LE NOZZE DI FIGARO

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Wiener Staatsoper im Theater an der Wien
im Rahmen der Wiener Festwochen

30.6.2001

Dirigent: Riccardo Muti
Regie: Michael Heltau
Nach einer Inszenierung von Giorgio Strehler
Bühnenbild: Ezio Frigerio
Kostüme: Franca Squarciapino
Choreinstudierung: Ernst Dunshirn

Graf Almaviva - Simon Keenlyside
Die Gräfin - Melanie Diener
Susanna - Tatiana Lisnic
Cherubino - Angelika Kirchschlager
Figaro - Carlos Alvarez
Marcellina - Francesca Pedaci
Doktor Bartolo - Maurizio Muraro
Basilio - Michael Roider
Don Curzio - Peter Jelosits
Antonio, Gärtner - Boaz Daniel
Barbarina, seine Tochter - Ileana Tonca


Der Fasan im Bett
(Dominik Troger)

Mozarts Figaro im Theater an der Wien. Eine Inszenierung NACH Giorgio Strehler bei der man das Wörtlein "nach" unbedingt mit Großbuchstaben schreiben muss und viel schöner Musik.

Aber um gleich vorweg diese seltsame Überschrift zu erklären. Wenn der Graf im zweiten Akt die Gräfin in ihren Gemächern überrascht, kommt er frisch von der Jagd. Er hat einen Fasan erlegt - oder er gibt es zumindest vor - und wirft ihn mit lässiger Attitüde in das Bett der Gräfin. So nach dem Motto: da bin ich, aber fort war ich auch, nur dass du nichts Schlechtes von mir denkst. Im barocken Linnen macht sich der Fasan zwar ganz gut, aber leider bewegt sich das ganze inszenatorische Umfeld auf diesem Niveau, was nicht gegen Strehler, aber sehr wohl gegen Michael Heltau spricht, der auf dem Programmzettel unter "Regie" geführt wird. Der ziemlich leergeräumte Bühnen-Klassizismus wird mit derartiger komödiantischer Rohkost nicht wirklich aufgefüllt, und die Sänger schöpften mehr aus ihrem eigenen Darstellungsrepertoire denn aus einer witzigen Verwechslungskomödien-Choreografie. Das wird sofort im ersten Akt deutlich, wenn dieser mittig platzierte Solo-Lehnstuhl, dieser erotische Verführungs-Ruhe-Platz, sogleich als Versteck adaptiert werden muß. Das Publikum lachte, schief gehen kann da wenig. Aber die Exklusivität dieser Aufführungsserie hätte auch in dieser Szene zehnmal soviel komödiantische Virtuositiät und Spielwitz vertragen. Es lässt sich an diesem Beispiel nicht nur zeigen, wie schnell Nonchalance in Nachlässigkeit übergehen kann, sondern auch, dass gute Schauspieler keine guten Regisseure sein müssen.

Auf musikalischer Seite erwies sich die hautnahe Akustik des Theaters an der Wien wieder als ideales Transportmedium für die Figaro-Erotik, die einem aber nur stellenweise wirklich unter die Haut kroch. Riccardo Muti orientierte sich bei seiner musikalischen Interpretation auch mehr am Fasan, denn an ein paar lasziven Spät-Spät-Barock-Amoretten. Man könnte sich vorstellen, dass es ihm in Anbetracht der etwas seichten Inszenierung wichtig war, lieber mehr die rhythmisch-dynamische-Seite hervorzukehren, um Sänger und Publikum bei Laune zu halten, als das Risiko einzugehen, an diesem sommerlichheißen Abend durch betontes Goldgraben in der Partitur den "roten Faden" zu verlieren. So spulte sich dieser Figaro sehr breitbandig-populär ab und fand erst im letzten Akt wirklich diese "verklärenden" Mozart'schen Momente, wo atemanhaltend Zeit und Raum verschmelzen. Muti, dem ja sonst das Ästhetisieren nicht fremd ist, nahm diesen Figaro also ein wenig von der gröberen Seite, man könnte auch schreiben, aufmüpfigeren. Das war in Anbetracht obgenannter Umstände und weil auch das Ensemble letztlich zu inheterogen war, wohl die einzige Chance, um mit sehr gutem Erfolg über die Runden zu kommen.

Inheterogen deshalb, weil dem revoltierenden Paar von Figaro und Susanne, keine gleichwertigen "Herrschaften" gegenüber standen. Mit Carlos Alvarez war ein exzellenter Figaro zu hören und zu sehen, der das Ensemble eindeutig dominierte. Mit Tatiana Lisnic stand ihm eine junge Sopranistin als Susanna zur Seite, an deren schöner, lyrisch-frischen Stimme man sich ebenfalls nicht satt hören konnte. Graf (Simon Keenlyside) und Gräfin (Melanie Diener) mußten da deutliche Punkteabzüge hinnehmen. Der Graf wegen mangelnder Noblesse und Erotik. Ein Eindruck, den das etwas trockene, stereotype Timbre noch verstärkte - und das knabberte in Summe schon stark an der Glaubwürdigkeit dieser Partie; die Gräfin wegen ihrer fahlen, müde wirkenden Stimme, was Melanie Diener alle Konzentration abverlangte, um die Rolle mit dem gebotenen Wohlklang durchzustehen. Aber es war schließlich die letzte von sechs Vorstellungen innerhalb von nicht ganz zwei Wochen. Angelika Kirchschlager war ein bezaubernder Cherubino - in diesem "burschikosen Zwischenfach" ist sie ganz einfach "zu Hause ". Auch das weitere Ensemble - Marcellina und Bartolo, Basilio und Don Curzio, Antonio und Barbarina - gefiel, allen voran Francesca Pedaci als Marcellina.