfin ist, ist Susanna nicht weit. Die Susanna der Aida Garifullina war adrett und kokett, aber nicht ohne eine gewisse modelhafte Eleganz, die dem Charakter ein wenig die Herzenswärme abzog. Ihr Sopran, der im Timbre eine leicht glitzernde Beimischung besitzt, färbte die Figur insgesamt etwas kühl. Nach meinem Geschmack müsste Susanna naiv-sinnlicher erscheinen und ihr eine etwas breitere, weichere Stimmfarbe die entsprechende Poesie in die Rosenarie malen. In der Tiefe klang Garifullinas Sopran nicht mehr so präsent, und es schien insgesamt ein wenig die Gefahr zu bestehen, dass sich das angesprochene Glitzern etwas metallisch in die Tonbildung hineindrängt – was für eine klaren, makellosen Mozartgesang dann nicht mehr so optimal ist.

Der Figaro von Alessio Arduini war wendig, spielte sich aber nicht ins Zentrum der Intrige. Sein rauer Bariton setzte sich zu wenig deutlich vom Grafen ab – und er sang den Figaro mehr mit dem Potenzial eines Masetto. Elena Maximova, die überzeugende Marfa in der Chowanschtschina-Premiere letzte Saison, war als Cherubino fehlbesetzt. Sie bemühte sich zwar redlich, ihr metallisch gereiftes Organ mit dem pubertären Wirbelwind und leichtfüßigen Erotomanen in Einklang zu bringen, aber das Ergebnis war einfach die falsche „Konfektionsgröße“ – im Gesang ebenso wie im Spiel.

In dieser Aufführungsserie war wirklich fast alles neu (bis auf den Gärtner und Don Curzio): Dan Paul Dumitrescu spielte den Don Basilio mit reduzierter Buffoqualität und sang seine Arie nobel und ein wenig verhalten. Da haben viele Rollenvorgänger mehr für die Komödie geleistet. Thomas Ebenstein war ein gesanglich spröder Don Basilio – sein Hüpfgang, der irgendwie dem Stottern Don Curzios nachempfunden war, nicht unwitzig. Immerhin hat sich Ebenstein im Hause Almaviva vom Don Curzio zum Basilio „hochgedient“. Ulrike Helzel sang eine solide Figaro-Mutter (sie und Basilio ohne Arie). Maria Nazarova sang eine erfrischende Barbarina, im Spiel von jener publikumswirksamen Herzlichkeit, die ich mir auch von einer Susanna wünsche. Clemens Unterreiner hat man als Gärtner gar nicht als Clemens Unterreiner erkannt – und Peter Jelosits gab den vor allem im Stottern bewährten Don Curzio.

Das auf ein herkömmliches Klangbild ausgerichtete Orchester untere James Gaffigan wurde straff geführt und malte zeitweise mit etwas zu dicken Farben. Die Ouvertüre betonte mehr die Aufmüpfigkeit Figaros als das rasende Herzklopfen erotischer Eskapaden. Der sinnliche Esprit von Mozarts Musik kam wenig zur Geltung. Das Publikum war dem Applaus nach mehr als zufrieden, und es gab natürlich Bravorufe bei den Einzelvorhängen.

Fazit: Insgesamt kein Abend für Feinschmecker – und dementsprechend nur sehr wenig langjähriges Stammpublikum im Haus.