DON GIOVANNI
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Staatsoper
11. Jänner 2014

Dirigent: Alain Altinoglu

Don Giovanni - Adam Plachetka
Komtur - Dan Paul Dumitrescu
Donna Anna - Hibla Gerzmava
Don Ottavio - Rolando Villazón
Donna Elvira - Malin Hartelius
Leporello - David Bizic
Zerlina - Ileana Tonca
Masetto - Marcus Pelz


„Bemühter Mozart im Repertoire

(Dominik Troger)

„Don Giovanni“ an der Wiener Staatsoper – und erneut der Beweis, dass dieses Haus mit Mozart derzeit wenig anzufangen weiß: eine bunt zusammengewürfelte Besetzung, ein vor sich hin „romantisierendes“ Orchester und pflichtbewusst abgespulte Rezitative ließen wenig Freude aufkommen.

Gewiss, es war der erste Abend dieser Aufführungsserie – und einige zentrale Partien waren neu besetzt. So stand beispielsweise mit David Bizic ein Hausdebütant als Leporello auf der Bühne, der sich vor dem Wiener Publikum erst einmal „adaptieren“ musste. Bizic blieb den ganzen Abend zu recht blass. Immerhin, als er bei der Aufzählung von Don Giovannis Eroberungen das „mille e tre“ markant herausstrich, lachte das Publikum. Auf dieser Ebene hätte es weitergehen sollen. Möge der Sänger in den Folgevorstellungen noch an Stimmkraft und Spielwitz zulegen. Denn was ein „g’standener“ Leporello ist, der kann einen „mittelprächtigen“ Repertoireabend schon herausreißen.

Adam Plachetka hat 2011 als erfolgreicher Einspringer seinen ersten Staatsopern-Don Giovanni gesungen. Der positive Eindruck von damals hat sich bei mir an diesem Abend nur phasenweise bestätigt. Dank seiner groß gewachsenen Statur und seines gut bemuskelten Oberkörpers (den er auch zeigt) hält dieser Don Giovanni einiges an Sexappeal bereit, aber viel champagnerprickelnde Erotik wollte sich trotzdem nicht einstellen. Plachetkas Don Giovanni hat ein bisschen etwas von einem „Emporkömmling“ an sich wie ein zu sehr viel Geld gekommener Masetto, der die Verführungskraft seiner Persönlichkeit noch nicht mit selbstverständlichem Raffinement auszuspielen vermag. Das wurde alles sehr ordentlich „serviert“, aber kratzte gewissermaßen nur an der Oberfläche des „Don Giovanni“-Mythos. Und an den entscheidenden Punkten (wie der Höllenfahrt) fehlte es ein wenig an der stimmlichen Überzeugungskraft. Womöglich käme Plachetka ein modernes, aggressiveres Bühnensetting, das stark auf körperliche Präsenz und Bewegungsabläufe abzielt, mehr entgegen.

Nun, gegenüber den beiden Damen Donna Anna und Donna Elvira waren Leporello und Don Giovanni sogar im Vorteil: Hibla Gerzmava (Rollendebüt am Haus) „schielte“ mit ihrer Donna Anna schon zur Lady Macbeth, sehr kühl und dramatisch, bei den Spitzentönen zu stark über das Maß der gesanglichen Wohlgefälligkeit hinausschießend – und Donna Elvira hatte eine nach oben hin zu schmal und verblüht klingenden Stimme anzubieten, was auch nicht unbedingt dem Ohr des Zuhörers schmeichelte. Dabei hatte Malin Hartelius die Donna Elvira prinzipiell gut im Griff, etwas resch und etwas liebesbedürftig, bei vorhandener Bühnenpräsenz.

Dass der gesamte Rahmen einer Aufführung auf die einzelnen Protagonisten abfärbt, konnte an Ileana Toncas Zerlina beobachtet werden, die sonst etwas „frischer“ klingt – aber Tonca war an diesem Abend sicher ein Pluspunkt. Marcus Pelz gab einen etwas trocken-biederen Masetto, der nicht wirklich mitzureißen vermochte. Dan Paul Dumitrescu fehlte für den Komtur im Finale die „losorgelnde Bedrohlichkeit“. (Sehr positiv soll vermerkt werden, dass der Komtur seit einigen Aufführungen am Beginn nicht mehr mit Armbinde auftritt. Der Komtur muss trotz seines Alters für Don Giovanni ein ernst zunehmender Gegner bleiben. Dieser Mann hat in früheren Lebensjahren schon zu fechten verstanden! Wenn man jetzt Donna Anna noch der Handschellen entledigte, die möglicherweise sexuelle Spielchen zwischen ihr und Don Giovanni andeuten sollen – das wäre ein großer Gewinn!)

Doch nun zu Rolando Villazón (ebenfalls Rollendebüt am Haus), der inzwischen Mozart für sich entdeckt hat. Ob sein baritonales Timbre gängigen „Vorstellungen“ von Mozart-Tenören entspricht, sei einmal dahingestellt. Aber „exotisch“ wirkte auf mich einiges, was Don Ottavio an diesem Abend von der Bühne „verlauten“ ließ. Vor allem das „Dalla sua pace“ könnte Villazon eigentlich getrost weglassen und sich auf die Prager Fassung des „Don Giovanni“ berufen. Abgesehen davon, dass seine Stimme sowohl am Beginn als auch bei der Wiederholung der Phrase „Dalla sua pace“ leicht heiser klang, lieferte sich hier seine in der Höhe stark drückende baritonale Mittellage (die zudem über eine wenig ergiebige Tiefe verfügte) mit dem mozart’schem Stilgefühl ein schwerfälliges und verkrampft wirkendes Ringen. Immerhin bekam Villazón für diesen Tiefpunkt des Abends sogar mäßigen, kurzen Szenenapplaus. Das „Il mio tesoro“ gelang ihm flüssiger und homogener. Hier war mehr Selbstsicherheit spürbar – und plötzlich blitzte wieder Villazóns starke Bühnenpräsenz auf, um die er sich zwar den ganzen Abend lang bemüh hatte, für die der Don Ottavio aber schon von Haus aus wenige Anknüpfungsmöglichkeiten bietet.

Das Orchester unter Alain Altinoglou hinterließ bei mir einen etwas schwerfälligen Eindruck, bei leicht dunklem, durchaus ansprechendem Klangbild, und der Bemühung um Differenzierung. Aber Mozarts Esprit wirkte auf mich insgesamt wie „gedeckelt“ (nicht nur die Violinen im schnellen Teil der Ouvertura müssten viel kecker aufspielen!) – und so blieb der Abend dieses spielerische Element schuldig, bei dem Sänger und Orchester sich gleichsam die Pointen „wie von selbst“ zu werfen. Das braucht bei allen Beteiligten naturgemäß eine Lockerheit und Selbstsicherheit, die wahrscheinlich ausreichenderer Proben bedürfte. Aber grundsätzlich verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass eine Mozart-Aufnahme mit Josef Krips oder Karl Böhm aus den 1950er-Jahren im „Sound“ moderner und „spritziger“ klingt, als das, was die Staatsoper in den letzten Jahren dem Wiener Publikum an Mozart-Interpretationen präsentiert hat. Im übrigen hätten auch die Rezitative viel mehr Feinschliff vertragen. Aber nach dem es bei langen Probezeiten nicht einmal gelungen ist, den Dialogen in der „Zauberflöte-Premiere“ Schlagfertigkeit und Witz abzugewinnen, ist das fürs Repertoire vielleicht schon zu viel verlangt?!

Der Schlussapplaus dauerte sechs bis sieben Minuten lang. Einen Blumenstrauß gab es für den Don Giovanni – und wenn man sich erinnert, welche Begeisterungsstürme Villazón früher einmal ausgelöst hat, dann konnte einem schon unglaublich wehmütig ums Herz werden.

Noch zwei kurze Anmerkungen: Während sich ein Besucher aus dem (Steh?)-Parterre bemüßigt fühlte, nach dem Sextett ein paar Klatscher mit einem „Bravi“ aufzupolieren, wurde von der Galerie in den rasch verebbenden Applaus mit einem verhaltenen, aber deutlich genug hörbaren Buhruf geantwortet. Und die aushängenden Abendplakate lieferten eine nette Pointe: Weil die Namen von Ileana Tonca und Marcus Pelz vertauscht aufgedruckt worden waren, wurden die zugehörgen Figuren Masetto und Zerlina in der richtigen Reihenfolge überklebt.