DON GIOVANNI
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Wiener
Staatsoper Dirigent: Seiji
Ozawa |
Don Giovanni - Mariusz
Kwiecien |
Welche Chemie braucht es für eine explosive, mitreißende „Don Giovanni“-Aufführung? Die laufende Serie an der Staatsoper scheint zumindest das (Stamm-)Publikum zu teilen: bei der zweiten Aufführung verließen einige das Haus schon in der Pause (!), andere zeigten sich am Schluss durchaus zufrieden. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich – ganz wie es diese Redewendung vorgibt – in der Mitte. Auch ich kann Seiji Ozawas Mozart-Interpretation nicht mit Adverbien wie „witzig“, „leichtfüßig“, „pointiert“ oder „besonders einfühlsam“ schmücken. Er erzeugt vielmehr ein „Schwerefeld“, dass die Leichtfüßigkeit Mozart’scher Notengebinde in die Breite drückt, zerdehnt und mit ihrer Gravitation festhält, anstatt sie „loszulassen“. Trotzdem schien mir dieser Abend doch flüssiger und mit mehr Gespür für Details musiziert als frühere. Eine Problemzone bilden auch die Rezitative, die wenig Eigendynamik entwickeln, einfach so nebenher schwimmen und es ganz dem Talent der SängerInnen überlassen, „etwas daraus zu machen“. Bei wechselnden (Gast-)Besetzungen und der allgemeinen Zeitknappheit im Repertoirebetrieb ist es a) sicher nicht einfach, hier mit ordnender Hand so etwas wie „Ensemblegeist“ zu evozieren, dank dessen ein „Don Giovanni“ sich zu aufperlendem, erfrischendem Musik-Theater wandelt – aber b) darf man nicht vergessen, dass Seiji Ozawa der Musikdirektor des Hauses ist. Zur Chemie gehören neben dem Musikalischen Leiter – der sozusagen die Einzelteile in einen Erlenmeyerkolben gießt – auch viele Ingredienzen, die je nach Beschaffenheit und Anteil ihr gehöriges Stück zum Gelingen einer Aufführung beitragen. Dann mag sich als Resultat eine prickelnde „Mozart-Lösung“ ergeben oder der eine oder andere Teil fällt aus und trübt das Gesamtbild der Komposition mit unharmonischen Schwebeteilchen. Und das war in etwa der Effekt, der sich an diesem Abend einstellte. (Wobei Ozawa den Kolben insgesamt mehr abgekühlt als erhitzt hat.) Ein Diskussionspunkt war zum Beispiel die Donna Elvira der Martina Serafin. In der ersten Aufführung ist sie bei Teilen des Publikums ganz schlecht angekommen, dabei kann sie (so mein Eindruck in der zweiten Aufführung) die Impulsivität der Donna Elvira gut vermitteln sowohl gesanglich als auch darstellerisch. Allerdings – und da sind wir jetzt bei den Schwebeteilchen – sie hat die Partie wirklich ziemlich uneinheitlich im Griff. Und während die Arie im zweiten Akt, jenes „Mi tradi quell’alma ingrata“, mich in keiner Note an der Integrität ihrer Stimme zweifeln ließ, hat sie das Maskenterzett im ersten Aufzug doch empfindlich „getrübt“. Da scheint es angebracht, eine kräftige und zu einer gewissen Ungezügeltheit neigende Stimme, die außerdem einen starken Charakter hat (so etwas polarisiert immer), entsprechend auszufeilen. Am „idealen“ Don Giovanni scheiden sich sowieso die Geister. Der „Don Giovanni“ von Mariusz Kwiencien – (Hausdebüt wie Serafin in der Aufführung am 13.1.) – hat insgesamt verhaltene bis wohlwollende Zustimmung erfahren. Sein durchaus nobler Bariton besitzt Verführungspotential, kann zum Beispiel gegenüber Zerlina mit weichem Klang aufwarten und hat technisch keine Probleme. Sie besitzt ein gutes Fundament. Sie besitzt aber vielleicht das zu wenig, was er gleich zu Beginn – wenn er lässig seinen blutigen Degen am Leichnam des gemordeten Komturs abwischt – vorgibt zu sein: es mangelte an der brutalen Mutwilligkeit mit der er seine Individualität auf Kosten aller anderen lebt (und die ihn für seine Mitmenschen dämonisiert). Aber vielleicht verlor sich da auch einige Detailarbeit ungewürdigt im großen Staatsopernraum. Vom Aussehen macht er eine sehr gute Figur. Wenn Edita Gruberova nach Jahren in Wien wieder die Donna Anna singt, dann ist das ein Höhepunkt der Saison. Und bei der großen Arie im zweiten Akt, „Non mi dir...“, stellt sich jenes „Edita Gruberova-Feeling“ ein, in dem sich Dutzende, über viele Jahre gestreute Opernabende zu einem raum- und zeitlosen intensiven „Jetzt“ verschmelzen. Dass sie die Donna Anna mit der ganzen Meisterschaft ihres Belcanto-Gesanges ausgestaltet, liegt auf der Hand. Sie spielt dabei ihre betörenden Stärken aus, scheinbar ansatzlos anschwellende Piani und dieses Koloraturenwerk, bei dem keine Note verloren ist. Vor allem im zweiten Akt merkt man, dass ihre Donna Anna während der Geschehnisse eine wichtige Lebenserfahrung gemacht hat – und diese Quintessenz kommt im „Non mi dir...“ zur tragenden Geltung. Ich habe es zumindest so empfunden, als ob sie ihre Rolle auf diesen Kulminationspunkt hin ausgerichtet hätte – der Beginn, der heißblütige Alptraum dieser Schreckensnacht, das Schwurduett mit Don Ottavio, die sich entwicklungsmäßig auf einer Vorstufe bewegen, sind für mich nicht so intensiv greifbar gewesen. Vom Spiel frisch wie immer, die als Zerlina eingesprungene Angelika Kirchschlager, aber sie dürfte dieser Partie schon entwachsen sein. Da gab es immer wieder Momente, wo sie „auf die Bremse“ gestiegen ist, um auch stimmlich ein zartbeseeltes Landmädchen zu bleiben. Der Masetto von In-Sung Sim erfüllte seine vorgeschriebene Rolle, ohne sich besonders hervorzutun. Als Komtur war Dan Paul Dumistrescu kurzfristig an Stelle von Stefan Kocán eingesprungen (Rosa-Zettel), für ihn gilt nämliches. Rainer Trost konnte vor allem in den beiden Arien einiges an Stimmkultur vorführen. Bleibt noch der Leporello von Kwangchul Youn. Er hätte, seinem dünkleren Stimmcharakter nach, diese Rolle ruhig etwas fieser anlegen können. Im Detail hat Youn, bei einer gesanglich sehr soliden Leistung, einiges an Gestaltungsmöglichkeiten liegen lassen. Eigentlich ist er ziemlich harmlos gewesen. Man kann das „Madama, il catalogo usf.“ viel süffisanter und boshafter bringen. Mir war dieser Leporello ein „zu guter Kerl“. Gespielt wurde im wiedererstanden Ambiente von Zefirelli, das Bühnenbild mit südländischem Flair, viel bernsteinfarbenem Licht und jenen großen beweglichen Jalousien, die das Licht streuen und dadurch immer wieder hübschen Beleuchtungseffekt machen. Des Komturen Standbild ist riesig, er selbst kommt am Schluss aus der hinteren Bühnenmitte nach vorne marschiert, aus dem wallenden Bühnennebel. Da hinten darf es dann auch Glühen, dort ist die Hölle; aber alles nur angedeutet, vor allem auf Lichteffekten beruhend. Das ist weitaus gefälliger als die zwischenzeitlich vom Theater an der Wien übernommene „Grottenbahn“-Inszenierung. Der Applaus im vollgefüllten Haus war stark, konzentrierte sich aber deutlich auf Edita Gruberova. Sie erhielt fünf geworfene Blumensträuße. Viel Beifall gab es auch für Don Giovanni und Leporello. Ich habe keine Buhrufe gehört (am 13.1., so wurde kolportiert, hätte es einige für Ozawa und Serafin gegeben). |