DON GIOVANNI
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Schönbrunner Schlosstheater
21. August 2014
Fassung für Kammeroper


Dirigent:
Guido Mancusi

Chor des Instituts für Gesang und Musiktheater
Komparsen der isaOpera
Solisten des Schloss Schönbrunn Orchesters

Don Giovanni - Wolfgang Schwaiger
Komtur - Hoyong Jung
Donna Anna - Ana Raquel Paulo
Don Ottavio - Max von Lütgendorff
Donna Elvira - Judith Halasz
Leporello - Matthias Hoffmann
Zerlina - Tamara Ivanis
Masetto - Florian Köfler


„Don Giovanni in der Modebranche

(Dominik Troger)

Der traditionell karge Wiener Opernsommer wird heuer durch ein ambitioniertes Projekt des Instituts für Gesang und Musiktheater der Universität für Musik und darstellende Kunst belebt: Mozarts da Ponte-Opern werden im Schönbrunner Schlosstheater „en suite“ aufgeführt. Den Anfang machte der „Figaro“, darauf folgte der „Don Giovanni“, die „Cosi“ steht noch auf dem Programm.

Realisiert wurde die Bespielung der kleinen Rokokobühne zusammen mit der Internationalen Sommerakademie isaOperaVienna und der Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. Sie soll den Gesangsstudenten Bühnenpraxis verschaffen und das sommerliche Wiener Kulturangebot beleben. Nachdem in den vergangenen beiden Jahren dieses Konzept erprobt wurde, hat man heuer ein „Mozart-Stagione“ auf die Beine gestellt – und der rege Publikumszuspruch – zumindest bei der von mir besuchten „Don Giovanni“-Aufführung – lässt darauf schließen, dass das Angebot angenommen wird. Das Schönbrunner Schlosstheater bietet zudem einen historischen Rahmen, der für eine kleine „Zeitreise“ in die Mitte des 18. Jahrhundert sorgt, handelt es sich doch um das älteste Theater Wiens.

Diese „Don Giovanni“-Aufführung machte allerdings noch aus einem ganz anderen Grund neugierig: Wolfgang Schwaiger, Jahrgang 1991 und schon auf dem Weg in das Kölner Opernstudio, verkörperte die Titelpartie. Der gebürtige Innsbrucker ließ eine außergewöhnlich vielversprechende Baritonstimme hören, die mit ihrem reichhaltigen Timbre Don Giovannis Amouren ein sinnliches Federbett bereitete und für den komturtrotzigen Zorn genug Kraft und Kernigkeit aufbot, um im Finale mannhaft zu bestehen. Juveniler Verführungscharme und rücksichtslose Triebhaftigkeit verschmolzen zu einem überzeugenden Rollenporträt, unterstützt von einer groß gewachsenen, sportlichschlanken Figur, viel Spielfreude und einer – gemessen am jugendlichen Alter – verblüffenden Selbstverständlichkeit und Intuition in der gesanglichen Darbietung. Auch die Rezitative wurden überzeugend präsentiert, etwa die Mischung aus Kalkül und poetischer Verliebtheit, mit der Don Giovanni versucht, Zerlina um den Finger zu wickeln.

Der Leporello des Abends, Matthias Hoffmann, ebenfalls Jahrgang 1991 und ebenfalls aus Tirol gebürtig, war diesem Don Giovanni ein passendes Gegenüber. Hoffmann harmonierte zudem sehr gut mit dem trocken-skurrilen Humor, den diese Inszenierung für Leporello bereithält. Viel Gespür für Komik und ein geradliniger, für meinen Geschmack eher heller Bassbariton, zeichneten seinen Leporello aus. Die Registerarie litt ein wenig unter dem Aktionismus der Regie: Leporello päppelt die in Ohnmacht gefallene Donna Elvira wieder auf, verabreicht ihr Wasser und Tabletten und übertreibt dabei maßlos. Die musikalischen Nuancen wurden davon ein wenig verdeckt.

Max von Lütgendorff – ein Bayer und kein Tiroler – steuerte den Don Ottavio bei. Lütgendorff scheint mir vom Stimmcharakter derzeit noch mehr beim Don Basilio beheimatet (den er im Schönbrunner Schlosstheater bereits verkörpert hat), als beim lyrischen Liebhaber. Die Herausforderung des „Dalla sua pace“ wurde achtbar gemeistert, das „Il mio tesoro“ war gestrichen. Florian Köfler rundete mit schlankem Bass als Masetto das „Tiroler Trio“ ab, das an diesem Abend den Wienern einen griffigen „Don Giovanni“ servierte. Hoyong Jung war als durch den Abend geisternder Komtur eine stattliche und gespenstische Erscheinung, ganz in Weiß gekleidet. Seinem im Timbre gut zu dieser Partie passenden Bass fehlte etwas der Nachdruck.

Bei den Damen bewies die Kroatin Tamara Ivanis (Jahrgang 1994!) als Zerlina viel Mozart-Gespür. Ihr Sopran zeigte eine leichte metallische Note, die ihm Selbstbewusstsein verlieh und aus Zerlina kein Opferlamm machte – wobei mich das kurzwellige Vibrato ein wenig irritiert hat. Ebenso gab sich die Donna Anna von Ana Raquel Paulo nicht mit der Opferrolle zufrieden, auch wenn ihr die Regie nach der großen Arie im zweiten Akt sogar Selbstmordabsichten unterstellt. Zum Glück stand Don Ottavio daneben und entwand ihr das Mordwerkzeug. Sie sang die Partie mit Verve, aber ihre Stimme hat in der Höhe an Reiz verloren. Judith Halasz war die erfahrenste Sängerin auf der Bühne, ist Anfang der 2000er-Jahre sogar an der Wiener Staatsoper in Nebenrollen aufgetreten – wirkte stimmlich an diesem Abend aber unausgewogen und konnte gesanglich erst mit dem „Mi tradi...“ überzeugen.

Gespielt wurde eine Fassung für Kammerorchester, für die Guido Mancusi gesorgt hat. Mancusi hat sich auch in der Begleitung zu den Rezitativen etwas einfallen lassen, manches wirkte sehr lebendig und wie „extemporiert“. Das Schloss Schönbrunn Orchester unter Mancusis Leitung klang in den Violinen etwas dünn, was vor allem in der Ouvertüre auffiel. Die Klangbalance und die Ausdifferenzierung der Orchesterstimmen war nicht immer ideal, etwa bei der Höllenfahrt, in der das Orchester schon ein wenig die Sänger überdeckte. Mancusi hielt das Tempo eher flott, ohne zu übertreiben, setzte viele gute Akzente und sorgte für eine animierte Aufführung. Die Ouvertüre geriet im Ausdruck noch etwas flach, allerdings wurde das Publikum hier ohnehin vom Bühnengeschehen abgelenkt. Womit zur Inszenierung von Reto Nickler übergeleitet werden soll.

Nickler verlegte die Handlung in die Modewelt, die zweckmäßige Ausstattung (Friedrich Despalmes) wurde von einem, auf der Drehbühne platzierten, offenbar mit Alufolie überzogenen Laufsteg dominiert. Silberfarbene Modepuppen und ein paar große Spiegel waren weitere Bestandteile des einfach gehaltenen Bühnenbildes. Zu den ersten Takten der Ouvertüre begegnete der schwarz gekleidete Don Giovanni dem weiß gekleideten Komtur wie seinem Spiegelbild: Vielleicht steht Don Giovanni hier seinem anderen Ich, seinem Schicksal, seinem Alter, seinem Tod gegenüber? Nickler hat die Atmosphäre der „Don Giovanni“-Ouvertüre in ihrer zweigeteilten Gegensätzlichkeit szenisch gut eingefangen, denn ihren flotteren zweiten Teil begleitete eine Modeschau mit Don Giovanni als „Laufstegstar“. Die Bühnenräumlichkeit wurde während der Aufführung wenig verändert, es wurden nur die genannten Elemente anders gruppiert, und die Drehbühne drehte sich manchmal schneller als ein Ringelspiel. Ein Friedhof oder eine Komturstatue war in diesem Ambiente nicht auszumachen – umgestürzte Modepuppen mussten als „Tote“ herhalten. Eine mit Theaterfeuer illuminierte „Höllenfahrt“ gab es dementsprechend auch nicht – und so landete Don Giovanni nicht in der „Hölle“, sondern sprang in den Orchestergraben hinter einen aufgestellten schwarzen Wandschirm. Doch die Verfremdung und Vereinfachung der Schauplätze unterminierte nicht die Geschichte, die erzählt werden sollte – und diese Erzählung wurde mit vielen kleinen und gut gemachten Details garniert.

Einige Szenen waren nahezu beispielgebend gelöst: Etwa das Finale des ersten Aktes, in dem einmal richtig „ausgespielt“ wurde, welche Mühen es Don Giovanni kosten könnte, den „drei Masken“ zu entfliehen. Der sehr deutliche Hinweis, dass Leporello und Donna Elvira im zweiten Akt sehr intim miteinander geworden sind, bevor sie mit Don Ottavio und dem übrigen Personal zusammentreffen, machte die Entlarvung Leporellos pikant und verschärfte die Beschämung Donna Elviras. Leporello war übrigens mit einem Campingkocher unterwegs und oft hungrig. Zum Festessen mit dem Komtur trug er eine riesige Geburtstagstorte auf die Bühne. Ein Köfferchen, in dem Don Giovannis Register befördert wurde, war sein ständiger Begleiter. Am Beginn des zweiten Aktes blätterte Don Giovanni einmal versonnen darin und hing Erinnerungen nach – ganz ein Sammler, der sich an seiner Sammlung erfreut. Ein rotes Tuch war für Donna Anna das deutliche Erkennungszeichen, dass es sich um Don Giovanni handelt, der sie nächtens überfallen hat. Oft ist bei Inszenierungen gerade dieses wichtige Detail nicht oder kaum herausgearbeitet. An dem Schwung, dem Humor und der Tiefenschärfe dieser Produktion könnte sich so manches große Wiener Opernhaus ein Beispiel nehmen. Der Abend kam beim Publikum gut an, das beim Schlussvorhang viel Beifall spendete.

Die Aufführungen von „Cosi fan tutte“ folgen vom 28. bis zum 31. August. Ein Hinweis: Die Plätze sind innerhalb der drei Preiskategorien nicht nummeriert. Empfiehlt sich deshalb, nicht zu knapp vor Vorstellungsbeginn (jeweils 19 Uhr) zu erscheinen.