DON GIOVANNI
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Theater an der Wien
24. September 2019
Semikonzertante Aufführung

Dirigent:Giovanni Antonini

Kammerorchester Basel
Deutscher Kammerchor

Don Giovanni - Erwin Schrott
Donna Anna -
Sylvia Schwartz
Don Ottavio -
Patrick Grahl
Donna Elvira -
Olga Bezsmertna
Leporello -
Alex Esposito
Zerlina -
Giulia Semenzato
Masetto/Komtur - David Soar


„Odor di femmina

(Dominik Troger)

Im Theater an der Wien begann der Zyklus der konzertanten Opernaufführungen mit „Don Giovanni“. Erwin Schrott gab den Titelhelden und füllte das Haus an der Linken Wienzeile mit seinem kräftigen Bassbariton und „Machoerotik“.

Der Trend zu „semi-konzertanten“ Aufführungen hat auch an diesem Abend angehalten – und das Swimmingpool-Ambiente der aktuellen „Rusalka“-Inszenierung des Theaters an der Wien wurde von den Protagonisten geschickt als „Bühne“ genützt. Im Programmheft sind keine(e) Regisseur(in) und kein(e) Dramaturge(in) angegeben – eine inzwischen als immer wohltuender empfundene Begleiterscheinung (semi-)konzertanter Aufführungen. Gespielt wurde eine Fassung, die mit der Höllenfahrt schloss, ohne große Arie der Donna Elvira, aber mit beiden Don Ottavio-Arien. Das Libretto, das im Programmheft abgedruckt ist, endet mit der Höllenfahrt, enthält aber Elviras „Mi tradi quell’alma ...“, vielleicht hat man es kurzfristig gestrichen.

Erwin Schrott präsentierte sich an diesem Abend vom Kopf bis in die Spitzen seiner funkelnden schwarzen Lackschuhe als testosteronsprühender „Seducer“. Sein Don Giovanni überzeugte an diesem Abend mit jener durch Eleganz gebändigten Animalität, die auf der Bühne immer von starker Wirkung ist, und die gleich am Beginn in einem Messerkampf (!) mit dem Komtur ihre männliche Risikobereitschaft und Kampfeslust unter Beweis stellte. 

Erwin Schrotts Rollenporträt war bis in kleine Details durchgestaltet: etwa wenn ihm bei der unliebsamen Begegnung mit Donna Elvira ihr Name zuerst nicht einfällt oder wenn er das „Odor di femmina“ im ganzen Auditorium des Theaters an der Wien zu erschnuppern vermeint – und sich dabei viel Zeit lässt, genießerisch die Fährte aufnehmend. Hat er in dieses „Odor di femmina“ nicht alle Besucherinnen miteinbezogen und sie wissen lassen, dass sich die erwähnte Eleganz nur wie eine Tarnung auf der Oberfläche seines Don Juanesken „Jagdinstinkts“ kräuselt, der jederzeit bereit ist, fatal hervorzubrechen?

Diese verführerische Bedrohlichkeit Don Giovannis war ein wichtiger Bestandteil von Schrotts Rollenauffassung (und kam auch seiner Stimme entgegen, die bekanntlich weniger auf musikalische Subtilitäten aus ist). Sie kleidete ihn wie in rauen Samt, bildete das „Hintergrundrauschen“ dieser Figur, deren Gesang Schrott stark aus dem Spiel entwickelte – und deren kraftvollen Töne ihm dabei halfen, Don Giovanni mit viel, auch zu Gewalt bereitem Selbstbewusstsein aufzuladen, mit der Champagnerarie als einem von mehreren wirkungsvollen Höhepunkten.

So führte dieser Don Juan seine zynischen, nach triebhafter Selbstverwirklichung strebenden Machtspiele, denen ein Herzinfarkt ein rasches Ende bereiten sollte – wie Schrott im Finale seine Hand mehrmals zur Brust führend andeutete. Das war aber nur der interpretatorische „Subtext“: Auf der Bühne drängten sich die in seriöse Abendgala gekleideten Teufel des Deutschen Kammerchors durch den Abwasserkanal des „Rusalka“-Pools und holten den Bösewicht ihn ihr Höllenreich.

Es ging in dieser „konzertanten“-Aufführung wirklich zur Sache, Leporello und Don Giovanni durchstreiften die Szenen wie zwei unwiederbringlich aneinander gekettete Blutsbrüder. Alex Esposito war Schrott ein kongenialer Leporello, der sich seinem Herrn mit „aufmüpfiger Devotheit“ unterordnete und trefflich interagierte. Die „Registerarie“ wurde wirkungsvoll präsentiert. Exposito kam viel besser zur Geltung als vor wenigen Wochen im Konzerthaus als Figaro (was wohl auch mit den dortigen, streng dirigentenkontrollierten „Umgebungsvariablen“ zu tun hatte). Die Verkleidungsszene benötigte nur einen Hut. Die Situation war trotzdem klar. Zum Friedhofsbild wurde der Saal abgedunkelt, und der Komtur lehnte sich rechts außen an die Bühnenwand. Leporello geriet in zappelnde Ämgstlichkeit und Don Giovanni streifte ein Moment des Zweifels, eher er sich einer „Jetzt-erst-recht“-Mentalität anvertraute. Es benötigt im Grunde so wenig, um überzeugend Oper zu spielen.

Die Donna Anna der Sylvia Schwartz litt unter einer Halsentzündung, die während des ersten Aktes „akut“ wurde. Intendant Roland Geyer sagte sie am Beginn des zweiten Teiles an. Die Sängerin hielt tapfer durch. Olga Bezsmertna gab eine milde, schon deutlich von den Rundungen kommenden Kindersegens konturierte Donna Elvira. Mit adrettem Sopran ausgestattet: die Zerlina der Giulia Semenzato. Patrik Grahl, aus dem Konzert- und Oratorienfach kommend, sang einen sicheren, im Ausdruck noch etwas steifen Don Ottavio. Sein lyrischer Tenor klang manchmal leicht nasal. David Soar durfte als Komtur und Masetto reüssieren, wobei ich seinem Masetto den Vorzug geben würde. Sehr gut war die Idee, die Mandolinenspielerin zur Canzonetta auf die Bühne zu holen. Sie ließ sich beim Musizieren von Don Giovannis Avancen nicht beirren und machte ihm dazu schöne Augen.

Das Kammerorchester Basel unter Giovanni Antonini war im Gegensatz zum „Don Giovanni“ von Teodor Currentzis Anfang September im Konzerthaus wohltuend „solide“ unterwegs, allerdings mit einem in Summe etwas flachen Streicherklang. Nichts hinderte die Sänger daran, je nach Rolle ihr Gefühlsleben weidlich vor dem Publikum auszubreiten. Zum Schluss gab es starken Beifall im sehr gut besuchten Theater an der Wien.

PS: Das Theater an der Wien hat mit Beginn der Saison den Preis für das Programmheft um einen Euro auf 4,80 Euro angehoben.