DON GIOVANNI
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Don Giovanni - Ludovic
Tézier |
Den Abend des ersten Adventsonntags in der Oper bei „Don Giovanni“ zu verbringen, spricht vielleicht nicht gerade für einen christlichen Lebenswandel, aber wenigstens wird der böse Bube auf der Bühne vom Teufel geholt. Man muss an die derart ins Lot gebrachte Moral nur fest glauben, und schon ist man „absolviert“. An „Don Giovannis“ war in diesem Wiener Opernherbst kein Mangel: semi-konzertant im Konzerthaus und im Theater an der Wien, jetzt an der Wiener Staatsoper. Die Aufführung im Konzerthaus präsentierte das gehypte Mozartbild eines Pultstars mit Kontrollzwang, die Aufführung im Theater an der Wien nützte Erwin Schrott in der Titelpartie für eine packende Selbstdarstellungsperformance – und an der Staatsoper avancierten Adam Fischer und das Staatsopernorchester zu den eigentlichen Matchwinnern und blieben einem Mozartbild treu, das mit charmanter Pointiertheit aufzuwarten wusste. Bei Adam Fischer gibt es keine verhetzten Tempi oder ausgebremste, aus dem Zeitmaß geworfene Arien, sondern Mozarts Humor sprüht aus vielen Takten und die Ensembles schnurren mit Animo dahin. Adam Fischer, auswendig dirigierend, belebte Mozarts Musik mit einer „klassizistischen“ Klarheit, die eine „rohköstlerische“ historisch informierte Aufführungspraxis ebenso vermied wie eine „bedeutungsschwangere“ auf den Esprit drückende „Romantik“. Das Orchester durfte seinen Wohlklang einbringen, verbunden mit kammermusikalischer Spielfreude – und das Ganze rundete sich im Laufe des Abends zu einer schlanken, auch in der Tempowahl schlüssigen Kombination. Einschränkend sei hinzugefügt, dass die Aufführung eine längere Anlaufphase benötigte, um in Schwung zu kommen. Das hatte viel – aber nicht nur – mit dem Don Giovanni von Ludovic Tézier zu tun, der in den ersten Szenen mehr als Don Giovannis Schatten, denn als „Person“ auftrat, und sich auch stimmlich zurückzuhalten schien. Als markante Bühnenfigur manifestierte sich dieser Don Juan erst mit der flotten Champagnerarie und im Taumel des Festes. Téziers Ausstrahlung als Don Giovanni ist bereits bei seinem Wiener Rollendebüt 2018 weit davon entfernt gewesen, einen „Testosteron-Vulkan“ zu zünden. So sehr man zu schätzen weiß, dass sich dieser Bariton beispielsweise nach wie vor genug Geschmeidigkeit für das Ständchen bewahrt hat, so wenig mitreißend blieb er selbst in der Höllenfahrt. Téziers „Don Giovanni“ hat eine lakonische Art, die sich mit verhaltenem Zynismus gespickt irgendwie selbst zu genügen scheint. Dergleichen setzt das Publikum aber schwer unter Feuer. Peter Kellners Leporello klang etwas grob – auch in der Diktion wenig einschmeichelnd – und die Aufzählung von Don Juans-Eroberungen hätte in einer deutschen Fassung womöglich mehr Wirkung erzielt. Er führte in der Stimme gleichsam den Bauernknüppel ins Feld, den eigentlich Masetto schwingen müsste, um Don Giovanni zu verprügeln (hätten es da Ponte und Mozart zugelassen). Clemens Unterreiner hingegen, dem Masetto dieser Aufführung, fehlte dieser „Knüppel“ – und er war mehr städtisch sozialisierter „Strizzi“ als „Bauer“. Don Ottavio wurde vom jungen Ensemblemitglied Josh Lovell übernommen, der für Jinxu Xiahou eingesprungen war. Der Kanadier besitzt einen typisch „englischen“, hell gefärbten lyrischen Tenor. Er gab mit den beiden Arien eine vielversprechende Talentprobe ab, wirkte in der Bühnenpräsenz aber noch verhalten. Dan Paul Dumitrescu blieb als Komtur ein älterer Herr im inszenierungsbedingten Schlafrock, der aus unerfindlichen Gründen als Höllenvorbote aufzutreten hat. Federica Lombardi gab als Donna Elvira in dieser Aufführungsserie ihr Staatsoperndebüt – ebenso wie Hanna-Elisabeth Müller als Donna Anna. Lombardi kam in dieser Partie besser zur Geltung als Anfang September im Konzerthaus, die Mittellage tönte mit angenehmer Wärme, bei allerdings flacher Tiefe, und bei einer Höhe, die leicht „aufgesetzt“ und „kühler“ klang. Das minderte den Gesamteindruck für den Connaisseur. Hanna-Elisabeth Müller lieh der Donna Anna einen etwas schmal gebauten lyrischen Sopran. Die Stimme schien für die emotionale Steigerung in den beiden Arien kaum noch Reserven zu besitzen. Sie transportierte dann eine leichte Unstetigkeit, die man derzeit noch Donna Annas wechselnden Emotionen zu Gute schreiben kann. Die Vermutung, dass diese Stimme auch mal schnell über ihre Verhältnisse singt, liegt nahe. Andrea Carroll war eine quirlige Zerlina, die sich klug und mit viel Humor im Rahmen ihrer Möglichkeiten bewegte. Sie und Clemens Unterreiner sorgten im zweiten Akt für eine köstliche „Wiederbelebung“ Masettos. Fazit: wenig und nur kurzer Szenenapplaus sowie rund fünf Minuten langer Schlussapplaus. Anzumerken bleibt noch, dass die erste größere Verkühlungswelle das Staatsopernpublikum erreicht hat. Im ersten Akt war das störende, notorische Gehuste zumindest auf der Galerie phasenweise nur mehr schwer auszuhalten. |