DON GIOVANNI
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Mozart-Portal

Theater an der Wien
17. März 2014
Konzertante Aufführung


Dirigent:
Nikolaus Harnoncourt

Concentus Musicus Wien
Arnold Schönberg Chor

Don Giovanni - Andrè Schuen
Komtur - Mika Kares
Donna Anna -
Christine Schäfer
Don Ottavio -
Mauro Peter
Donna Elvira - Maite Beaumont
Leporello - Ruben Drole
Zerlina -
Mari Eriksmoen
Masetto - Mika Kares


„Das Don Giovanni-Experiment

(Dominik Troger)

Der zweiter Abend der Harnoncourt’schen Mozart-Exegese im Theater an der Wien galt dem ersten aller Verführer, dem meuchelmörderischen Duellanten, dem ketzerischen Grabmalschänder: Don Giovanni. Die Aufführung dauerte inklusive einer Pause von 19.00 Uhr bis dreiviertel Elf.

Mit gespannter Erwartung fieberte das Publikum den ersten Takten entgegen – die beim „Don Giovanni“ schon einen kleinen Offenbarungseid ablegen: Und Nikolaus Harnoncourt ging es deftig an, brutal und schneidend, Don Giovannis unerbittliches Ende gleich an den Beginn gesetzt, nahezu ohne dem abmildernden „philosophischen“ Nachklingen in den Bässen. In weiterer Folge der Ouvertüre wurde Don Giovannis tänzelnde Lebenslust durch recht dünn klingende Violinen verkörpert, von den Bläsern und der Pauke so richtig zusammengekuscht. Der Concentus Musicus klang insgesamt wieder recht „herb“ – und von der Eleganz dieser Musik und ihrer (auch frivolen) Spritzigkeit war wenig zu spüren.

Der durchaus „bühnendramatische Ansatz“ der Ouvertüre ging in den ersten Szenen rasch verloren – und es folgte wie im „Figaro“ eine eigenwillige Tempo-„Regie“, die viele Szenen in eine seltsame Antriebsschwäche tauchte. Aber nicht immer: So stellte Harnoncourt beispielsweise dem eher verhalten vorgetragenen Presto der „Figaro“-Ouvertüre ein sehr schnell genommenes Presto im „Fin ch’han dal vino“ gegenüber. Laut Harnoncourt (siehe Programmheft) beginnt hier Don Giovanni zu „hecheln“. Zitat: „(...) dieses Stück ist so schnell, das kann man gar nicht singen. (...) und er hechelt dazu, so schnell er kann.“ Harnoncourt hat es dann wirklich (fast) so dirigiert und Andrè Schuen, den Don Giovanni dieses Abends, ziemlich schwitzen lassen. Aber geht es im „Fin ch’han dal vino“ und in den anderen wenigen Stücken, in denen Don Giovanni seine Gesangskünste herausstellen darf, nicht viel mehr um Spielarten der Verführung? Bezeugt die Champagnerarie nicht den Höhepunkt von Don Giovannis Vitalität und Virtuosität? Wollte Mozart den Sänger hier zum „Hecheln“ bringen??

Auch die von Mozart so geschickt gesetzten Umschlagpunkte der Handlung wurden zu wenig berücksichtigt: Etwa wenn im zweiten Akt die „Rachegesellschaft“ erkennt, dass ihr Leporello und nicht Don Giovanni ins Netz gegangen ist oder beim recht poetisch, aber wenig auf Don Giovannis forderndes Mitkommen hingetrimmten „Là ci darem la mano“. Sowohl Mari Eriskmoen als auch Schuen sangen das zu hübsch dahingeturtelt. Oder die Szene gleich nach dem Tod des Komturs: Natürlich ist Donna Anna „stehend k.o.“ und der Beginn der Szene zwischen ihr und Don Ottavio vermittelt Verstörtheit und Trauer, aber dann ist Rache (!) angesagt. (Allerdings war Christine Schäfer den ganzen Abend über keine sehr rachelüsterne Donna Anna. Diese Donna Anna war vor allem Don Giovannis Opfer und traumatisiert.)

Für meinen Geschmack wurde hier viel dramatisches, bühnenaffines Ausdruckspotenzial verschenkt. Belohnt wurden die Zuhörerschaft mit einer griffigen Höllenfahrt, von im Klang grell und unbarmherzig gefärbten Bläsern begleitet, und mit vielen Details: Der Beginn der Registerarie beispielsweise, diese trocken und boshaft kichernden Violinen – eine ganz neue Hörerfahrung, aus der aber für den gesamten Vortrag dieser Arie kaum Kapital geschlagen wurde. Die oft nahezu gesprochenen Rezitative, die im „Figaro“ etwas „gewöhnungsbedürftig“ waren, schienen hier besser und „realitätsnaher“ gelöst. An diesem Abend hat vor allem Leporello dadurch gewonnen, mal flüsternd, mal beiläufige „Selbstbemerkungen“ an das Publikum richtend. Möglicherweise waren die Mitwirkenden (und das Publikum) schon vertrauter mit dieser Art.

André Schuen war ein schön stimmiger, aber noch sehr jung wirkender und zu wenig raffiniert verführender Don Giovanni, wenig egomanisch, wenig durchtrieben, noch mit zu viel ehrlichem Gefühl behaftet. An dieser Figur hängen so viele Publikumserwartungen und -Phantasien, dass es immer schwer ist, zu überzeugen. Letztlich kommt es auf den berühmten „Funken" an, der von der Bühne auf das Publikum überspringt – bei Schuen waren die Funken erst im Werden. Komtur und Masetto wurden von demselben Sänger verkörpert: Mika Kares. Kares überzeugte in beiden (!) Partien: ein hermdsärmelig-lockerer Masetto mit revolutionärer Tatkraft, und beim Komtur klang sein Bass herausfordernd, aber zugleich sehr ausgewogen und klar. Er stahl Don Giovanni ein wenig die Show.

Der dritte Mann im Bunde – Leporello – gewann für mich im Laufe des Abends deutlich. Am Beginn schien mir Ruben Drole zu stark die Opferrolle zu pflegen. Später wurde klar, dass Leporello mehr eine leichtsinnige Gewitztheit (fast Tollpatschigkeit?) verkörpert und kein subalternes „Alter Ego“ seines Herrn zu sein beliebte. Die seltsam „ausgebremste“ Registerarie ging gewiss nicht auf sein Konto. Mir sind als Leporello kernigere Typen mit einem tiefgründigen „Schmäh“ lieber, die diesen stimmlich farbenreicher auszudrücken vermögen. Mauro Peter sang ein sehr feinfühlig und geschmackvoll präsentiertes „Dalla sua pace“. In der Tiefe klang die Stimme insgesamt eine Spur zu rau, aber Peter ist erst Mitte/Ende 20 und ein großes Versprechen an die Zukunft.

Bei den Damen sorgte Mari Eriskmoen für eine gut getroffene Zerlina, und zusammen mit Masetto bildete sie eindeutig das „Winnerpaar“ des Abends. Maite Beaumont gab eine solide Donna Elvira, die Stimme nicht so exquisit, um im „Mi tradi...“ seelenvoll aufzutrumpfen. Christine Schäfer wirkte präsenter als im „Figaro“, aber ihr fahl und seltsam leblos klingender Sopran hatte wieder Probleme, immer den richtigen Ton zu finden. Das „Non mi dir“ war eine Zitterpartie – aber es wurde nachher sogar ein bisserl geklatscht. Der Arnold Schönberg Chor war – wie schon im Figaro – ein ganz wichtiger und angenehm belebender Bestandteil der Aufführung.

Die Abend wurde mit einigen szenische Elementen angereichert: manchmal passend, manchmal weniger passend. Ein Luster wurde zum Fest herabgelassen. Blumen schwebten einmal in der Luft. Im zweiten Akt wurden Taschenlampen bemüht, mit denen die Sänger umherleuchteten – das sah recht behelfsmäßig aus. Der Komtur sang bei der Höllenfahrt hinter einer nur halb geöffneten Türe beim Ausgang zum Orchestergraben. Der Bühnenhintergrund war derselbe wie beim „Figaro“, aber diesmal mit mehr Sängerporträts: Bis zur „Cosi“ werden dann wahrscheinlich alle Spiegel, die nur als Platzhalter dienen, „bebildert“ sein. Das Programmheft mit Sängerabziehbildern zum „Einkleben“ (!) muss noch erwähnt werden. Vielleicht eröffnet sich hier eine merkantile Marktlücke für die hiesigen unterfinanzierten Opernhäuser und Theater – parallel zu den Panini-Fussballalben.

Der Applaus während der Vorstellung hielt sich in überschaubaren Grenzen. Am Schluss wurde eifrig gejubelt, etwa sieben Minuten lang – die Mitwirkenden kamen immer als Team heraus, es gab keine „Solovorhänge“.