DON GIOVANNI
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Staatsoper
2. März 2013

Dirigent: Louis Langrée

Don Giovanni - Ildar Abdrazakov
Komtur - Andreas Hörl
Donna Anna - Marina Rebeka
Don Ottavio -
Toby Spence
Donna Elvira - Véronique Gens
Leporello - Erwin Schrott
Zerlina - Sylvia Schwartz
Masetto - Tae-Joong Yang


„Uneinheitlicher Don Giovanni

(Dominik Troger)

Mozart ist derzeit ein großes Sorgenkind an der Wiener Staatsoper. Die Neuproduktionen sind szenisch durchwachsen, man engagiert vornehmlich Dirigenten, die kaum Impulse setzen, und die Besetzungen hinterlassen oft den Eindruck, als hätte man sie nach dem Zufallsprinzip ausgewählt.

Bei diesem „Don Giovanni“ war es nicht anders: Die Inszenierung von Jean-Lous Martinoty verbreitete ihre düstere Bühnenödnis, gegen die es von vornherein schwer ist, anzuspielen. Das Orchester unter Louis Langrée spulte den Abend mit einer schwerfälligen Routine ab, die unter den gegebenen Voraussetzungen aber zugleich der einzige Kitt war, der das „Werkl“ am laufen hielt. Und eine Besetzung kann man stilistisch kaum unausgewogener programmieren:

Da stand beispielsweise neben einem egozentrisch polternten und die langweilige Inszenierung aufmischenden Leporello ein Don Ottavio auf der Bühne, der im Theater an der Wien bei einem „Orginalklang“-Mozart viel besser zur Wirkung gekommen wäre.

Überhaupt war an diesem Abend die Dominanz des Beziehungsdreiecks Donna Anna – Don Giovanni – Leporello viel zu raumgreifend, sowohl in schauspielerischer als auch in gesanglicher Hinsicht. Dadurch erhielt die ganze Aufführung eine Schräglage, die nur bewies, wie viele Lichtjahre die Staatsoper derzeit von einem „neuen Mozartensemble“ entfernt ist.

Marina Rebeka erhielt nach ihrer Arie im zweiten Akt den stärksten Szenenapplaus des Abends. Sie sang eine willensstarke Donna Anna, die sich mit ihrer kräftigen, schon leicht metallisch gefärbten Sopranstimme auch in den Ensembles deutlich in Szene setzen konnte. Rebeka wusste sogar bei den Koloraturen im „Non mi dir“ zu überzeugen – sehr viele ihrer Rollenvorgängerinnen haben das in dieser Neuproduktion noch nicht geschafft. Die emotionalen Aspekte der Figur blieben etwas unterbelichtet, das „Trauma“ wurde mit Heroismus überspielt.

Toby Spence hatte als Don Ottavio neben einer solchen Frau wenig zu vermelden, er wurde von ihr schon im „Racheduett“ „übersungen“. Zudem hatte Spence für sein Staatsopern-Debüt einen rabenschwarzen Tag erwischt, im ersten Akt stimmlich unsicher, wurde er im „Il mio tesoro“ von einer Indisposition ereilt. Mit Mühe konnte er die Arie beenden.

Spence ist der typischer Fall eines Sängers, der im Theater an der Wien gute Figur macht (2008 als Tom Rakewell) und in der Staatsoper sehr blass wirkt. Zudem verlieh sein heller, schlanker Tenor dem Don Ottavio eine knabenhaft-keusche Aura, die die dramaturgisch heikle Stellung der Figur im Handlungsgefüge noch weiter schwächte. Doch bei Spence ist ein weiterer Punkt zu berücksichtigen: Er kehrte erst im letzten Jahr nach einer schweren Erkrankung und einem Neuaufbau seiner Stimme auf die Opernbühne zurück.

Ildar Abdrazakov sang den Don Giovanni zum ersten Mal an der Staatsoper. Er bot zwar eine beeindruckende gesangliche Leistung, vermochte aber erst in der Friedhofsszene und der Höllenfahrt seine Vorzüge mit dem gebotenen Nachdruck auszuspielen. Don Giovanni trat an diesem Abend etwas hinter seinen Diener zurück: Der Leporello von Erwin Schrott gab sich sehr selbstbewusst und erinnerte mit langem, aufgelöstem „Barockhaar“ ein wenig an einen verkifften Popstar, der eigentlich alle an der Nase herumführt. Ob dieser Leporello vor der Erscheinung des Komturs noch „Angst“ verspürt hat? Schrotts Leporello war „nachrevolutionärer“ Natur – und sehr modern angelegt, auch im Bewegungsrepertoire. Zum Stil der Inszenierung passte das nicht, aber es hob sich belebend von ihr ab. Wenn Schrott in der Registerarie seine Späßchen macht und sich stimmlich ganz darauf einstellt, das zeigt Wirkung und unterhält das Publikum.

Das Verhältnis von Leporello zu Don Giovanni ließ sich an diesem Abend in einer Szene am Beginn des zweiten Aktes deutlich ablesen: Leporello kippte Don Giovanni den Inhalt eines Aktenköfferchens, in dem sich die „Liebes-Register“ und ein paar Dessous befanden, vor die Füße. Don Giovanni (!) packte das Köfferchen dann feinsäuberlich wieder ein, anstatt dass er Leporello so lange malträtiert hätte, bis dieser selbst Hand anlegt. Schrott spielte auch die Ständchenszene sehr aktiv, machte allerhand Pantomime und stahl seinem Herrn die Show. Wenn Abdrazakov mit mehr Zunder dagegen hielte, könnten die beiden eine recht dynamische Bühnenbeziehung und „Männerfreundschaft“ leben. Der „Alkoholkonsum“ Leporellos im Laufe des Abends war auch nicht zu verachten. Keine Frage: Erwin Schrott ist es gelungen, die Partie von Don Giovannis Diener sehr „umfassend“ zu präsentieren.

Véronique Gens hat schon im Theater an der Wien als Donna Elvira nicht wirklich begeistert, an der Staatsoper geriet ihr die Partie ziemlich farblos. Zwar hat sie hier unlängst in einer Gluck-Premiere als Alceste überzeugt, aber die Donna Elvira ist ein anderes, viel leidenschaftlicheres Kaliber. Gens sang die Partie zu einförmig und im „Mi tradi qell’alma ingrata“ fand die Stimme zu keinem ruhigen, gefühlstiefen Vortrag: das klang mehr nach einer flüchtigen Skizze, deren Emotionen kaum wahrgenommen, schon wieder verblassten.

Auch die Zerlina der Sylvia Schwartz rief in mir den Wunsch nach einer blumigeren, gefühlsreiferen Darbietung wach. In einem kleineren Haus kommt sie sicher besser zur Geltung – mit Tae-Joong Yang hatte sie allerdings einen etwas rauen Masetto an ihrer Seite. Der Komtur von Andreas Hörl erweckte mit seinem hohlwangingen Bass als Komtur mehr Mitgefühl als Furcht.

Das Orchester unter Louis Langrée hatte zumindest auf der Galerie einen dumpfen Klang, wodurch die Uninspiriertheit der musikalischen Darbietung noch verstärkt wurde: düster und träge kam dieser Don Giovanni schon in der Ouvertura daher, die ersten Takte hatten „Furtwänglerische Länge“, aber leider nicht deren Format.

Das Publikum verteilte beim Schlussvorhang seine Gunst leistungsadäquat – und Rebeka, Schrott, Abdrazakov erhielten viele Bravorufe und deutlich stärkeren Zuspruch, als die übrigen Mitwirkenden.

(Korr. & ergänzt 4. März 2013)