DIE HOCHZEIT DES FIGARO

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Volksoper
30. November 2012


Dirigent:
Dirk Kaftan

Regie, Bühne und Licht: Marco Arturo Marelli
Kostüme: Dagmar Niefind

Premiere am 25.11.12

Graf Almaviva - Konstantin Wolff
Gräfin Almaviva - Jacquelyn Wagner
Susanna - Rebecca Nelsen
Figaro - Yasushi Hirano
Cherubino - Dorottya Láng
Marcellina - Sulie Girardi
Basilio - Karl-Michael Ebner
Don Curzio - Christian Drescher
Bartolo - Stefan Cerny
Antonio - Petar Naydenov
Barbarina - Mara Mastalir


Unterhaltsamer Opernabend
(Dominik Troger)

Die Volksoper reüssiert mit einer Neuproduktion von „Die Hochzeit des Figaro“. Ein junges Ensemble und ein erfahrener Regisseur sorgen für einen unterhaltsamen Opernabend.

Marco Arturo Marelli hat nach 1989 zum zweiten Mal den „Figaro“ an der Volksoper inszeniert. Warum? Marelli erklärt das in einem Gespräch, das im Programmheft nachgelesen werden kann. Eine Wiederaufnahme der Produktion scheiterte am abgespielten Bühnenbild. Marelli: „Eine Wiederherstellung dieser technisch sehr aufwändigen Produktion wäre sehr teuer gekommen, und so habe ich vorgeschlagen, etwas Neues, technisch Einfacheres zu machen, was auf Zustimmung stieß.“

Der Unterschied zur alten Produktion ist aber nicht wirklich „dramatisch“. Die Grundkonzeption besteht darin, diesmal zwei Barockgemälde aus dem 18. Jahrhundert als „Tapete“ für das Schloss des Grafen zu verwenden. Marelli wählte die „Aufnahme Dianas in den Olymp“ von Daniel Gran aus, ein Deckenfresko aus dem Schloss Eckartsau, sowie den „Sturz der Giganten“ von Francisco Bayeu y Subias, ein Gemälde das im Madrider Prado besichtigt werden kann. Marelli wollte damit vereinfacht formuliert zwei Hauptthemen des „Figaro“ verknüpfen: das Heraufdämmern der französischen Revolution im Kampf zwischen den Ständen und die unübersehbare erotische Komponente des Werkes.

Die Bühne wurde durch einen Rahmen leicht verkleinert und mit beweglichen Kulissenelementen versehen, die seitlich hinein- und hinausgeschoben werden können. Eine solche „Schiebetüre“ fungiert zu dem als „Blende“, die die Bühne verschließen kann. Ein schmaler Streifen vor dem Souffleurkasten bleibt auch bei geschlossener Bühne bespielbar und wird auch genützt. Die „Blende“ ist mit barocken Malereien ausgestattet, ebenso wie die Wand des Zimmers der Gräfin. Der Hintergrund schließt mit einem Rundhorizont ab.

Die Kostüme und das etwas sparsame Ambiente der Räume verweisen auf das 18. Jahrhundert. Von schöner Wirkung ist das Zimmer der Gräfin im zweiten Akt mit den drei schmalen, sonnenlichtdurchfluteten Fenstern und dem mittig platzierten Bett der Gräfin. Hübsch gibt sich auch der Garten im vierten Akt, mit Elementen von zurechtgeschnittenen Hecken, die sich bestens zum Verstecken eignen. Sehr gut die Lichtregie, die dem Tagesablauf gemäß der Handlung folgt und manch stimmungsvollen Moment hervorruft.

Kritisieren könnte man, dass durch diese verschiebbaren „Mauerelemente“ manches schon ein bisschen zu „zweckmäßig“ wirkt. Figaros Zimmer, in dem er am Beginn ausmalt, ist ein wenig Torsohaft in die Bühne integriert, ebenso der Gerichtssaal im dritten Akt, der bei der Arie des Grafen noch durch eine Wand abgedeckt ist, die später dann zur Seite fährt. Die Verwandlungen funktionieren durch dieses „System“ aber recht flüssig.

Bei Marelli bleibt Mozart „unkompliziert“ im besten Sinne des Wortes. Die Personenregie entwickelt die Pointen zwanglos aus dem Libretto, mit Witz und Energie. Schon das „Versteckspiel“ im ersten Akt wusste zu überzeugen. Cherubino unter dem Bett, dann auf dem Bett unter einer Decke: es wird alles sehr deutlich ausgespielt – auch die Zudringlichkeit des Grafen. Marelli hat die erotische Komponente deutlich forciert. Und es macht sich viel besser, wenn sich die Gräfin am Beginn des zweiten Aktes noch halbverschlafen im Bett räkelt, als wenn sie unter einem schwermütigen Kreuzigungsgemälde zu Jesu-Füßen ihrer Liebe nachtrauert (wie in der Staatsoperninszenierung, die gegenüber dieser Neuproduktion an der Volksoper deutlich düsterer wirkt: sowohl von der Beleuchtung als auch von der Stimmung, die sie verbreitet).

Am Schluss setzen sich dann alle an einen runden Tisch im Park, um zu dinieren und das Hochzeitsmahl einzunehmen: ein versöhnliches Finale nach dreieinhalb Stunden turbulentem Bühnenstreit. (Interessant ist natürlich, dass auch an der Staatsoper „Gemälde“ eine Rolle spielen – insoferne gibt es Ähnlichkeiten. Die Personenführung bei Marelli ist aber ungleich spritziger und das Bühnenbild stützt die Interaktionen der Protagonisten viel besser – und außerdem ist es hübscher anzuschauen.)

Der Volksoper ist es gelungen, für diese Produktion ein junges Ensemble zusammenzustellen, das bei durchwegs guten gesanglichen Leistungen für einen recht homogenen und humorvollen Abend sorgte. Dass sich der Gebrauch der deutschen Sprache in den Rezitativen für den eloquenten Fortgang der Handlung nicht immer als vorteilhaft erwies, sei angemerkt. Der Charakter des Stücks verschiebt sich dadurch ein wenig, wird eine Spur gröber, bekommt einen volkstümlicheren Zug, der aber grundsätzlich nicht unpassend ist. „Figaro“ oder auch „Don Juan“ scheinen mir hier anpassungsfähiger im Gebrauch als das „klassische“ italienische Repertoire. (Dankeswerter Weise gibt es trotzdem Übertitel!)

Yasushi Hirano war ein noch sehr jung aussehender Figaro, mit vielversprechender Stimme, der freilich insgesamt etwas „kerniger“ und selbstbewusster an die Sache hätte herangehen können. Da wirkte einiges noch zu einstudiert, um die Fäden der Intrige an sich zu reißen. Rebecca Nelsen lieh der Susanna einen zarten, etwas fragilen Sopran, der im Laufe des Abends an Festigkeit gewann und die Leistung mit einer beherzt gesungenen „Rosenarie“ krönte. Nelsen spielte sehr gut – war mir aber im „Teint“ und im „Timbre“ der Gräfin zu ähnlich.

Als Gräfin sorgte Jacquelyn Wagner mit ihrer Arie im dritten Akt für den sängerischen Höhepunkt des Abends: ein Mozartsopran mit guter Stimmkontrolle und einem leicht silbrig schimmernden Timbre. Wagner spielte die Gräfin mit „aristokratischer Herzlichkeit“: eine junge Frau schwankend zwischen Liebe und Enttäuschung, der man auch die menschliche Größe abkaufte, mit der sie schlussendlich dem Grafen verzeiht. Der Graf von Konstantin Wolff war wie der sportliche Körperbau des Sängers mehr markanter Natur und auf die zielgerichtete Erfüllung der erotischen Wünsche Almavivas ausgelegt. Wolff bestand in den Turbulenzen der Handlung mit Autorität; solide die Arie im dritten Akt, der es ein bisschen einem üppigeren Timbre und Raffinesse ermangelte.

Passend burschikos der Cherubino von Dorottya Láng mit bereits recht hübsch gerundetem Mezzo, adrett Mara Mastalir als Barbarina, die mit ihrem schon leicht „blumigen“ Sopran in Folgevorstellungen auch die Susanna singen wird. Stefan Cerny steuerte einen witzigen und gesanglich ebenfalls überzeugenden Bartolo bei. Karl-Michael Ebner (Basilio) und Sulie Girardi (Marcellina) ergänzten passend (ihre Arien waren gestrichen worden). Witzig der einem Schluck aus dem Schnapsfläschchen nicht abgeneigte Gärtner von Petar Naydenov sowie der stotternde Dom Curzio von Christina Drescher. Der Chor war gut ins Geschehen eingebunden – die bühnenerfahrene Handschrift von Marco Arturo Marelli auch hier deutlich ablesbar.

Zügig ging das Orchester unter Dirk Kaftan ans Werk, der in den Arien aber das Tempo zurücknahm, und dabei viel Gefühl für die musikalische „Poesie“ des „Figaro“ bewies. Ihm gelang ein Kompromiss zwischen härterem „Originalklang“ und einer üppigeren „romantischen Interpretation“. Man könnte fast sagen, Kaftan habe die Behändigkeit des Rokoko mit seiner Lesart eingefangen – ließ da und dort Streicherfiguren wie Amoretten herauswachsen, ein bisschen lasziv und mit Humor. Viele Details wurden mit Liebe ausgestaltet – und Kaftan schien dabei – wie Marelli auf der Bühne – Mozarts Musik ganz „natürlich“ fließen zu lassen, so dass sich ein „wohlgerundeter“, überzeugender Opernabend ergab, der dem Zuseher inklusive Pause dreieinhalb Stunden lang gute Unterhaltung bot.

Das Publikum applaudierte für einen Repertoireabend (und es war ja schon die dritte Aufführung dieser Produktion) recht angetan – wenn auch nicht allzulange.