DON GIOVANNI
Aktuelle Spielpläne & Tipps
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Wiener Staatsoper
6.2.2004

Dirigent: Seiji Ozawa

Don Giovanni - Michael Volle
Komtur - Mikhail Kazakov
Donna Anna - Anna Netrebko
Don Ottavio - Rainer Trost
Donna Elvira - Soile Isokoski

Leporello - Ildebrando d' Arcangelo
Zerlina - Sophie Koch
Masetto - In-Sung Sim


"Zuviel Kostüm für Donna Anna"
(Dominik Troger)

Von einer „Netrebko-Hype“, wie sie aus München berichtet wurde, ist Wien noch ein Stück entfernt. Hysterie-Level war keiner auszumachen. Aber in dieser Inszenierung ist Donna Anna ja mehr Kostüm als Mensch. Wie soll sie sich da richtig freispielen? So flogen ihr erst nach dem „Non mi dir“ die Herzen der Zuschauer zu.

Dieser Staatsoper-Don Giovanni hat einfach zu viele „Wider“ und zu wenige „Für“. Da konnte nicht mal Netrebko dagegen an. Es beginnt bei dieser Inszenierung, die im wesentlichen den SängerInnen oftmaligen Wechsel des Outfits vorschreibt, und es endet beim Dirigenten, für den die Feinmechanik der emotionalen Regungen, die Mozart in Töne gesetzt hat, weiter im Verborgenen bleibt.

Netrebko löste sich zwar hin und wieder aus dieser flauen Konventionalität und zeigte dann dem Don Ottavio schnippisch die kalte Schulter: doch die „clevere Coolness“ ihrer Donna Anna mag vielleicht modern erscheinen, aber sie tauschte mir Mozarts Tiefenschärfe gegen einen Hochglanzprospekt ein. Der naiv-brave Don Ottavio von Rainer Trost hat seine Donna Anna leider nicht aus der emotionalen Reserve gelockt (bei dieser Partie merkt man deutlich, wo seine Grenzen liegen). Und so bleibt als Fazit, dass die von den Medien geschürten Erwartungen (mit Interviews, die sich inhaltlich bald gleichen wie ein Ei dem anderen) ohnehin kaum einzulösen sind – und dass auch das „Drumherum“ passen muss. Insofern hat Netrebko blendend gesungen, wobei dieses „blendend“ durchaus doppelsinnig verstanden werden kann.

Michael Volle präsentierte sich als gut akzentuierter Don Giovanni, manchmal fast schon burlesk, dem der herzenbrechende Charmeur aber weniger gut anstand. Begeisterung hat er in mir nicht geweckt, aber Zufriedenheit. Doch Kompromisse muss man bei dieser Rolle sowieso eingehen. Ildebrando ´d Arcangelo sang einen souveränen, buffonesken Leporello, im Sinne einer Commedia dell‘arte-Schablone. Das brachte Linie hinein und sorgte für einen angenehm-leichten spielerischen Fluss. Michael Volle ist darauf eingestiegen und es ergaben sich ein paar angeregte, spielerische Momente. Soile Isokoski (Elvira) hatte ihren großen Auftritt im zweiten Akt. Diese großflächigen Mozart’schen Arien liegen ihr ungemein, im ersten Akt hätte sie „forscher“ sein können. Sophie Koch traf die Zerlina gut in Gesang und Ausdruck. Der Masetto von In-Sung Sim und der Komtur von Mikhail Kazakov erfüllten ihren Zweck.

Das Orchester hatte sich leider kein Fünkchen mehr von de Billys luftigleichtem, luzidem „Cosi“-Klang bewahrt. Bei Ozawa trägt Mozart keinen Maßanzug, sondern Konfektionsware, alles von der gleichen Farbe, ein wenig düster, ein wenig dumpf. Das „Andante“ und das „Molto allegro“ der Ouvertüre, es ist ihm alles eins. Schon die ersten beiden Akkorde, dieses bedrohliche Auftrumpfen, verhuschen wie ein Schatten, ohne Raum sich entfalten zu können. Das Charakteristikum dieses punktierten Rhythmus, dem gleich darauf die Streicher folgen müssen, wie Don Giovanni seinem Schicksal, widerstrebend und doch unausweichlich, verliert sich ebenso, wie die majestätische Architektur des darüber schwebenden, abwärtsteigenden Bläserklanges. Wenig später die auf- und absteigenden Läufe der Violinen, die sich wie Wogen aufschwingen, um dann wieder piano zusammenzubrechen, es wird eingeebnet, wie so vieles andere auch. Die Einleitung zur ersten Szene, Leporellos zorniges Herumstapfen in der Nacht, das die Violinen so deutlich unterstreichen, es findet nicht statt... Zugutehalten muss man Ozawa, dass er diesmal die Bögen besser spannte, die Rezitative enger anschloss und der „Don Giovanni“ nicht mehr so in einzelnen Nummern zerbröckelte wie bei der Wiederaufnahme im Juni letzten Jahres.

Der Applaus war stark nachher, aber blieb im Rahmen. Starkult – für wen auch immer – war daraus jedenfalls keiner abzulesen.

Die Zeitungskritiken zum „Don Giovanni“ sind sich diesmal ziemlich einig. Betreffend Netrebko kann man lesen: „Eiskalter Wind der Perfektion: Anna Netrebko in Wien“ (Standard, 9.2.); „Donna Anna, sinnlos exekutiert“ (Die Presse 9.2.), „Der Zauber einer kalten Schönheit“ (Kronen Zeitung 8.2.)

Für Stefan Ender im Standard durchsang Netrebko die Partie der Donna Anna „mit der Makelosigkeit und der glatten Perfektion einer Megaperle – nur dass diese sich kaum im Sprudelwasser der Emotion auflösen wollte.“ Wilhelm Sinkovicz in der Presse meint, Netrebko sänge nur „die Noten. Eine Lautstärke, ein Intensitätsgrad.“ Das Ergebnis sei eine: „tönenden Uniformität“. Karlheinz Roschitz in der Kronen Zeitung: „Allerdings hinterlässt ihre Anna den Eindruck eigenartiger Gefühlskälte.“ Auch wenn er sie als „Augen- und Ohrenschmaus“ empfunden hat. Gert Korentschnig im Kurier (8.2.) titelte: „Anna Netrebko im Kostümverleih“ und macht für Netrebko die kostümüberladene Inszenierung als Wirkungshemmins gelten. In der Wiener Zeitung (9.2.) schreibt Christina Mondolfo: „Mit ihrer stupenden Gesangstechnik und strahlenden Stimme gewann sie sofort das Publikum, doch manchmal war sie etwas zu kühl, zu abweisend.“

Das Wirken von Seiji Ozawa am Staatsopernpult war der zweite Brennpunkt der Aufmerksamkeit, hier reichten die Statements von „Seiji Ozawa hat einiges zugelegt“ (Kronen Zeitung) über ein „konventionelles akustisches Wirken“ (Standard) bis zu der Anmerkung, dass er „weiterhin auf der Suche nach einer Mozartlinie“ wäre (Kurier). Einschränkend auch die Wiener Zeitung: „mitunter sehr langsame Tempi“ und „manchmal etwas zu schwerfällig“. In der Presse heißt es: „Aber Seiji Ozawa waltet am Pult, und das klingt keinen Deut so, als ob da ein überlegter, überlegener Gestalter am Werk wäre, ein Kapellmeister, der die Fäden in der Hand hat und en gros wie en detail die Dramaturgie Da Pontes und Mozarts dirigiere.“

Michael Volles Don Giovanni wird mit Einschränkungen gehandelt, ausdrückliches Lob für ihn gibt es nur im Standard. Als gut oder sehr gut werden Arcangelo, Isokoski, Koch erwähnt.