DON GIOVANNI
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Staatsoper
7. Oktober 2024

Dirigent: Oleg Ptashnikov



Don Giovanni - Davide Luciano
Donna Anna -
Louise Alder
Don Ottavio -
Bogdan Volkov
Donna Elvira -
Nicole Car
Leporello - Peter Kellner
Zerlina -
Patricia Nolz
Masetto - Ilja Kazakov
Komtur - Ante Jerkunica


„Männerfreundschaft

(Dominik Troger)

Vom „Don Carlo“ zum „Don Giovanni“ – das „Textilinstitut“ wird mit einer kargen Felslandschaft getauscht. Wahrscheinlich ist Barrie Kosky aber näher an Mozart dran, als Kirill Serebrennikov an Verdi, doch solche Unterschiede zählen derzeit wenig. Denn die Nachwehen der „Don Carlo“-Premiere sind noch gar nicht verdaut.

Aber ist das sogenannte „Regietheater“ nicht ohnehin längst daran gescheitert, große Teile des Publikums für sich zu gewinnen? Am 23. Februar 1987 notierte der damalige Staatsoperndirektor Claus Helmut Drese nach einer „Idomeneo“-Premiere: „Das Regieteam wurde durch ein massives Buhkonzert ausgezeichnet. Die Wiener Opernfreunde werden sich an neue ästhetische Bühnenformen gewöhnen müssen.“ (1) Wenn fast vierzig Jahre später der heute amtierende Staatsoperndirektor ähnliche Sätze während der „Don Carlo“-Premierenfeier als spontane „Dienstanweisung“ für seinen Chefdramaturgen auf eine halbzerknüllte Papierserviette notiert hätte, wen würde es überrascht haben?

Dabei ist es längst Zeit für einen Paradigmenwechsel, in dem sich die von öffentlichen Geldern alimentierten „Opernmacher“ endlich bewusst werden, was sie ihrem Publikum eigentlich schuldig sind. Und bezogen auf diesen „Don Giovanni“ ist der Unterschied zwischen Kirill Serebrennikov und Barrie Kosky auch mehr „gradueller“ Natur. Dem Publikum drei Stunden lang den Anblick eines schwarzgrauen Felsplateaus zuzumuten, passt sehr gut zur Ansammlung „optischer Trümmerhaufen“ an der Wiener Staatsoper, die unlängst Wilhelm Sinkovic, Musikkritiker der Tageszeitung „Die Presse“, diagnostiziert hat. (2)

Aber es geht natürlich nicht nur um die Optik. Kosky banalisiert, er macht seine Witzchen, wobei manches gelingt, vieles veralbernd einen schalen Geschmack zurücklässt. Die Friedhofsszene, in der Kosky ein von Drogen beeinflusstes „Happening“ zwischen Don Juan und Leporello mit allerhand Infantilitäten auf die Bühne stellt, ist szenisch eigentlich unerträglich – und der Herztod Don Giovannis eine zu abgeschmackte Lösung für da Pontes Theatralik und Mozarts Musik (aber darüber habe ich schon anlässlich der Premiere reflektiert).

Musikalisch mauserte sich die Aufführung zu einer guten Repertoirevorstellung. Peter Kellner gab einen selbstbewussten Leporello, man spürte, dass ihm die Rolle am Herzen liegt. Seine Stimme passt auch gut zu diesem Kerl, fest und etwas rau, und in der Registerarie hat er mit eloquenter Ironie Don Giovannis-Schandtaten aufgezählt. Er bildete mit dem Don Giovanni von Davide Luciano ein sehr gutes Team. Die Inszenierung setzt schließlich auf eine starke „Symbiose“ zwischen Herrn und Diener, fokussiert mir aber schon zu penetrant auf die Herausarbeitung männlicher „Freundschaftsrituale“. Außerdem bedarf es in dem kargen Bühnenambiete viel darstellerischer Energie. Davide Luciano wusste mit schönem Bariton vor allem dann zu überzeugen, wenn er ihn mit „Schwung“ (Champagnerarie) präsentieren durfte. In solchen Momenten vermittelte er mit baritonalem Leuchten ein egozentrisches Wohlgefühl, das immerhin noch einen mythischen Abglanz von Don Giovannis einstiger „Größe“ in dieses unansehnliche Bühnenambiente spiegelte.

Bogdan Volkov malte wieder den Don Ottavio in Aquarell, beim „Dalla sua pace“ etwas angestrengt klingend, und wieder mit (zu) leisem Tenor (der von der offenen Bühne auch keine akustische Unterstützung erfährt). Der Komtur von Ante Jerkunica gab sich stimmlich grimmig und durchschlagskräftig genug. Aus gröberem Stoff war der Masetto des Ilja Kazakov gestrickt, aber er stellte diesen unreifen Burschen mit Nachdruck auf die Bühne. Seine Zerlina lag bei Patricia Nolz in guter, vielleicht der Partie langsam schon entwachsender Kehle. Louise Alder gab eine engagierte Donna Anna. Ihre Stimme ist nach meinem Eindruck doch mehr ein lyrischer Sopran, und die nachdrückliche sängerische Ereiferung über all die Gefühlsnotstände dieser Bühnenfigur tat ihm nicht so gut, wie an einigen unschönen Spitzentönen zu hören war. Nicola Cars Donna Elvira wurde von einem kühlen „Teint“ umgeben, die Stimme passt für meinen Geschmack mehr ins französische Fach.

Oleg Ptashnikov am Pult war dem Abend ein guter Verwalter, ließ einen eher schlanken, leicht „klassizistisch“ angehauchten Mozart hören, nicht immer von der Spannung getragen, die man sich gewünscht hätte. Der Schlussapplaus lag bei rund fünf Minuten. Zweimal läutete auf der Galerie ein Handy, obwohl Billeteure wie „Haftlmacher“ jedes aufblitzende Display jagen. Wird man dieser „Seuche“ je wieder Herr werden? Handys sind das „COVID“ der Opernhäuser.

(1) Claus Helmut Drese: „Im Palast der Gefühle. Erfahrungen und Erinnerungen eines Wiener Operndirektors“. München 1993.
(2) „Der optische Trümmerhaufen den er [der Regisseur] hinterlässt, bleibt für Jahre erhalten.“ Wilhelm Sinkovic hat in seinem Kommentar auch Wichtiges über die Zerstörung des Repertoiresystems an der Staats- und Volksoper anzumerken. Wilhelm Sinkovic: „Randale bei Opernpremiere! Ist das Publikum schuld?“. In: Die Presse 5.10.2024.