DON GIOVANNI
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Wiener Staatsoper
18.1.2006

Dirigent: Philippe Jordan

Don Giovanni - Simon Keenlyside
Komtur - Dan Paul Dumitrescu
Donna Anna - Ricarda Merbeth
Don Ottavio - Ian Bostridge
Donna Elvira - Melanie Diener

Leporello - Kwangchul Youn
Zerlina - Ileana Tonca
Masetto - Eijiro Kai


Ziemlich blutleer
(Dominik Troger)

An der Staatsoper wird „Don Giovanni“ jetzt wieder in der Inszenierung von Roberto de Simone gespielt. Das ist kein Vorteil. Das Bühnengeschehen entwickelt kaum Witz oder satirische Schärfe, das erotisch zugleich anziehende und abstoßende Flair Don Giovannis bleibt unentdeckt.

Viel entdeckt hat hingegen Philippe Jordan in der Partitur – zu viel. Wenn man plötzlich glaubt, man sitzt in einer Händeloper, dann ist der Interpretationsrahmen doch sehr weit gespannt. Jordan hat eifrig herumgetüftelt. Manches davon ging auf, öffnete plötzlich neue akustische Räume, und die fast romantisch übersteigerte „Höllenfahrt“ war von ansprechender Dichte. Doch das fügte sich nicht zusammen, wirkte stilistisch oft zu weit voneinander entfernt und bot den SängerInnen keine Sicherheit. Im Gegenteil: für mein Gefühl war Jordan viel zu strikt und ein „harmonisches Atmen“ zwischen Bühne und Orchester hat sich nur bedingt eingestellt. Verschärft wurde die Situation durch ein ziemlich unkalkulierbares Tempo, von schleppend bis hetzend – aber ohne, dass sich dadurch die emotionale Spannung stark belebt haben würde: für mich prägte diesen Abend eine Leidenschaftslosigkeit, die auch durch den einigermaßen aufpolierten Orchesterklang nicht gemildert wurde.

Leidenschaftslosigkeit. Für Ian Bostridges Staatsoperndebüt könnte ich keine bessere Beschreibung finden. Bei allem Respekt vor seiner stimmlichen Ausdrucksfähigkeit: in Don Ottavio einen androgynen barocken Heros zu sehen, der sich aus unnahbaren, kaum noch hörbaren, kopfstimmigen Höhen herabsenkt, fällt mir schwer. Seine schauspielerische Statik hat an diesem Abend niemand überboten und man wird selten einen Don Ottavio gehört haben, dessen Schwüre so blutleer geklungen haben. Zwischen ihm und der seelenvollen Donna Anna von Ricarda Merbeth lagen stilistische Welten, die mit zur Widersprüchlichkeit dieser Aufführung beigetragen haben. Bei Merbeth spürte man das grundlegende menschliche Anliegen, ganz einfach jene Emotionen, die Mozart aus barocker Schablone ins individuelle transformiert hat. Donna Anna ist Donna Anna und keine „olympische Statue“.

Simon Keenlyside gab ein mehr zurückhaltendes Don Giovanni-Debüt. Teils hat es ihm wohl der Dirigent schwer gemacht (Champagnerarie), teils die Inszenierung mit ihren beständigen Kostümwechseln. Aber irgendwie dürfte das für nahezu alle Mitwirkenden gegolten haben: Leporello (Kwangchul Youn) machte seine Mätzchen, Donna Elvira (Rollendebüt: Melanie Diener) echauffierte sich, Ileana Tonca (Rollendebüt) bemühte sich um eine beseelt klingende Zerlina, Eijiro Kai (Rollendebüt) um einen bäurischen Masetto, aber auf den zündenden Funken habe ich bis zum Schluss umsonst gewartet. Der Komtur von Dan Paul Dumitrescu war jedenfalls zu „mild“ gestimmt, so tun sich keine Höllenschlünde auf.

Der Applaus war stark, aber nicht stürmisch.