DON GIOVANNI
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Staatsoper Dirigent: James
Gaffigan |
Don Giovanni - Peter
Mattei |
„Don Giovanni“ in der Wiener Staatsoper – aber in der Pause ist der gelungene Stratossphärensprung von Felix Baumgartner allgemeines Gesprächsthema. Baumgartner erreichte bei seinem „Stunt“ eine Geschwindigkeit von 1.342,8 Stundenkilometern. So schnell war der Staatsopern-„Don Giovanni“ nicht. Das Timing war geradezu perfekt. Am Beginn der Vorstellung strebte Baumgartner noch empor zur Weltallgrenze – nach dem ersten Akt war er schon wieder sicher auf der Erde gelandet. Und die Hoffnung, Baumgartner möge sein Stunt gelingen, lenkte einen als Besucher ein wenig von der Vorstellung ab, die nur langsam in Schwung kam. Zuvor muss aber noch von einer anderen Sache die Rede sein: Die Billeteure tragen seit einer Woche keine Uniform mehr, sondern dunkelgraue Anzüge mit kleinen schmalen weißen Schildern. Ob die Uniformen „schick“ gewesen sind, soll hier nicht beurteilt werden, aber ihr praktischer Zweck stand außer Zweifel: Man hat die Billeteure auch im Publikumsgewühl auf den ersten Blick erkannt! Ob das jetzt noch der Fall ist, wage ich zu bezweifeln. Die neue Ansage betreffend „Handy-Abschalten und so“ wurde diesmal nach der Pause nicht gespielt. Das ist zu begrüßen. Verstehen kann man die Ansage auf der Galerie Mitte nach wie vor nur sehr schwer. Im Balkon-Umgang gibt es eine kleine Ausstellung mit Cartoons zum Sänger- und Musikerberuf gezeichnet von Benedikt Kobel. Unbedingt anschauen! Ich wollte, mich hätte der „Don Giovanni“ so amüsiert. Zugegeben, das Bild mit Verdi, Puccini und der Ente hat schon eine gewisse (köstliche) Absurdität, aber es geht auch „bodenständiger“ zu – wobei die Untersuchungen, die Kobel über die Flugeigenschaften von Instrumenten und Solisten anstellt, thematisch wieder sehr gut zum Stratos-Projekt des momentan weltweit berühmtesten Österreicher passen. Baumgartner hätte nur noch einen „Flügel“ in seiner Kapsel mitnehmen müssen ... Es heißt, dass auf lange Einleitungen ein besonders würziger Hauptteil folgen muss, weil sonst wird einem von den Lesern die Einleitung nicht verziehen. Damit kann ich leider nicht dienen. Die zweite Vorstellung der laufenden „Don Giovanni“-Serie blieb im Gesamteindruck zu wenig zwingend. Dabei war mit Peter Mattei ein „Don Giovanni“ zu Gast, der die Rolle stimmlich und darstellerisch ausfüllen konnte. Hat es Mattei nicht auch vermocht den „leeren Raum“ von Altmeister Peter Brook bei dessen „Don Giovanni“-Inszenierung im Aix-en-Provence der späten 1990er-Jahre auszufüllen? Mattei spielt den Don Giovanni mit großer, manchmal fast herablassender Selbstverständlichkeit. Die Kunst des großen Verführers liegt darin, scheint er vermitteln zu wollen, dass er sich seines Sieges gewiss ist. Da braucht es keine besondere Brutalität, da genügen eine weiche Schale und ein harter Kern. Denn trotz aller oberflächlichen Geschmeidigkeit ist mit diesem „Don Juan“ nicht gut „Kirschen essen“. Die Szene mit Zerlina war beispielgebend. Gleich setzt er sich zur Braut, legt ihr die Hand locker um den Körper, lässig und ein wenig anzüglich – und der praktisch schon in diesem Augenblick gehörnte Masetto weiß nicht recht wie ihm geschieht. Aber zum Glück wird Donna Elvira dazwischen gehen. Sie kam gerade rechtzeitig, um dabei zu helfen, einen hüfthohen, etwas schmalen Kasten zu stabilisieren, auf den Don Giovanni Zerlina gehievt hatte – und der umzukippen drohte. Der groß gewachsene Mattei war eine eindrückliche Bühnenerscheinung und sein Bariton vermochte unforciert zu strömen oder zärtlich ins Piano zu wechseln. Das „Deh vieni alla finestra“ gelang ihm vorzüglich, wurde von ihm dem Publikum wie ein Leckerbissen serviert, geschmackvoll und subtil. Schon im ersten Akt perlte die Champagnerarie locker von seinen Lippen. Matteis Timbre ist eher weich und elegant – ohne härtere aggressive Beifärbung. Insofern passten das bis in Details durchgeformte Rollenbild und die Stimme sehr gut zusammen. Wolfgang Bankl ist inzwischen der „Haus“-Leporello vom Dienst, ein Leporello von bodenständigerer Art und nördlich der Alpen „aufgewachsen“. Als Masetto stellte sich in dieser Serie Alessio Arduini dem Staatsopernpublikum vor. Arduini ist sichtlich südlich der Alpen aufgewachsen und mit seiner schlanken, aber kernigen Stimme war er als Masetto am richtigen Platz. Benjamin Bruns sang das „Dalla sua pace“, vor allem im zweiten Teil mit ausgesprochen schöner Pianokultur. Als Charakter blieb dieser Don Ottavio allerdings recht blass. Albert Dohmen ist eher kein furchterregender Komtur. Immerhin trug er bei seinem ersten Auftritt keine Armbinde mehr. Offenbar beginnt man jetzt doch, besonders störende Details der Inszenierung abzuändern. Nur Mut! Die Handschellen, mit denen Don Giovanni Donna Anna am Beginn „sado-masochiert“, wären auch so ein entbehrliches Requisit. Marina Rebeka hat mit dieser Aufführungsserie an der Staatsoper debütiert. Die Sängerin hat die Partie beispielsweise schon an der Deutschen Oper Berlin und an der New Yorker Met gesungen. Ihr Sopran klang für Mozart recht „durchschlagskräftig“, besaß einen – je nach Zuhörergeschmack – schon zu starken Härtegrad, der ihre Stimme kühl färbte und mit metallenen Spitzentönen versah. Die Sängerin dominierte auch die Ensembles, in denen ihr Sopran mühelos das Haus füllte. Insgesamt bereitete die Partie Rebeka keine Probleme, auf mich wirkte ihr Vortragsstil allerdings wenig „sinnlich“ und zu „forsch“. Alexandra Reinprechts Donna Elvira benötigte lange, um das starke Flackern ihrer Stimme einigermaßen abzulegen. Sie klang dabei forciert und die Sängerin vermittelte mir nicht den Eindruck, dass ihr die Partie „in die Kehle geschrieben worden wäre“. Vor wenigen Jahren hat sie noch die Zerlina gesungen, und als solche ist sie mir in viel ansprechenderer Erinnerung geblieben. Ileana Tonca sang eine eloquente, spielfreudige Zerlina, obwohl sie für meinen Geschmack keine typische „Zerlina-Stimme“ hat, schon eine Spur zu dunkel timbriert. Das Orchester schwelgte wieder eher in der deutsch-romantischen Tradition, was nicht verwundert, war James Gaffiigan am Pult doch einige Jahre Assistenzdirigent von Franz Welser-Möst. Schon die Ouvertura und dann vor allem der erste Akt wirkten etwas schwerfällig, ohne Esprit. Die Szene und das Duett zwischen Donna Anna und Don Ottavio („Ma qual mai s’offre oh Dei“ usf.) hätten mehr Spannung gut vertragen. Das Quartett zwischen Donna Anna, Donna Elvira, Don Ottavio und Don Giovanni schien einige Male fast auf der Stelle zu treten. Nach der Pause lief es „runder“. Insgesamt fehlte dem Abend nach meinem Eindruck das Gefühl für die Gesamtwirkung: diese selbstverständliche Art des Mozart-Musizierens, bei der Humor, Spielfreude und ein sinnliches, tiefergehendes Gespür für die Charaktere und ihre Gefühlswelt Hand in Hand gehen. Der
Applaus war nicht übermäßig stark, um Mattei einen wirklich
würdigen Beifall zu bereiten – dafür waren zu wenige Stammbesucher
im Haus. Alessio Arduini scheint in seinem ersten Staatsopernjahr gut
anzukommen. Reinprecht und Gaffigan reüssierten dagegen weniger in
der Gunst des Publikums.
Besprochen wurde die zweite Aufführung der laufenden Serie. |