DON GIOVANNI
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Staatsoper
30. Oktober 2015


Dirigent:
Adam Fischer

Don Giovanni - Mariusz Kwiecien
Komtur - Sorin Coliban
Donna Anna - Marina Rebeka
Don Ottavio - Benjamin Bruns
Donna Elvira - Juliane Banse
Leporello - Erwin Schrott
Zerlina - Andrea Carroll
Masetto - Jongmin Park


„Es lebe der Sport

(Dominik Troger)

Die laufende „Don Giovanni“-Serie an der Wiener Staatsoper lockte mit einer internationalen Top-Besetzung: Mariusz Kwiecien als Don Giovanni, Erwin Schrott als Leporello und Marina Rebeka als Donna Anna zählen seit Jahren zu begehrten Interpreten und -innen von Mozarts Meisterwerk. (Folgende Anmerkungen betreffen die 3. Aufführung der genannten Serie.)

Mariusz Kwiecien hat vor 10 Jahren als Don Giovanni an der Wiener Staatsoper debütiert. Er spielt einen athletischen Don Giovanni – und singt ihn auch so. Wenn er in der Champagnerarie oder im Finale mal seine nackte Brust zeigt, dann ist das nur folgerichtig: Sein Bariton hat viel Saft und Kraft und marschiert ohne große Umschweife auf sein Ziel zu. Zerlinas rezitativische Lobpreisung vor dem berühmten Duettino kommt zum Beispiel ohne manieristisches Verführungsverhalten aus, sondern hier pulst der baritonale Bizeps wohltrainiert, elastisch und geübt im nachgiebig machenden Umarmen von Frauenkörpern.

Kwieciens Don Giovanni kommt aus dem Fitnessstudio, Muskeltraining in allen Formaten ist hier angesagt – ein Verführer, der seine Amouren zählt wie die Anzahl der mit Ass absolvierten Aufschläge im Tennis. Er spielt und singt mit unerschöpflicher Energie, er bewirft Leporello auch mal mit einem Sessel (und das ist wirklich das Beste, was dieser Staatsopeninszenierung von Jean-Louis Martinoty passieren kann, wenn die Mitwirkenden sie „aufmischen“). Dieser Don Giovanni hätte es gar nicht nötig, den Komtur mit einer Taschenlampe zu blenden, um ihn dann abzumurksen. Und selbst dann, wenn Don Giovannis unbestechliches Riechorgan die Ankunft Donna Elviras ankündigt und die geschnupperten Pheromone ihn in paarungsbereiten Alarmmodus versetzen: Bei Kwiecien ist die Verführung mehr „Sport“ als „Kunst“. Derart befindet sich dieser Don Juan gewiss auf der Höhe der Zeit – und es ist kein Zufall, dass der Sänger zu den besten Interpreten zählt, die derzeit für diese Rolle weltweit verfügbar sind.

Erwin Schrott als Leporello war ebenfalls keine Neuheit für das Wiener Publikum. Schrotts rauhe Leporellostimme hob sich nicht sehr deutlich von Kwieciens Don Giovanni ab – und es wurde schnell klar, dass diese beiden durchtrainierten Kerle ein Verhältnis pflegen, in dem der Diener eifrig bestrebt ist, dem Herren in seinem Treiben nachzufolgen. Schrotts Leporello spielt zudem mit dem Image eines ungezogenen Popstars, der sich in der Friedhofsszene auch mal mit der Taschenlampe in den Schritt blinkt und an anzüglichem, athletischem Auftreten seinem Chef kaum nachsteht. Schrott bleibt in seinem Spiel auch nicht in der Geschichte, nimmt den Faden auf, spinnt ihn weiter zum Publikum – etwa in der Szene unter Donna Elviras Fenster, in der er das Geschehen gestisch „übersetzt“ und nicht Don Giovanni nachahmt. Die Lacher hat Schrott derart schnell auf seiner Seite. Schrotts Leporello zeigte sich derart ebenfalls „modern“ und spielfreudig und orientierte seine gesangliche Darbietung ganz an diesem spielerischen Aspekt.

Auch Benjamin Bruns hat den Don Ottavio in Wien schon gesungen. Die Stimme ist etwas fester geworden, männlicher, was der Zeichnung der Figur insgesamt gut tat. Das „Dalla sua pace“ überzeugte mit Pianokultur, das „Il mio tesoro“ gelang in der Gestaltung nicht mehr so ausgewogen. Jongmin Park sang einen bedrohlich wirkenden Masetto – Zerlina hat da nichts zu lachen. Diese Zerlina lag beim neuen Ensemblemitglied Andrea Carroll in liebenswürdiger Kehle und nur in den kurzen, lockenden Koloraturen des „Batti, batti“ wäre noch mehr gesangliches Feingefühl gefordert gewesen. Ihr offensives Spiel, ihre Küsschen für den von Don Giovanni geprügelten Masetto zeichneten die rührende, mit ein wenig Koketterie versehene Liebe dieser jungen Frau sehr treffend.

Die selbstbewusste Donna Anna der Marin Rebeka war dem Wiener Publikum ebenfalls bereits bekannt, ihre Stimme hat an Dramatik vielleicht noch zugelegt, besitzt in der Höhe viel Metall und verleiht der Figur Durchsetzungsvermögen. Rebekas Sopran ist nach wie vor auch in der Detailarbeit versiert und bietet sichere Koloraturen.

Juliane Banse hat in dieser Serie ihr Wiener Rollendebüt als Donna Elvira gegeben – 1998 hat sie die Zerlina am Haus gesungen! Es ist wenig überraschend, dass sich Banses lyrischer Sopran seither stark weiter entwickelt hat: Er scheint dunkler und spröder geworden zu sein. Das funktioniert am Beginn noch einigermaßen, wenn Elvira mit herbem Zorn Don Giovanni nachjagt, aber für Elviras große Arie war mir die Stimme schon zu steif und vibratolastig. In Spiel und Ausdruck traf sie den leicht überdrehten Charakter der Donna Elvira ausgezeichnet. Und zu guter Letzt schickte Sorin Coliban Don Giovanni mit bewährtem Bass in die Hölle.

Adam Fischer leitete den Abend versiert. Fischer kennt seinen Mozart in- und auswendig und blieb mit dem Orchester an diesem Abend stets flüssig am Puls der Handlung. Die Ouvertüre wollte nach den ersten breit hervorgehobenen und bedrohlich tönenden Schicksalsschlägen zwar noch nicht so spielfreudig abheben, und das Molto Allegro hatte etwas wenig Esprit, aber dann schnurrte der Abend unterhaltsam dahin.

Das Publikum spendete rund sieben Minuten langen Schlussapplaus.