DON GIOVANNI
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Staatsoper
22.9.2011

Dirigent: Patrick Lange

Don Giovanni - Adam Plachetka
Komtur - Albert Dohmen
Donna Anna - Myrtò Papatanasiu
Don Ottavio - Pavol Breslik
Donna Elvira - Dinara Alieva
Leporello - Alex Esposito
Zerlina - Anita Hartig
Masetto -
Tae Joong Yang


„Frischer Wind in düsterem Gemäuer

(Dominik Troger)

Düster ist dieser neue Staatsopern-„Don Giovanni“. Die Atmosphäre schwermütiger Kathedralen umgibt ihn, hinter deren Säulen Inquisitoren lauern. Aber es scheint, als würden frische Besetzungen hier ein wenig durchlüften.

Nach der Premiere im Dezember 2010 und einer Reprise im Frühjahr steht nun die dritte Serie des neuen Staatsopern-„Don Giovannis“ in der Regie von Jean-Louis Martinoty auf dem Programm. Spielbar ist die Produktion im Repertoire allemal und hin und wieder amüsiert sich dabei sogar das Publikum. Einige Punkte sind nach wie vor ärgerlich, und wären sicher leicht abzustellen, vor allem der Komtur bräuchte dringend eine optische Aufwertung. Aber wie man an diesem Abend sehen und hören konnte, beleben neue Besetzungen die Szene in durchaus ansprechender Weise.

Nach der Absage von Bo Skovhus erhielt Adam Plachetka (in der Premiere noch Masetto) die Chance als Don Giovanni zu reüssieren. Plachetka ist großgewachsen und eine sportliche Erscheinung. Er gestaltete trotz seiner noch jungen Karriere die Rolle überraschend differenziert, mit einer Mischung aus Aggressivität und gefühlvoller Leidenschaft. Sein Don Giovanni erschöpfte sich nicht in machohaftem „Dreinschlagen“, sondern erwies sich beispielsweise im Duett mit Zerline oder beim „Ständchen“ als einfühlsamer Verführer. Sein flexibler Bassbariton besitzt ein reichhaltiges, festes Timbre und viel Charme – ist weder zu „sentimental“ noch zu „grob“ beschaffen. Ob er im Finale gesanglich noch etwas mehr aufs Gaspedal steigen sollte, wäre überlegenswert. Aber das Haus ist groß. Besser er verzichtet aufs Forcieren und erhält sich seine ausgewogene Stimme.

Bei der Donna Anna von Myrtò Papatanasiu war nämlich zu hören, wie eine Stimme klingt, bei der ganze Passagen unter „Überspannung“ leiden. Papatanasiu hat die Donna Anna mit ähnlich fragwürdigem Einsatz schon vor einigen Jahren im Theater an der Wien gesungen. Dass es ihr damit gelingt, Intensität zu erzeugen, sei unbestritten. Mit ihrer glutvollen Bühnenerscheinung, die in kleineren Häusern allerdings besser zum Tragen kommt, deutete sie einiges von Donna Annas gefährdeter Psyche an. Aber gesanglich war mir der Preis, der dafür gezahlt wurde, zu hoch.

Mit Dinara Alieva stellte sich als Donna Elvira eine junge Sängerin aus Aserbaidschan vor, die aus ähnlichem Holz geschnitzt sein dürfte. Alieva hat vor einem Jahr in Klagenfurt die „Troubadur“-Leonora (!) gegeben. Eine Kritik in der „Presse“ lobte damals ihre „dramatischen Attacken“. Nach dem Anhören von einigen „Kostproben“ auf Youtube, finde ich, die Donna Elvira ist für Alieva derzeit die bessere Option. Ihr leider etwas forsch geführter Sopran hat eine charakteristische, leicht aufgeraute, angedunkelte Färbung. Das kurzwellige Vibrato mag ebenfalls zum Stimmcharakter gehören und emotionale Leidenschaft im Zuhörer erwecken (solange es nicht ausufert). Das „Mi tradi qell’alma ingrata“ wurde von ihr prompt und energiegeladen „auf die Bühne gestellt“, ohne dass sie sich dabei viel mit den „Abgründen“ Mozart’scher Gefühlswelten befasst hätte.

Für mich persönlich bot von der Damenriege Anita Hartig als Zerlina die gesanglich stimmigste Leistung. Sie gab der Figur eine schüchterne Mädchenhaftigkeit und ihr auch im großen Haus gut tragender Sopran erklang locker und klar, wo geboten mit feiner Zurückhaltung. Eine zarte Traurigkeit und Liebesfähigkeit war hineingewoben, die deutlich von einer „keckeren“ Rollenauffassung abstach. Das Timbre ihrer Stimme ist mehr „klassisch“ gewachsen, nicht weich oder süßlich, und besitzt – Nomen est Omen – vielleicht eine Härtegrad mehr, als sonst bei Zerlinen üblich.

Alex Esposito hat als Leporello wieder einige „Bühnenkilometer“ absolviert. Das ist auch ein Erbstück der Martinoty’schen Regie. Espositos „diabolisches Lachen“ am Schluss der Registerarie zeugte von eher trockenem Humor. Wird hier das Opera-buffa-Erbe gar zum Mephisto und pflegt eine sadistische Note? Exposito zeichnete die Rolle recht selbstbewusst. Seine Art zu Singen ist wenig detailverliebt, sucht geradlinig ihr Ziel, und lässt viel an feineren Pointen und ausschmückenden Betonungen liegen, die man aufgreifen könnte.

Der kultivierte, ausgeprägt lyrische Tenor von Pavol Breslik war bei Mozart wieder sehr gut aufgehoben – und ist mir beim Don Ottavio rein auf den Charakter bezogen schon eine Spur zu zart gewoben. Sein Timbre ist hell und fein ausgeprägt, und Breslik pflegt es mit ätherischen Wohlklang, der Zuhörern viel Genuss bereitet. Darstellerisch wirkte Breslik auf mich selbstbewusster als bei seinem Rollendebüt im Frühjahr. Tae Joong Yang sang einen etwas grobgekörnten, unauffälligen Masetto. Der Komtur von Albert Dohmen hatte nichts „Unterweltliches“ – und weil noch dazu die Regie diese Rolle abstraft, trug sie kaum etwas zur Hebung der Spannung bei.

Unter der Stabführung von Patrick Lange erklang Mozart eher breit und „romantisch“, wurde Spannung vor allem mit flottem Tempo erzielt. Der Abend wurde routiniert abgespult, Humor, tiefere Betroffenheit und Details wurden mehr planiert als herausgehoben. Wieder wurde das Andante in der „Ouvertura“ für meinen Geschmack zu schnell gespielt. Die Spannung zwischen den beiden Teilen und der narrative Aufbau können dann nur mehr schwer zur Geltung kommen - und die Rezitative wurden auch schon mal lustvoller ausgekostet.

Der Applaus währte vier Minuten. Den ganzen Abend lang kam in dem vom Abonnenten und Touristen gefüllten Haus nur mäßige Stimmung auf. Nach den bekannten Arien gab es meist kurzen Zwischenapplaus. Besprochen wurde die dritte Aufführung der laufenden Serie.