DON GIOVANNI
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Theater an der Wien
12. Dezember 2016
Wiederaufnahme


Dirigent:
Ivor Bolton

Regie: Keith Warner
Ko-Regie: Michael Moxham

Mozarteumorchester Salzburg
Arnold Schönberg Chor

Don Giovanni - Nathan Gunn
Komtur -
Lars Woldt
Donna Anna -
Jane Archibald
Don Ottavio -
Saimir Pirgu
Donna Elvira -
Jennifer Larmore
Leporello -
Jonathan Lemalu
Zerlina -
Mari Eriksmoen
Masetto -
Tareq Nazmi


„Hotel Universale spielt Mozart

(Dominik Troger)

Im Theater an der Wien erlebte die “Don Giovanni”-Produktion von Keith Warner den Start zu ihrer dritten Aufführungsserie – völlig zu recht, denn diese Inszenierung zählt zu den besten, die das Theater an der Wien seit seiner Wiederbelebung als reines Opernhaus im Jahr 2006 auf die Bühne gestellt hat.

Warner lässt Don Giovanni als Direktor des „Hotel Universale“ agieren, Leporello ist der Portier, Zerlina Stubenmädchen, die beiden Donnas sind Gäste. Trotz Modernisierung wahrt Warner auf diese Weise die Personalhierarchie des Stücks. Die Regie hat aus jeder Figur eine eigenständige Persönlichkeit geformt, die mit viel Witz und Engagement durch die Handlung geführt wird. Die Geschichte wird in plausiblen Bildern erzählt – wobei das flexible Hotelambiente des Bühnenbildes viel dazu beiträgt.

Dadurch wird manch unklare Situationen – wie das „Versteckenspielen” von Leporello und Elvira im zweiten Akt, das Ergreifen Leporellos sowie seine Flucht – nachvollziehbarer erzählt, als in so manch „herkömmlichen” Produktion. In diesem Fall verursacht der Hoteldirektor persönlich einen Kurzschluss und alle Figuren tappen durch dunkle Hotelgänge und haben sich mit Kerzen versorgt.

Die Höllenfahrt, in der ein deutlich gealterter Don Juan und ein deutlich gealterter Leporello mit lebensgroßen Puppen dinieren und der Komtur Kopf voran durch den Bühnenboden bricht, hebt sich davon doch etwas deutlich ab. Don Juan stirbt schließlich in einem Glassarg, den er noch mit Blut beschmiert und der dann einfach zuklappt und mit rotem Licht „höllisch “beleuchtet wird. Die Aufführung richtet sich nach der sogenannten Wiener Fassung, die mit der Höllenfahrt endet, und das „Il mio tesoro“ ausspart. Dafür wird das nicht oft gespielte Duett zwischen Zerline und Leporelllo im zweiten Akt gegeben.

Warner scheint der Auffassung zu sein, dass Donna Anna mit Don Giovanni doch mehr verbindet, als es zuerst den Anschein hat. Würde sie ihm sonst vor dem Zweikampf mit dem Komtur eine Waffe zukommen lassen? Müsste sie nicht wissen, dass ihr alter Vater gegen Don Giovanni im Fechtkampf keine Chance haben wird? Erzählt sie später Don Ottavio vielleicht eine etwas andere, „geschönte” Version der ganzen Geschichte?

Die Figur der Zerlina wurde mit viel erotischem Selbstbewusstsein aufgeladen – sie becircte den ihr gegenüber ziemlich unterwürfigen und etwas hilflos gezeichneten Masetto nach allen Regeln der Kunst. Viele kleine Gags (wie die Klingel in der Portierloge) belebten die Handlung. Warner bewies, dass man Aufzüge dramaturgisch sinnvoll in das Geschehen einbinden kann – und die emotionale Spannung des Quartetts zwischen Don Giovanni, Donna Elvira, Donna Anna und Don Ottavio könnte szenisch kaum besser und klaustrophobischer dargestellt werden: Wer kennt nicht das Gefühl mit „zu vielen“ Menschen in einem Aufzug fahren zu müssen? Im Finale vergeht einem dann der (schwarze) Slapstickhumor – und damit hat Warner den emotionalen Spannungsbogen des Dramma giocoso geschickt ausbalanciert.

Die Sängerinnen und Sänger waren darstellerisch grandios, jede Figur ein ganzer Charakter, stimmlich war die Ausbeute in Summe hingegen durchwachsen. Der Don Giovanni von Nathan Gunn hätte einen Filmstar abgegeben, der „Stunt“ des „Fin ch’han dal vino“ forderte ihm einiges an Atem ab und um die Hand Zerlinas wurde auch schon in „gurrenderen Schalmeientönen“ geworben. Sein Bariton zeigte sich wenig flexibel, wobei durchaus „markig“, aber mit einer etwas trockenen Kühle versehen. Jonathan Lemalu spielte Leporello als gerissenen und doch dem Anschein nach wieder gemütlichen Portier, der eigentlich nur seine Ruhe haben möchte – wenn da nur das Geld nicht wäre. Sein Bassbariton klang solide, wenn auch etwas „schwammig“.

Saimir Pirgu, als Einspringer für Martin Mitterutzner, war neben der Zerline von Mari Eriksmoen am nächsten an Mozart dran. Sein lyrischer Tenor hat in den letzten Jahren offenhörlich „zugelegt“, erklang jetzt mit gereifter, schon an Verdi geschulter Lyrik, und in den Ensembles und den Rezitativen gewann Don Ottavio dadurch stark als Persönlichkeit. Beim „Dalla sua pace“ bewies Pirgu sein Gefühl für Mozart, auch mit manch feinem schon in die Kopfstimme übernommenen Pianoton – auch wenn die Arie nicht wie ganz aus einem Guss wirkte, so als würde sich sein Tenor immer noch ein wenig an einen „Alfredo“ erinnern. Das „Il mio tesoro“ durfte Pirgu nur kurz beim Abfahren im Aufzug „anträllern“. Don Ottavio hat in dieser Produktion mehr den Stellenwert eines Vertrauten. Pirgu spielte diese dezente Zurückhaltung überzeugend, ohne dass dabei die Figur zu stark in den Hintergrund getreten wäre. Masetto Tareq Nazmi war stimmlich mehr ein sanfterer Typ, kein „Revolutionär“. Lars Woldt sang einen hausfüllenden Komtur, der vor der Höllenfahrt Don Giovanni stimmlich gehörig einheizte.

Die Zerlina wurde von Mari Eriksmoen mit viel lyrischem und darstellerischem Sexappeal versehen. Dass es stimmlich seelenvollere Zerlinen gibt, sei aber auch nicht verschwiegen. Jane Archibald war einige Jahre an der Wiener Staatsoper als Koloratursopran im Einsatz gewesen. Sie sang an diesem Abend eine eher mäßige Donna Anna, mit für meinen Geschmack zu viel kurzwelligem Vibrato und zu wenig schön akzentuierten Spitzentönen. Jennifer Larmores Donna Elvira war als „Type“ köstlich, stimmlich gelang ihr wenig – etwa beim in einer Art von Sprechgesang durcheilten und kaum ausdifferenziert zu Gehör gebrachten „Mi tradi quell’alma ingrata“.

Am Pult stand Ivor Bolton, der im Tempo eine gute Mischung fand, obwohl oft flott vorwärtstreibend. Ich fand schon im zweiten Teil der Ouvertüre den Gegensatz zwischen Don Juans in den Violinen artikuliertem Aufbegehren und dem ihm drohenden Schicksal sehr gut akzentuiert. Das kräftige Herausarbeiten der Emotionen war ein Pluspunkt des Abends, ebenso der Spannungsaufbau wie zum Beispiel im Finale des ersten Aktes. Vom Klangbild spielte das Mozarteumorchester Salzburg etwas rau, die Streicher klangen wenig sinnlich, wohl an einer historischen Aufführungspraxis orientiert – mit einigen Unexaktheiten in den Bläsern. Der Arnold Schönberg Chor leistete wieder seinen unentbehrlichen Anteil an Spiel und Gesang.

Der Schlussapplaus war stark, dauerte aber nur sieben Minuten lang, weil der Vorhang wieder einmal sehr früh herunterging. Für die Mitwirkenden war das Verbeugen diesmal gefährlicher als die Vorstellung. Nachdem bereits Donna Elvira beinahe auf dem Kunstblut ausgerutscht wäre, dass von Don Giovannis Todeskampf noch die Bühne bedeckte, legte Leporello einen richtigen Bauchfleck hin. Als Neuseeländer hat Jonathan Lemalu das weggesteckt wie ein Rugbyspieler – und er stand auch gleich wieder auf den Beinen. Keith Warner persönlich hätte wahrscheinlich mehr Applaus erhalten als Ko-Regisseur Michael Moxham, der das Regieteam beim Schlussapplaus vertrat.