LE NOZZE DI FIGARO

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Staatsoper
29. Dezember 2011

Dirigent: Adam Fischer

Conte d'Almaviva - Adrian Eröd
Contessa d'Almaviva - Christina Carvin
Susanna - Anita Hartig
Figaro - Adam Plachetka
Cherubino - Rachel Frenkel
Marcellina - Donna Ellen
Basilio - Benjamin Bruns
Don Curzio - Benedikt Kobel
Bartolo - Sorin Coliban
Antonio - Marcus Pelz
Barbarina - Jeanine De Bique


Figaro in neuer Besetzung
(Dominik Troger)

Mit Mozarts „Le nozze di figaro“ umrahmt die Staatsoper heuer den Jahreswechsel (neben der obligaten „Fledermaus“). Eine ganze Reihe an Rollendebüts lud zum Vergleich mit der Premiere vom vergangenen Februar ein. Besprochen wird die zweite Aufführung der laufenden Serie.

Ob die Staatsoper zumindest beim „Figaro“ dem angekündigten Schritt zu einem „neuen Mozartensemble“ näher gekommen ist? Die Neuinszenierung von Jean-Louis Martinoty (Regie) in der düsteren „Gemäldegalerie“ von Hans Schavernoch macht es den Sängerinnen und Sängern jedenfalls schwieriger, im „Figaro“ die „Opera buffa“ zu entdecken und auszuspielen.

Vor allem im ersten und zweiten Akt ertappte ich mich dabei, mir vor meinem „inneren Auge“ die Szene in der alten, leider abgelösten Produktion von Jean-Pierre Ponnelle vorzustellen: Das unmöblierte Zimmer des ersten Aktes mit dem „bühnenstrategisch“ viel besser platzierten Lehnstuhl, der als Versteck dient. Die Abgeschlossenheit des Bühnenraums fasste die quirlige Handlung in einen spielerisch ausgedeuteten barocken Rahmen – und bot den Stimmen der Sänger akustische Unterstützung.

Jetzt ist die Bühne offen, große Gemälde hängen an Schnüren herab. Den Aktionen fehlt der „intime Rahmen“, die Stimmen gewinnen kaum Resonanz. Außerdem hat es Jean-Louis Martinoty verabsäumt, den Schwung, den da Ponte und Mozart in den Rezitativen entwickeln, szenisch umzusetzen. Die Düsternis des nur partiell ausgeleuchteten Bühnenraums wetteifert mit einer zu „unspontan“ wirkenden Bühnenaktion.

Die magere Ausleuchtung der Bühne ist ohnehin ein Fall für sich: Das Geschehen lässt sich in einem Tagesablauf unterbringen, darauf sollte die Beleuchtung ausgerichtet sein. Der Kontrast von Tageshelle und Dunkelheit verspricht für das letzte Bild im nächtlichen Park eine emotional starke Wirkung auf das Publikum. Aber solcher „Effekt“ war offenbar nicht gefragt.

Die Besetzung wurde diesmal ganz aus dem Staatsopern-Ensemble gestellt – und hinterließ eigentlich einen überzeugenderen Eindruck als die Besetzung der Premierenserie vom vergangenen Februar:

Bereits bekannt war Adrian Eröd als Graf. Mozart ist bei seinem eleganten Bariton sehr gut aufgehoben. Eröd gibt den Grafen als etwas leichtlebigen Charmeur, der über einen emotional unreifen Charakter verfügt. Am Schluss steht er da wie ein begossener Pudel, vor allen gedemütigt. Ob er auf die Botschaft der Aufklärung, die da Ponte und Mozart in die Oper verpackt haben, hören wird? Sein Abgang mit der Gräfin an der Hand sprach mehr von Zorn als von Selbsterkenntnis. Stimmlich tut Mozart Eröd gut, will mir scheinen. Da kann sich sein Bariton in jener edel gewachsenen, schlanken Noblesse entfalten wie man sie von den ersten Jahren seiner Staatsopernkarriere in Erinnerung hat – oder er könnte sich so entfalten. Denn die Stimme klang an diesem Abend oft nasal verschattet, offenbar plagte den Grafen eine Verkühlung?

Der potentiell mozartleichte, stimmliche Luxus eines Adrian Eröd fand sich bei den anderen Mitwirkenden so nicht. Die Gräfin der Christina Carvin war mir persönlich stimmlich schon eine Spur zu „schwer“ gebaut und die Stimme besaß ein kurzwelliges, unruhiges Flackern. Nicht nur die melancholischen Lyrismen im „Dove sono“ hätte ich mir schwebender, zarter, ausdrucksfähiger gewünscht. Davon abgesehen fügte sich ihre Gräfin recht gut in das Ensemble ein.

Als Susanna würde ich persönlich eine Sängerin mit „lieblicherem“ Timbre vorziehen, das eine weichere, sinnlichere Abrundung besitzt. Sie würde dann so recht als begehrenswertes erotisches Zentrum des Stücks erscheinen. Anita Hartigs Sopran ist mir dafür etwas zu fest timbriert. Hartig – wie die Gräfin, Figaro, Cherubino und Barbarina mit Rollendebüt in dieser Aufführungsserie – behielt die Handlungsfäden gut in der Hand, überzeugte mit Humor und in der Arie im vierten Akt mit „mozartischem Vortrag“.

Adam Plachetka war als Figaro etwas gewöhnungsbedürftig. Den gewitzten spanischen Barbier konnte ich in ihm nicht entdecken. Seine Art Intrigen zu spinnen hatte etwas Sperriges an sich. Vielleicht ist er vom Typus nicht wirklich ideal eingesetzt, schlank und groß gewachsen tendiert seine körperliche Erscheinung mehr zum Grafen als zum Untertan. Mit der Zeit gewöhnte ich mich an seine etwas gröbere Art, die auch in seinem Gesang mehr das drohendere Element betonte und weniger die lustvoll ränkeschmiedenden Seiten dieses Bühnencharakters.

Rachel Frenkel sang in ihrer Rollendebüt-Serie einen ansprechenden Cherubino – der aber noch stärkeres erotisches Feuer benötigen würde: eine sinnliche Atemlosigkeit im Vortrag, um die unbewusst-bewusst aufwühlend in Cherubinos Busen lodernden Gelüste so recht hervorzuholen.

Sorin Coliban gefällt mir als Bartolo immer besser, das klingt gut und hat Humor. Auch Benjamin Bruns setzte Akzente, die Arie hat man dem Basilio leider gestrichen. Genauso ohne Arie musste Donna Ellen (Marzellina) ihr Dasein fristen, die sich pointiert ins Geschehen einbrachte. Benedikt Kobel ist als stotternder Don Curzio immer für Lacher gut. Marcus Pelz gab einen komischen Antonio, und Jeanine De Bique stellte sich als reizvoll-exotische Barbarina dem Staatsopernpublikum vor.

Adam Fischer ließ das Orchester mit Rücksichtnahme auf die Sängerinnen und Sänger spielen, in der Lautstärke teilweise deutlich zurückgenommen. Er blieb im Tempo recht schlüssig, ohne die Ensembles „zu Tode“ zu hetzen. Der erste Aufzug kam allerdings nicht recht in Schwung, der Abend gewann erst mit der Szene zwischen Graf und Gräfin im zweiten Akt an Format. Das Klangbild blieb eher romantisch, die „spielerische Leichtigkeit“ Mozart’schen Musizierens war aber an vielen Stellen spürbar.

Der Stehplatz war sehr gut besucht, sehr viele Touristen. Die Unruhe unter den Zuschauern am Beginn und die „Drop-out“-Quote in der Pause waren auffallend hoch. Bravorufe bei den Solovorhängen gab es nicht so viele, dafür waren zu wenige Stammbesucher im Haus. Bis zur vierten Vorstellung am 5. Jänner wird dieser „Figaro“ an Qualität und Homogenität sicher noch zulegen.