DON GIOVANNI
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Wiener Staatsoper
17. Jänner 2018


Dirigent:
Sascha Goetzel


Don Giovanni - Ludovic Tézier
Komtur -
Dan Paul Dumitrescu
Donna Anna -
Ekaterina Siurina
Don Ottavio -
Jinxu Xiahou
Donna Elvira -
Annette Dasch
Leporello -
Luca Pisaroni
Zerlina -
Valentina Nafornita
Masetto -
Clemens Unterreiner


„Zuwenig Esprit

(Dominik Troger)

In der Wiener Staatsoper darf „Don Giovanni“ wieder einmal seinem lasterhaften Leben frönen. Und schon Mozart und da Ponte haben es gewusst: Solche Männer kommen in die Hölle.

Das Image eines Don Juan ist heutzutage schwer angeschlagen, aber immerhin kommt der Wüstling in Mozarts unsterblicher Oper nicht straffrei davon. Es ist zwar davon auszugehen, dass Don Juan im Jenseits sogar der Großmutter des Teufels den Hof macht, aber das braucht uns Lebende ja nicht mehr zu bekümmern. Es besteht allerdings der berechtigte Verdacht, dass Don Juans grabschänderischer Frevel gegenüber dem Komtur an seiner Verdammung mehr Anteil hat, als sein umtriebiges Liebesleben. Einen Toten lädt man nicht ungestraft zum Essen ein. Sobald Don Juan den überirdischen Mächten (bzw. ihren irdischen „Verwaltern“) in die „Suppe“ spuckt, ist er geliefert. Die zerbrochenen Frauenherzen, die seinen Lebensweg pflastern, können sich aber zumindest damit trösten, dass sie den Kerl los sind.

Die aktuelle Aufführungsserie wird von vielen Wiener Rollendebüts geprägt (alles neu bis auf Zerlina und Komtur) – und im Mittelpunkt standen natürlich die beiden „bösen Buben“: Luca Pisaroni und Ludovic Tézier. Ludovic Téziers Wiener „Figaro-Graf“ ist inzwischen auch schon wieder über 10 Jahre her, seither ist er am Haus nicht mehr in einer Mozartoper zu hören gewesen. Die Stimme ist reifer geworden, für Mozart vielleicht schon eine Spur zu „gesättigt“, aber ihr reichhaltiges, maskulines Timbre ist für den Don Juan eine prächtige „Grundausstattung“. Téziers Organ verströmte denn auch im Ständchen lyrische Üppigkeit wie Schokocreme, sie zeigte sich heroisch standhaft gegenüber dem Komtur und sie umschnurrte zielbewusst Zerlina.

Trotzdem vermochte Téziers Rollenporträt nicht wirklich zu überzeugen, der Schaumwein, den er mit seiner Champagnerarie kredenzte, brachte das Publikum nicht in Wallung. Der Szenenapplaus war mäßig, nur ein einsamer Bravorufer tönte von der Galerie. Fehlte Tézier die Aura des verruchten Verführers, des lockeren Showstars, der dem „odor die femina“ begierig folgt? Ist es eine Frage des Schönheitsideals oder des scheinbar zwanglosen Zusammengehens von Gesang und Spiel, in dem Don Giovanni geschmeidig und so kuschelig furchtbar wie ein Tiger die Opernbühne auf der Suche nach Opfern durchstreunt? Beim gesanglich guten, ausdrucksmäßig aber sehr „zurückhaltenden“ Leporello von Luca Pisaroni verhielt sich die Sache ähnlich. Er hat das Publikum nicht „mitgenommen“, kaum zum Lachen gebracht. Sein Spiel prägte ein aristokratisches Understatement, mit einem dezenten Humor versehen, in dem man zu schwer den Diener eines verruchten Herrn erkannt hat.

Ekaterina Siurina (Donna Anna) ist über viele Jahre ihrem Fach treu geblieben, und ihre Stimme hat sich zum Beispiel im Vergleich zu ihrer Adina (Wiener Staatsoper 2010) nur wenig verändert. Sie perlte flüssig, wenn auch etwas kühl, Spitzentöne hatten des öfteren etwas zu viel Gewicht und färbten dann schon metallisch. Sie servierte Mozarts Gaumenfreuden allerdings nicht unbedingt à la carte, sondern mehr nach dem Standardmenü einer weltreisenden Opernsängerin. Jinxu Xiahou sang einen bemerkenswerten, auch zu lang gesponnenen Piani fähigen Don Ottavio. Im Timbre würde ich mir die Stimme für Mozart etwas wärmer, aber auch etwas klarer artikuliert wünschen, sie tendiert wohl schon weg vom „klassischen lyrischen Tenor“ ins „Zwischenfach“.

Valentina Nafornita war eine ausgesprochen hübsche Zerlina, garniert mit koketter Melancholie. Im „Là ci darem la mano“ ließ sie sich musikalisch verführen und die Verzückung beim entscheidenden „Andiam“ kam sehr gut heraus. Ihr Sopran scheint aber nach wie vor etwas fragil, die Höhe setzte sich etwas ab, klang breiter und leuchtender. Clemens Untereiner war – wie erwartet – ein spielerisch und gesanglich den Abend belebender Masetto. Der Komtur von Dan Paul Dumitrescu tönte mehr „gutmütig“, als „gefährlich“.

Annette Dasch gibt als Donna Elvira in dieser Aufführungsserie ihr (viel zu) spätes Staatsoperndebüt. Die Sängerin ist in Wien bereits vor mehr als zehn Jahren im Theater an der Wien und an der Volksoper aufgetreten. Damals lag Mozart noch in überzeugenderer Reichweite ihres Soprans. Bereits das gesanglich sehr unausgewogen dargebrachte „Ah! chi mi dice mai” verhieß für diesen Abend nichts Gutes und das „Mi tradì, quell'alma ingrata“ musste Dasch ihrer Stimme (und dem zähen Dirigat) fast schon „abtrotzten“. Mit Nachdruck gesungene Höhen, eine kaum mehr vorhandene Tiefe, dann und wann rutschende Intonation sowie wenig Gestaltungsvermögen trübten insgesamt ihre Darbietung.

Sascha Götzel bot mit dem Staatsopernorchester wieder eine „romantische“, diesmal aber sehr schwerfällige Lesart, die das Bühnengeschehen „ausbremste“. Die behäbig heruntergespielte Ouvertüre war kein Leckerbissen, eine Unterscheidung der beiden im Tempo unterschiedlich bezeichneten Teile kaum feststellbar. So schleppte sich der Abend dahin, eine „Stehpartie“, oft zu laut und undifferenziert gespielt. Die Kommunikation zwischen Bühne und Orchester litt ebenfalls darunter. Nach der Pause kam die Vorstellung zwar etwas mehr in Fluss, aber der berühmte „Funken“ sprang den ganzen Abend lang nicht über. Der mäßige Szenenapplaus war bezeichnend dafür.

Der Schlussbeifall dauerte rund fünf Minuten lang. Laut Programmzettel war es die 49. Aufführung in der optisch düsteren Inszenierung von Jean-Louis Martinoty. Die dritte und letzte Vorstellung der Aufführungsserie folgt am Samstag.